Mietenregulierung als „die derzeit effizienteste Methode, eine Stadt zu zerstören – abgesehen von Bombenangriffen“.
Eine Aussage, die dem Jahr 1970 und dem schwedischen Ökonomen Assar Lindbeck zugeschrieben wird.
Eine Aussage, die bei der Wahl des Bürgermeisters von New York City vielfach zitiert wurde. Denn mit „Freeze the rent“ hatte Zohran Mamdani stark auf Mietenregulierung gesetzt – „Affordability„, in der teuersten Mietstadt der Welt.
Mit Erfolg. Er ist gewählt. Und natürlich will und wird er New York nicht zerstören, eher vor der Abrissbirne im Weißen Haus schützen. Jung, dynamisch, smart und sehr nahbar, der ideale Gegenentwurf zum MAGA-Kult.
Wird damit der „Mietenstopp“ wieder Mode? In Berlin freut man sich schon. Neulich las ich von einer Linken, die (als Juristin) meinte, Schuld an der Nichtigkeit des Berliner Mietendeckels sei nicht etwa seine Verfassungswidrigkeit, sondern seien jene, die dagegen geklagt hatten. Bitte was? Das hat MAGA-Niveau.
Es lohnt ein genauer Blick auf Mamdani. Der „Mietenstopp“ in einem Teilbereich des städtischen Wohnungsbestandes ist nach seiner Vorstellung die einzige Möglichkeit, genügend Wähler für eine Wachstumsagenda zu gewinnen. Wie das? Mietpreisregulierung als Wachstumsagenda? Tatsächlich verfolgt er einen größeren Wohnungsneubauplan. Die Mietregulierung soll helfen, den Betroffenen sofort greifbare Vorteile zu bringen und sie versöhnen mit der Wachstums- und Neubauagenda. Damit der Neubau in der Nachbarschaft nicht an der (Verdrängungs-) Angst der Bewohner scheitert.
Es ist die Wette auf eine Wachstumsagenda, nicht mit der Kettensäge, sondern mit Empathie, Identifikation und Vertrauen. Mitnehmen statt spalten. Es ist mutig. Aber es ist New York. Und der Meltdown bei den Kritikern beginnt schon.
Anders in Berlin, mit einem Mietpreis von etwa 32% des Wertes in New York, aber mit einem eben erst startenden Wahlkampf. Wir erleben eine Mietpreisregulierung als Selbstzweck, Spaltung durch Anfeindung von Vermietenden und Wachstumsfeindlichkeit.
Es erinnert aktuell vieles wieder an den Berliner Mietendeckel, der so krachend scheiterte, weil er scheitern musste. Das liegt auch daran, dass das Land durch „Beratungs- und Prüfstellen“ eine Art von Verstaatlichung der Mietpreisbremse versucht, Mietspiegelabweichungen gerne gleich als Mietwucher verkauft werden, der Milieuschutz für Mietpreisregulierung eingesetzt wird und ein grotesker Einzelfall in Friedrichshain-Kreuzberg zum WiStrG herangezogen wird um zu behaupten, Verstöße gegen die Mietpreisbremse seien nun bußgeldbewehrt. Mietende in Berlin meinen nun, man müsse in Berlin nicht auf Einhaltung der Mietpreisbremse klagen, sondern man könnte einfach bei der Behörde Anzeige erstatten und Vermietende mit Geldbußen bestrafen lassen.
Das ist gefährlicher Unsinn und ruft die beiden BVerfG-Entscheidungen zum Mietendeckel in Erinnerung. Ja, es gab zwei.
In der Nichtigkeitsentscheidung machte das BVerfG klar, dass das Land dem zivilrechtlichen Mietrecht nicht einfach ein öffentlich-rechtliches Mäntelchen umhängen kann, um es mit Staatsgewalt inkl. Bußgeld durchzusetzen.
Und in einer Eilrechtsentscheidung entschied das BVerfG (Beschluss vom 10.03.2020 – 1 BvQ 15/20, Rn. 23), dass die Verhängung einer Geldbuße eine repressive Sanktion ist, verbunden mit dem staatlichen Tadel rechtswidrigen vorwerfbaren Fehlverhaltens. In der Belegung mit einer Geldbuße liegt – im Unterschied zu allein verwaltungsrechtlichen Ge- und Verboten – eine nachdrückliche Pflichtenmahnung und eine förmliche Missbilligung der Betroffenen, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Ahndung grundsätzlich nur im Rahmen der verfahrensrechtlichen Garantien des Strafrechts und unter Beachtung der damit gewährleisteten rechtsstaatlichen Verbürgungen erlaubt ist. Es gilt der Schuldgrundsatz (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvR 2735/14), er ist zwingendes Erfordernis des Rechtsstaatsprinzips und verlangt die Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit.
Der Schuldgrundsatz ist es folgerichtig, der heute u.a. zur Ablehnung eines Antrages der Linken im Bundestag zur Reform des § 5 WiStrG führte (siehe BT-Drs. 21/2168). Im zuständigen Ausschuss wurde auch darauf hingewiesen, dass in einer Stadt wie Berlin mit über 1,4 Millionen Mietwohnungen die Norm seit dem Jahr 2017 nicht angewandt worden ist. Das änderte sich zwar nun kürzlich in einem Einzelfall ohne gerichtliche Klärung. Das ändert aber nichts an der Rechtslage. Und die Rechtslage wurde vom Bundesrat (BT-Drs. 21/1397) treffend wie folgt beschrieben:
„Allerdings ist § 5 WiStrG 1954 in der Praxis weitgehend wirkungslos geworden. Hauptgrund hierfür ist, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sehr hohe Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen durch den Vermieter stellt. Es soll danach nicht ausreichen, dass sich der Vermieter die gegebene Lage auf dem Wohnungsmarkt bewusst zu Nutze macht. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Vermieter erkennt oder in Kauf nimmt, dass der konkrete Mieter sich in einer Zwangslage befindet, weil er aus nachvollziehbaren gewichtigen Gründen nicht auf eine preiswertere Wohnung ausweichen kann (vergleiche BGH NJW 2005, 2156, 2157). Hierzu sind Feststellungen notwendig, welche Bemühungen der Mieter bei der Wohnungssuche bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrags angewiesen war (vgl. BGH NJW 2004, 1740, 1741). Diese Tatsachen sind im Ordnungswidrigkeitenverfahren von der Verfolgungsbehörde von Amts wegen zu ermitteln und nachzuweisen. Im Zivilverfahren trägt im Bestreitensfalle der Mieter die Beweislast für die genannten Umstände. Dies kann in der Praxis sowohl für die Behörde als auch für den Mieter mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Noch größere Probleme dürfte in der Praxis regelmäßig der Nachweis für das subjektive Element des Ausnutzens auf Vermieterseite, nämlich dass der Vermieter seine persönliche Zwangslage erkennt und in Kauf nimmt, bereiten. Eine „Ausnutzung“ lässt sich in der Praxis deshalb kaum je nachweisen, wodurch § 5 WiStrG 1954 faktisch weitgehend leerläuft.“
Die Bundesregierung hat schon mitgeteilt, die Reform des § 5 WiStrG im Rahmen der Expertengruppe Mietrecht anzugehen, deren Ergebnis spätestens Ende 2026 vorliegen soll. Das klingt sinnvoll. Dort soll aber auch unabhängig von § 5 WiStrG eine Bußgeldbewehrung bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse geprüft werden. Das klingt dann wirklich nach „Bombenangriff“ – und ruft erneut nach einem erfolgreichen Schutzschirm namens Bundesverfassungsgericht.
© Copyright by Dr. Elmar Bickert