Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil die Rechte der Gemeinde im städtebaulichen Vertrag gestärkt. Erhalten Bürger:innen Grundstücke von der Gemeinde mit der Verpflichtung zur Errichtung von Wohgebäuden, kann die Nichterfüllung der Bauverpflichtung auch noch in einer 30-jährigen Ausübungsfrist zum Wiederkaufsrecht der Gemeinde führen. Im konkreten Fall verkaufte die Gemeinde 1994 mit Bauverpflichtung innerhalb von acht Jahren und forderte das Grunstück 2014 zurück.

Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann die Gemeinde den Eigentümern auch durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen (vgl. § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Es ist daher nach dem BGH für sich genommen nicht zu beanstanden, wenn sie dem privaten Käufer ein im Gebiet eines Bebauungsplans gelegenes Grundstück nur gegen Übernahme einer Bebauungsverpflichtung verkauft und diese Verpflichtung durch ein Wiederkaufsrecht für den Fall des Verstoßes absichert.

  • Bauverpflichtungen dienen nach dem BGH dem anerkennenswerten städtebaulichen Zweck, die (zeitnahe) Erreichung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sicherzustellen bzw. zu fördern und Grundstücksspekulationsgeschäfte zu verhindern.
  • Die Pflicht, das Grundstück den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß zu bebauen, stellt für den Erwerber eines im Baugebiet gelegen Grundstücks wiederum nach dem BGH regelmäßig keine schwerwiegende Belastung dar. Denn üblicherweise werde er ohnehin beabsichtigen, das Grundstück zu bebauen, und muss hierbei die Vorgaben des Bebauungsplans einhalten. Daher sieht es der BGH auch als nicht geboten an, die Bauverpflichtung durch einen Nachlass auf den Verkehrswert des Grundstücks zu kompensieren.
  • Es ist daher für sich genommen nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeinde dem privaten Käufer ein im Gebiet eines Bebauungsplans gelegenes Grundstück nur gegen Übernahme einer Bebauungsverpflichtung verkauft und diese Verpflichtung durch ein Wiederkaufsrecht für den Fall des Verstoßes absichert, auch unter Berücksichtigung einer Ausübungsfrist von 30 Jahren.
  • Wenn keine Regelung über die Frist zur Ausübung getroffen wird, gilt die gesetzliche Frist von 30 Jahren. Die Länge der gesetzlichen Frist stellt sich nach dem BGH auch nicht einseitig als Vorteil für die Gemeinde und als Nachteil für den Käufer dar.
    • Denn sie ermöglicht es der Gemeinde, im Einzelfall flexibel zu reagieren, etwa indem sie einem unverschuldet in wirtschaftliche Not geratenen Käufer die Frist für die Erfüllung der Bebauungsverpflichtung verlängert.
    • Bei einer kürzeren Ausübungsfrist wäre die Gemeinde hingegen gezwungen, ihr Recht sofort oder zumindest zeitnah auszuüben, um es nicht zu verlieren.
    • Alternativ müsste sie von vornherein eine kürzere Frist für die Bebauungsverpflichtung vorsehen, um nach deren Ablauf ausreichend Zeit für die Prüfung des weiteren Vorgehens zu haben.

Eine solche Gestaltung hält auch dem Angemessenheitsgebot des § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB stand.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssen die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs darf die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen und die vertragliche Übernahme von Pflichten darf auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner führen.
Siehe auch schon:
Grundstückskaufverträge mit Bauverpflichtung gegenüber Gemeinden: BGH erweitert Gestaltungsrahmen für Projektentwicklungen mit privaten Investoren
Verkauf von Bauland durch Gemeinden an Private: Wiederkaufsrechte, Mehrerlösklauseln, Nachzahlungsklauseln und Bauverpflichtungen – und ihre Wirksamkeits-Grenzen

Die Vereinbarung von Bauverpflichtungen gilt als Mittel zur raschen Bebauung des Plangebiets und zur Vermeidung von Baulücken, um die Erschließung von weiteren Baugebieten aus Kosten- und Umweltgesichtspunkten möglichst zu vermeiden. Zugleich sind Bauverpflichtungen ein Mittel zur Verhinderung von Grundstücksspekulationsgeschäften, was ebenfalls ein anerkennenswertes städtebauliches Ziel darstellt.

