Bei der heiß diskutierten Wohnraumfrage geht es richtigerweise nicht darum, dass die eine abstrakte Bedarfszahl nach der anderen durch den „Ballungsraum“ gejagt wird. Es geht um Wohnraumschaffung v.a. in Ballungszentren und damit im Kern um Nachverdichtung und Baulückenschließung, mithin um Baurecht (siehe schon: Quo vadis Wohnungsbau? Zwischen Bezahlbarkeit, Förderfähigkeit, Transformation und New European Bauhaus).

Befindet sich ein Bauvorhaben innerhalb eines (unbeplanten) Bebauungszusammenhangs, kommt der Bauherr in den Genuss der Vorzüge des § 34 BauGB.

  • Dazu gehört es, dass die Baubehörde respektieren muss, dass Gebäude im Innenbereich tendenziell einer Änderung ihrer Zweckbestimmung zugänglich sind, auch hin zu einer (intensiveren) Wohnnutzung, und dass eine Beschränkung auf das, was nach der subjektiven Sicht der Baubehörde städtebaulich wünschenswert ist, von der Behörde nicht vorgenommen werden darf.
  • Zudem fügen sich auch solche Vorhaben im Sinne des § 34 BauGB ein, die über den vorhandenen Rahmen nur unwesentlich hinausgehen, und fügt sich ein Vorhaben auch dann ein, wenn es zwar den vorhandenen Rahmen überschreitet, aber keine bodenrechtlich beachtliche Spannungen begründet oder erhöht.
  • Auch wurde mit dem am 23. Juni 2021 in Kraft gesetzten Baulandmobilisierungsgesetz das bisherige Einzelfallerfordernis in § 34 Abs. 3a BauGB bezogen auf den Wohnungsbau/Wohnnutzung gestrichen. Es wurde erkannt, dass diese Beschränkung nicht die Wohnentwicklungsmöglichkeiten einschränken können soll und folglich kann nach § 34 Absatz 3a BauGB neue Fassung bei baulichen Anlagen zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nicht nur im Einzelfall abgewichen werden.

Wann aber befindet sich ein Bauvorhaben innerhalb eines Bebauungszusammenhangs – und nicht außerhalb eines solchen und damit im Außenbereich nach § 35 BauGB? Antworten gibt ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2022 (ja, der BGH, es ging um eine Baulandsache im Umlegungsverfahren, durchgängig aber mit Bezug auf die BVerwG-Rspr.).

Ein Grundstück gehört nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Innenbereich, wenn es innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt,

  • sich also in einem Bebauungszusammenhang befindet,
  • der zudem einem Ortsteil angehört.

Ein „Ortsteil“ ist dabei jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.

Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz (etwaig) vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Ein Grundstück setzt den Bebauungszusammenhang nicht schon dann fort, wenn es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr, dass es selbst als deren Bestandteil an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt.

Fehlt es hieran, so liegt das Grundstück zwar geographisch, nicht jedoch auch im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB „innerhalb“ eines Bebauungszusammenhangs.

BGH, Urteil vom 17. Februar 2022 – III ZR 46/20

Die möglichen Bestandteile eines Bebauungszusammenhangs sind vielfältiger als es manche Behördenpraxis vermuten lässt:

  1. Mögliche Bestandteile eines Bebauungszusammenhangs sind erstens bebaute Grundstücke, soweit die darauf befindliche Bebauung geeignet ist, den Bebauungszusammenhang selbst herzustellen oder an seiner Entstehung mitzuwirken.
  2. Zweitens können auch unbebaute Grundstücke dem Bebauungszusammenhang angehören, wenn es sich um eine Baulücke im engeren Sinne des Wortes handelt, also um ein zwar unbebautes, aber bebauungsfähiges Grundstück, das trotz der fehlenden Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit der umgebenden Bebauung nicht stört;
    (2.a) dem gleichzustellen sind Grundstücke mit baulichen Anlagen, die selbst nicht geeignet sind, den Bebauungszusammenhang herzustellen oder an seiner Entstehung mitzuwirken.
  3. Bestandteil des Bebauungszusammenhangs können drittens auch freie Flächen sein, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (stehendes oder fließendes Gewässer) oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung (Sportplätze, Erholungsflächen) einer Bebauung entzogen sind.

Der BGH hat sich vertieft mit der 2. Fallgruppe befasst, also mit der Frage, wann eine Baulücke im Rechtssinne vorliegt: Ein unbebautes, aber bebauungsfähiges Grundstück, das trotz fehlender Bebauung nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit der umgebenden Bebauung nicht stört, sondern diesem Bebauungszusammenhang noch angehört.

Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nämlich aufgrund einer (…) umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Betrachtung im Einzelfall zu entscheiden.

BGH, Urteil vom 17. Februar 2022 – III ZR 46/20

Was genau sind die Anforderungen? Zunächst dazu, was nicht ausreicht:

  • Es verbietet sich, allein von der Größe einer bebauungsfreien Fläche auf eine Unterbrechung des Bebauungszusammenhanges zu schließen.
  • Es lässt sich nichts Allgemeingültiges darüber sagen, wie sich die Größe einer unbebauten Fläche auf die Anwendbarkeit des § 34 BauGB auswirkt.
  • Zwar entspricht es einer aus der Erfahrung abzuleitenden Faustformel, dass die wachsende Größe einer unbebauten Fläche als Indiz gegen einen Bebauungszusammenhang spricht; ein absoluter Grenzwert lässt sich insoweit jedoch nicht angeben. Eine Faustformel bezeichnet lediglich einen gedanklichen Ausgangspunkt für den Tatrichter, der von einer Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall nicht entbindet. Damit ist ein geografisch-mathematischer Maßstab, der die Zahl der Bauplätze für ausschlaggebend hält, nicht vereinbar.

Erforderlich ist das Folgende:

  • Erforderlich ist, das Vorhabengrundstück in Beziehung zur Umgebungsbebauung zu setzen.
  • Die Verneinung einer Baulücke erfordert die Feststellung, dass diese Fläche von der Umgebungsbebauung nicht mehr geprägt wird. Denn bei Baulücken handelt es sich um unbebaute Grundstücke innerhalb eines Bebauungszusammenhangs, die nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und bei denen die umgebenden Grundstücke einen derart prägenden Einfluss auf die Art und Weise der Bebauung ausüben, dass dadurch die städtebauliche Ordnung gewährleistet wird.
  • Folglich liegt keine Baulücke mehr vor, wenn die Fläche so groß ist, dass sie in den Möglichkeiten ihrer Bebauung von der bereits vorhandenen Bebauung nicht mehr geprägt wird.
  • Eine ringsum von Bebauung umgebene Freifläche, die so groß ist, dass sie einer eigenen und von der Umgebung unabhängigen städtebaulichen Planung und Entwicklung zugänglich ist, so dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen aufdrängt, unterbricht den Bebauungszusammenhang und ist als Außenbereich zu qualifizieren.

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