Wenn Holger Appel in der FAZ das „E-lend“ ausruft, dann lohnt sich ein genauer Blick auf das, was er vorgibt zu kommentieren: Der Absatz von Elektroautos. Wenn er seine Leser unter „Technik und Motor“ mit Politikkommentaren semi-sprachwitzig „veräppelt“, dann ahnt man: Dieser Apfel könnte faul sein. Und tatsächlich. Während Appel gegen E-Mobilität und VW wütet, tut sich in der Automobilwelt bemerkenswertes.
So sind in der EU im Juni 2023 erstmals mehr (reine) Elektroautos als Pkw mit Dieselmotor neu zugelassen worden. Im Juni stieg der Marktanteil der E-Autos auf 15,1 Prozent, der Marktanteil der Dieselautos lag bei 13,4 Prozent. Im ersten Halbjahr erreichten Elektroautos einen Zulassungsplus von 53,8 %.
Und nach dem KBA stiegen bei den Elektro (BEV)* Pkw (Battery Electric Vehicle, Fahrzeuge mit ausschließlich elektrischer Energiequelle) die Zulassungszahlen in Deutschland im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um +31,7 Prozent, keine Antriebsart erreichte im Vergleichszeitraum mehr. Im Juni 2023 allein kamen +64,4 Prozent mehr Elektro (BEV) Neuwagen zur Zulassung als im Vorjahresmonat. Ihr Anteil betrug 18,9 Prozent.
Dabei ist auch in Deutschland Tesla weiterhin Markführer bei den Elektroautos (siehe KBA-Abbildung nebenstehend). Das Plus für Tesla war mit +176,6 Prozent enorm. Einen großen Anteil hat das Model Y, das nicht nur zum meistverkauften Elektroauto, sondern auch schon zum meistverkauften Auto generell gekürt wurde. Auch im Juni 2023 wird das Model Y als Nr. 1 bei den BEV geführt, mit einer Absatzsteigerung von 64,4% gegenüber dem Vorjahresmonat. Und das wird in der Brandenburger Gigafactory gefertigt, welche nun sogar das größte Automobilwerk in Deutschland werden soll. Tesla will seine Kapazitäten in Grünheide verdoppeln (1 Mio. Fahrzeuge p.a., 22.500 Mitarbeiter) und hat dafür nun seine Pläne vorgestellt. Zugleich vermeldet Tesla eine massive Steigerung bei Gewinn und Umsatz.
In June, the battery-electric car market share surged from 10.7% to 15.1%, overtaking diesel share for the first time. Hybrid-electric cars remained the second-most popular choice among new car buyers, representing 24.3% of the market.
Acea, 19 July 2023


LADESTATIONEN:
Am 11.07.2023 erst hatte das Europäiche Parlament für mehr Ladestationen gestimmt. Die Abgeordneten handelten aus, dass entlang der Strecken des TEN-V-Kernnetzes bis 2026 mindestens alle 60 Kilometer Ladestationen für Elektroautos mit einer Mindestladeleistung von 400 kW aufgestellt werden müssen und dass die Ladeleistung des Netzes bis 2028 auf 600 kW steigen soll. Für Lkw und Busse müssen alle 120 Kilometer Ladestationen bereitstehen. Sie sollten bis 2028 auf der Hälfte der Hauptverkehrsstraßen der EU installiert werden und je nach Straße eine Ladeleistung von 1400 bis 2800 kW haben. Die EU-Staaten haben außerdem dafür zu sorgen, dass bis 2031 entlang des TEN-V-Kernnetzes mindestens alle 200 Kilometer Wasserstofftankstellen eingerichtet werden.
Alles gut also, zumindest aus Sicht von Berlin und Brandenburg? Zumal eben erst das Frauenhofer-Institut wieder einmal Vorurteile widerlegt hat: Elektroauto versus Verbrenner – Kostenanalyse zeigt klaren Vorteil für E-Fahrzeuge.

Nicht alles. Denn es gibt eben diese Holger Appels, die gegen E-Mobiltät (und natürlich auch gleich gegen Wärmepumpen) und ihre Phantasmagorien in den Kulturkampf ziehen und damit den Fortschritt hierzulande und den Wirtschaftsstandort in Frage stellen wollen. Und es gibt kontraproduktive Gesetzgebung.
