Nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung für 2021-2025 sollen die 2020er Jahre zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur, werden. Schnelle Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren werden dabei als zentrale Voraussetzung angesehen, um Deutschland zügig zu modernisieren.
Am heutigen 22. März 2022 hat Tesla-Chef Elon Musk persönlich, nur 861 Tage nach Bekanngabe der Standortentscheidung, das erste Tesla E-Auto made im brandenburgischen Grünheide (Mark) an einen Kunden übergeben. Damit hat die Produktion von E-Autos des US-amerikanischen Automobilkonzerns Tesla made in Germany begonnen – in der ersten europäische Gigafactory mit mittelfristig 12.000 Mitarbeitern und 500.000 E-Autos im Jahr. Parallel entsteht direkt benachbart eine Fabrik zur Batteriezellfertigung. Mit dem Grundstoff der Erneuerbaren Energien und tausenden neuen Arbeitsplätzen entsteht nach dem Konzept des Landes Brandenburg in und mit Brandenburg damit eine neue Wertschöpfungskette für E-Mobilität, für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Klimaneutralität.
Der Bundeswirtschaftsminsiter sprach dann auch von Diversifizierung und Ausbau erneuerbarer Energien in „Tesla-Geschwindigkeit, statt in deutscher Schlafmützigkeit“ und betonte, wie wichtig solche Entwicklungen gerade heute sind: Alle Anstrengungen des Landes liefen darauf hinaus, die Abhängigkeit von Russland und deren Gas- und Erdöl-Importen schnell zu reduzieren.
So baut man. Kann man dazu als Bau- und Immobilienmensch nur sagen. Auch der BDI mahnt angesichts des anstehenden „Genehmigungsmarathons“ für neue Energie- und Industrie-Anlagen, sich das Tesla-Projekt zum Vorbild für die Zukunft zu nehmen: „Das Tempo bei Tesla muss als Vorbild für Investitionsprojekte in Deutschland dienen.“
Dabei war Tesla ein besonderes Risiko eingegangen: Musk war mutig genug, mit Vorab-Genehmigungen zu arbeiten und Milliarden mit dem Risiko zu investieren, später wieder zurückbauen zu müssen. Den Genehmigungsbescheid für die beiden Fabrikanlagen erhielt Tesla eben erst am 04.03.2022 von der Genehmigungsbehörde, dem Landesamt für Umwelt (LfU). „Have fun reading the German Baugenehmigung during the weekend„, hatte die Brandenburgische Staatskanzlei angesichts des gewaltigen Umfangs der Genehmigungsunterlagen getwittert. Und Elon Musk antwortete auf Deutsch und mit zwei Deutschlandfahnen: „Ich möchte mich recht herzlich bedanken. Die Zukunft ist sehr spannend!“
Welche Hindernisse bestehen, wenn es darum geht, dass die Zukunft wirklich sehr und ggf. auch für andere Investoren spannend wird, zeigt der Tesla-Fall ebenso anschaulich. Kaum wollte der US-Hersteller und E-Auto-Pionier sein Werk errichten, beantragte neben einem nicht weiter bekannten Umweltverband „Grüne“ Liga Brandenburg ein sich selbst als „Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern“ nennender Zusammenschluss mit ausgeprägter Ablehnung von Windenergie, Elektroautos und insbesondere Tesla den Stopp der Rodung – in Brandenburg.
FUN FACT:
Es ging um die Rodung einer kommerziell genutzten Waldfläche (Kiefern zur Papierproduktion), die im Flächennutzungsplan als Industriegebiet ausgewiesen ist und die ein großer Automobilkonzern aus Bayern vor Jahren dann doch nicht für ein neues BMW-Werk haben wollte. TESLA wird zum Ausgleich etwa die dreifache Fläche mit Mischwald inkl. Laubbäumen aufforsten, ein Wald mit größerem ökologischen Nutzen und Lebensraum für eine größere Artenvielfalt.