BGH, Urteil vom 16. Dezember 2022 – V ZR 144/21

Auch sonst hatte der BGH keine Wirksamkeitsbedenken:

  • Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setzt nicht voraus, dass dem Käufer das Grundstück unterhalb des Verkehrswertes verkauft wird, zumal Gemeinden unter beihilfe- und haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten Grundstücke grundsätzlich nicht unter dem Verkehrswert veräußern dürfen.
  • Als Wiederkaufspreis kann der Preis vereinbart werden, zu welchem verkauft worden ist. Dies entspricht der gesetzlichen Zweifelsregelung.
  • Auch eine Nichtverzinsung des ursprünglichen Kaufpreises wird als wirksam bestätigt, denn es entspricht dem Umstand, dass der Käufer seinerseits nicht verpflichtet ist, gezogene Nutzungen an den Verkäufer (und Wiederkäufer) herauszugeben.
  • Eine Bebauungsfrist von acht Jahren ist nicht unangemessen kurz. Als unangemessen kann sich aber eine Bebauungsverpflichtung darstellen, wenn dem Erwerber eine besonders kurze, in der Praxis unter Berücksichtigung üblicher Abläufe nur schwer einzuhaltende Frist für die Bebauung gewährt wird.
  • Es bedarf keiner Vereinbarung einer Ausnahme für Härtefälle. Eine Gemeinde ist auch ohne explizite Vereinbarung bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, weil sie als öffentliche Körperschaft den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts unterliegt. Die Gemeinde muss daher ohnehin im Wege einer Ermessensentscheidung prüfen, ob die Ausübung des Wiederkaufsrechts im Interesse der Sicherung des mit ihm verfolgten Zwecks geboten ist oder eine vermeidbare Härte darstellt. Der schlichte Zeitablauf seit dem Verstreichen der Bebauungsfrist reicht nicht aus für einen Härtefall.

Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung gebietet es nicht, differenzierte Regelungen für jeden erdenklichen Fall vorzusehen, in dem sich die Ausübung des Wiederkaufsrechts als unbillig darstellen kann. Vielmehr sind solche besonderen Umstände des Einzelfalls durch die Gemeinde bei der Ermessensentscheidung über die Ausübung des Wiederkaufsrechts zu berücksichtigen. Denn eine Gemeinde ist nicht nur bei der Vertragsgestaltung, sondern auch bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, weil sie als öffentliche Körperschaft den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts unterliegt.

BGH, Urteil vom 16. Dezember 2022 – V ZR 144/21

HINWEIS:
Wichtig ist, den vorliegenden Fall vom Grundstücksverkauf im sog. Einheimischenmodell zu unterscheiden (dies hatte das Berufungsgericht OLG München noch anders gesehen). Der Käufer war einzig verpflichtet, das Grundstück innerhalb von acht Jahren mit einem dem Bebauungsplan entsprechenden Wohngebäude zu bebauen. Er hätte das Grundstück sofort nach Abschluss des Kaufvertrages und Erteilung einer Baugenehmigung bebauen und das Wiederkaufsrecht damit zum Erlöschen bringen können. Auch konnte er über das Grundstück nach dessen Bebauung frei verfügen. Anders ist das beim sog. Einheimischenmodell. Dort wird dem Erwerber eine langfristige Bindung auferlegt, die nur mit einer angemessen hohen Subvention zu rechtfertigen ist. Durch das Einheimischenmodell soll in Gemeinden, die eine starke Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten verzeichnen, Einheimischen der Erwerb von Bauflächen zu bezahlbaren, in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen ermöglicht werden. Dies ist nur zulässig, wenn sichergestellt wird, dass die bevorzugten Käufer die auf den Grundstücken zu errichtenden Eigenheime für einen bestimmten Zeitraum selbst nutzen und nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußern oder den Grundbesitz an Dritte vermieten. Vertragliche Regelungen, die entsprechende Bindungen begründen, schaffen mithin erst die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands. Da die Bindung des Käufers beim Einheimischenmodell der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist, hängt die zulässige Bindungsdauer von dem Umfang der Verbilligung ab.

Bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis stellt sich die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, selbst dann nicht als unangemessen i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB dar, wenn eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der in § 462 Satz 1 BGB geregelten Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.


BGH, Urteil vom 16. Dezember 2022 – V ZR 144/21

© Copyright by Dr. Elmar Bickert