So hatte die Reduzierung beziehungsweise Abschaffung der Kaufprämien für E-Autos für erhebliche Verunsicherung gesorgt und die Nachfrage zum Jahreswechsel gemindert, übrigens aber mit dem üblichen Jahreswechselknick in der Zulassungsstatistik und zusammen mit einem erheblichen Einbruch auch bei den Verbrennern. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vermeldete nun eine wieder erhöhte Nachfrage nach dem Umweltbonus. Da man aber gleichwohl Gefahr läuft, das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 rund 15 Millionen E-Fahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen, nicht zu erreichen, möchte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) nun das Budget für den staatlichen Umweltbonus aufstocken, der beim Kauf eines Elektroautos in Anspruch genommen werden kann. Die Mittel für 2023 sollen um mindestens 400 Millionen Euro aufgesteockt werden.
Dazu kam die Geisterdiskussion um E-Fuels, die bei den Bürgern falsche Vorstellungen weckt, von den wirklichen Herausforderungen der E-Mobilität ablenkt und das Land nach Einschätzung von Fachleuten sowohl vom konkurrenzfähigen Innovationspfad wie auch vom zukunftsfähigen Transformationspfad abbringt. Wie hat es der Branchenexperte Stefan Bratzel, Leiter das Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, gesagt: „Alles, was von diesen Innovationen ablenkt, führt dazu, dass andere das Spiel gewinnen können. Wir müssen uns auf die Zukunftsthemen stürzen und dürfen uns nicht in Nebenkriegsschauplätzen verlieren.“
Und mit diesen Innovationen sind auch neue Geschäftsmodelle aus und im Zusammenhang mit dem Ökosystem der Elektromobilität gemeint inkl. Batterietechnik, Ladeinfrastruktur und bidirektionales Laden. Hierzu hatten die EU und die USA bereits beschlossen, gemeinsame Empfehlungen für die staatlich finanzierte Umsetzung der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität sowie Empfehlungen für zukünftige öffentliche Demonstrationen von Pilotprojekten zur Netzintegration von Fahrzeugen zu erarbeiten. Im Zwischenschritt hatten die Europäische Union und die Vereinigten Staaten u.a. Informationen über die Integration von Fahrzeugen in das Stromnetz und die Interoperabilität intelligenter Ladesysteme vorbereitet (Ausführlich: New EU-US Transatlantic Initiative on Sustainable Trade and Partnership for E-Mobility established).
Harmonised communication standards enable charging to become “grid-friendly.” Charging columns are informed by digital gateways when to temporarily adapt the charging power catered to “their” EVs. This helps to manage the grid, stabilise its frequency and reduce power demand peaks over time. Selling such “charging flexibility” creates new business models.
JRC/ANL, vehicle-to-grid integration and smart charging interoperability
Eben hier aber hatte der Präsident der Bundesnetzagentur mit seiner Warnung vor einer Überlastung des Stromnetzes in Deutschland durch die steigende Zahl privater Elektroauto-Ladestationen und strombetriebener Wärmepumpen der Zukunftsfähigkeit einen Bärendienst erwiesen. Auch hier entwickelte sich eine viel zu emotional geführte Diskussion, wie etwa der Chef der Stadtwerke München eben nochmals kritisch anmerkte.
Die Bundesnetzagentur hatte schon im November 2022 zwei Festlegungsverfahren zur Ausgestaltung der Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit eröffent. In einem Eckpunktepapier wurde ein Zielmodell der Steuerung durch die Netzbetreiber vorgetellt. Es geht darum, dass Verteilernetzbetreiber zur Abwendung einer Überlastung lokaler Strommärkte die Möglichkeit erhalten sollen, die Stromversorgung für die Nutzer von Wärmepumpen und Ladestationen zeitweise zu rationieren (ausführlich: Digitalisierung der Energiewende 2.0: Ladeeinrichtungen für E-Autos und Wärmepumpen zwischen Hochlauf, Steuerung, Kappung und Überlastung der Stromnetze).
Treffend hatten hierzu der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie und der Verband der Automobilindustrie in ihrem Positionspapier „Steuerbare Verbrauchseinrichtungen im klimaneutralen Energiesystem der Zukunft“ (Wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge zu einer bezahlbaren Stromversorgung und der Netzstabilität beitragen, März 2023) schon Bedenken geäußert:
„Bei fremdbestimmten Steuerungseingriffen besteht dagegen die Gefahr, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sich in der Nutzung ihrer Produkte eingeschränkt fühlen und negative Konsequenzen für die Kundenakzeptanz der Energiewendetechnologien Wärmepumpe und Elektroauto folgen: Befürchtet der Kunde, dass das Laden künftig nur noch eingeschränkt möglich ist, könnte die Akzeptanz in die E-Mobilität spürbar leiden.
Gleiches gilt für die Wärmepumpe: Auch hier drohen negative Auswirkungen für die Wechselbereitschaft zur Wärmepumpe, wenn der Eindruck entsteht, dass Wärmepumpen gegen den Willen der Eigentümer fremdbestimmt abgestellt werden und Wohnungen dann nicht mehr ausreichend beheizt werden kann.
…
Damit keine Akzeptanzprobleme für die Energiewendetechnologien E-Autos und Wärmepumpen resultieren, sollte diese netzorientierte Flexibilitätsbereitstellung auf freiwilliger Basis geschehen. Vor diesem Hintergrund sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher über Marktprozesse motiviert werden, ihre Flexibilität auch netzdienlich zur Verfügung zu stellen. Aus Sicht der Automobil- und der Heizungsindustrie sind netzzustandsabhängige variable Netzentgelte eine gute Möglichkeit, Netzengpässe erst gar nicht aufkommen zu lassen. Alternativ könnten auch standardisierte Marktprodukte nach §14c EnWG zur Flexibilitätsbeschaffung im Verteilnetz genutzt werden.
…
Erst wenn diese Marktprozesse gescheitert sind, dürfen in Notfällen über eine temporäre Leistungsbegrenzung nach §14a EnWG unmittelbar bevorstehende Gefährdungen des Netzbetriebs verhindert werden.“
Zu diesem § 14a EnWG gibt es nun Neuigkeiten. Die Bundesnetzagentur hat am 16. Juni 2023 überarbeitete Regelungen vorgestellt, mit denen „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ wie Ladeeinrichtungen für E-Autos und Wärmepumpen sicher und zügig in das Stromnetz integriert werden können. Sie hat die zweite Konsultation zur Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen in das Stromnetz gestartet und dabei Kritik aus ser ersten Konsultation aufgenommen. Interessierte Parteien können ihre Stellungnahmen bis zum 27. Juli 2023 einreichen. Die beiden Festlegungsverfahren (eines zur Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz und eines zu der damit verbundenen Reduzierung der Netzentgelte) sollen im 4. Quartal 2023 abgeschlossen werden, so dass die Vorgaben zum 1. Januar 2024 in Kraft treten können. Für Bestandsanlagen, für die eine Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber besteht, sieht die Bundesnetzagentur Übergangsregelungen vor. Bestandsanlagen ohne solche Vereinbarung sollen dauerhaft ausgenommen bleiben.
Zunächst möchte die Bundesnetzagentur erkennbar nicht mehr als Bremser der Klimatransformation verstanden werden. Und so findet sich ein ausdrückliches Bekenntnis:
„Die Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors reduziert die CO2-Emissionen erheblich. Deshalb begrüßt die Bundesnetzagentur den intensiven Ausbau der E-Mobilität und von Wärmepumpen ausdrücklich“
Bundesnetzagentur
- Nach dem Vorschlag der Bundesnetzagentur darf der Netzbetreiber den Anschluss von neuen privaten Ladeeinrichtungen für E-Autos oder Wärmepumpen zukünftig nicht mehr mit Verweis auf mögliche lokale Überlastung seines Netzes ablehnen oder verzögern.
- Im Gegenzug darf der Netzbetreiber, wenn eine akute Beschädigung oder Überlastung des Netzes droht, die Belastung des Netzes reduzieren, indem er den Strombezug steuerbarer Verbrauchseinrichtungen temporär „dimmt“.
- Dabei muss eine Mindestleistung immer zur Verfügung stehen, so dass Wärmepumpen betrieben und Elektroautos weiter geladen werden können. Nach den neuen Vorschlägen soll nun immer sichergestellt sein, dass mindestens 4,2 kW zur Verfügung stehen. Damit können Wärmepumpen weiter betrieben und E-Autos in aller Regel in zwei Stunden für 50 Kilometer Strecke nachgeladen werden.
- Vollständige Abschaltungen der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sind zukünftig nicht mehr zulässig.
- Betreiber von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sollen nach den neuen Vorschlägen lediglich den netzwirksamen Leistungsbezug reduzieren. Die Leistung mehrerer Anlagen im Haushalt kann mit Hilfe von Energiemanagementsystemen verrechnet werden. Vom Netzbetreiber wird dann nicht mehr die einzelne Anlage gedimmt. Eine Wallbox darf also zum Beispiel im Falle einer Netzbetreibersteuerung mehr Strom beziehen, wenn dieser aus der eigenen Solaranlage bezogen wird. Lediglich der zulässige Strombezug aus dem Verteilernetz darf nicht überschritten werden.
- Wenn Maßnahmen zur Leistungsreduzierung durchgeführt werden und mit weiteren Maßnahmen zu rechnen ist, muss der Netzbetreiber dies in seiner Netzausbauplanung berücksichtigen und Engpässe im Netz zügig beheben.
- Netzbetreiber sollen Steuerungseingriffe in einem einheitlichen Format auf einer gemeinsamen Internetplattform detailliert ausweisen.
- Für den Fall, dass der Betreiber einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung einer Aufforderung den Leistungsbezug zu reduzieren nicht nachkommt oder seine Pflicht verletzt, dem Verteilernetzbetreiber zu melden, wenn er seine Verbrauchseinrichtung dauerhaft außer Betrieb nimmt, sehen die neuen Regelungen Sanktionen vor.
- Im Gegenzug für die netzorientierte Steuerung, sollen die Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen auch nur ein reduziertes Netzentgelt zahlen müssen. Dem Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtung soll ein Wahlreicht zwischen mehreren Modellen eingeräumt werden.
- Der Nutzer kann die Variante eines pauschalen Rabatts auf das Netzentgelt wählen. Dabei gilt eine bundeseinheitliche Regelung zur Bestimmung des Rabatts je Netzbetreiber. Er kann je nach Netzgebiet zwischen 110 und 190 Euro im Jahr betragen. Die Bundesnetzagentur möchte Rahmenbedingungen für ein variables Netzentgelt vorlegen, die sicherstellen, dass Verbrauchsverschiebungen belohnt werden können, gleichzeitig Kunden ohne verschiebbare Verbräuche nicht benachteiligt werden. Nach dem Plan der Bundesnetzagentur muss der Netzbetreiber dem Verbraucher ein zeitvariables Netzentgelt in Verbindung mit dem pauschalen Rabatt optional anbieten. Vorgesehen sind mehrere Zeitfenster mit drei Preisstufen der örtlich geltenden Netzentgelte. Die Zeitfenster und Preisstufen werden kalenderjährlich festgelegt und gelten für das gesamte Netzgebiet. Der pauschaler Rabatt auf das Netzentgelt ergänzt um ein variables Netzentgelt wird von der Bundesnetzagentur in Zukunft für die E-Mobilität als sehr attraktiv angesehen.
- Die zweite durch den Nutzer wählbare Variante beinhaltet eine prozentuale Reduzierung des Arbeitspreises um 60 Prozent. Technische Voraussetzung hierfür soll ein separater Zählpunkt für den Verbrauch der steuerbaren Verbrauchseinrichtung sein. Dieses Modell lässt sich mit der Umlagebefreiung für Wärmestrom kombinieren (KWK- und Offshore-Umlage, Umlagebefreiung nach EnFG) und soll sich in vielen Fällen besonders für Wärmepumpen eignen.
- Zur Abrechnung der reduzieren Entgelte soll die bestehende Struktur des Stromliefervertrages genutzt werden. Es soll kein neues Abrechnungsverhältnis zwischen Letztverbraucher und Netzbetreiber geschaffen werden. Die Bundesnetzagentur sieht aber eine Pflicht zum transparenten Ausweis der Netzentgeltreduzierung auf der Rechnung des Kunden vor.
Und am Ende doch wieder ein Blick in die FAZ. Nicht zu Holger Appel. Aber zu einem Bericht, der Leute wie ihn aus der Bahn werfen dürfte: Der Autozulieferer Continental schließt sein Werk in Gifhorn. Der Mittelständler Stiebel Eltron will dort jetzt mit den Beschäftigten seine Wärmepumpen-Produktion hochfahren. Call it transformation.
© Copyright by Dr. Elmar Bickert

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