Die Tesla-Gegner unterlagen beim OVG-Berlin-Brandenburg. Also verlagerten die Tesla-Gegner („Grüne“ Liga und Nabu) ihre Verhinderungs-Kampagne auf den Wasserbedarf. Am 04.03.2022 aber entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) – VG 5 K 469/21, dass die Umweltverträglichkeitsvorprüfung, FFH-Verträglichkeitsvorprüfung und die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbotes fehlerfrei erfolgt waren. Auch die wasserrechtliche Bewilligung war in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden: Das vorhandene Grundwasserdargebot ist auch langfristig ausreichend, um die Bevölkerung und Industrieansiedlungen zu versorgen.
Alles gut also? Nein, nicht ganz. Es lag ein Verfahrensfehler darin begründet, dass hinsichtlich des nach Auslegung der Antragsunterlagen geänderten Antrags kein ergänzendes Verfahren mit erneuter Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt worden war. Zwar führte der bloß formale Fehler nicht zur Aufhebung der Bewilligung, bestand darin kein zwingendes Planungshindernis und kann der Verfahrensfehler geheilt werden. Der Fall zeigt gleichwohl, wie viel Rechts- und Investitionsunsicherheit das deutsche Genehmigungsrecht insbesondere dann bewirken kann, wenn es um Zukunftsinvestitionen geht, die naturgemäß ihre Neider und Saboteure finden, die auch auf jeden bloß formalen Verfahrensfehler lauern.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag der Sache nach bereits eine wesentliche Lehre aus dem Fall aufgegriffen: Wiederholte Auslegungs-, Einwendungs- und Erwiderungsschleifen sollen vermieden werden können, indem bei Planänderungen nach Bürgerbeteiligung nur noch neu Betroffene zu beteiligen und Einwendungen nur mehr gegen Planänderungen zulässig sind. In Brandenburg hat man sich von Wutbürgern nicht einschüchtern lassen, sondern einen Ansatz realisiert, der sich so oder so ähnlich auch schon im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wiederfindet: Es soll eine auf Rechtssicherheit und gegenseitigem Vertrauen fußende Planungskultur in Deutschland verwirklicht werden.
Dass das auch jenseits von Tesla funktionieren kann, zeigt ein weiteres Beispiel aus dem Osten Deutschands, konkret aus Sachsen-Anhalt. Das US-Unternehmen Intel hat am 15.03.2022 bekanntgegeben, Investition in Höhe von zunächst EUR 17 Mrd. für den Bau von zwei hochmodernen Halbleiterfabriken in Magdeburg zu tätigen. Auch hier haben EU, Bund, Land, Stadt und Wirtschaft sich gemeinsam für ein Mega-Projekt eingesetzt, in diesem Fall für eine Mega-Chipfabrik. Und auch hier zahlte sich aus, dass man die planerischen Voraussetzungen für den Standort und die Neuansiedlung pragmatisch geschaffen hatte. Der Baubeginn ist für die erste Jahreshälfte 2023 geplant, der Produktionsstart für 2027, vorbehaltlich der Beihilfengenehmigung durch die EU-Kommission und der Bewilligung der Förderung durch die deutschen Behörden.
Intel erwartet mit der geplanten Anfangsinvestition von EUR 17 Mrd. etwa 7.000 Personen im Baugewerbe zu beschäftigen, dauerhaft 3.000 Hightech-Arbeitsplätze bei Intel selbst und zehntausende zusätzliche Stellen bei Zulieferern und Partnern zu schaffen. Intel verfolgt damit ein hochmodernes europäisches Halbleiter-Ökosystem, das den grünen Wandel unterstützen und zur Verwirklichung des „European Green Deal“ beitragen soll.

Erweist sich an diesen Beispielen also, dass Klimapolitik tatsächlich eine Wachstumsstrategie mit guten Chancen für das Land uns den Industriestandort Deutschland inklusive Wohlstandssicherung und guter Arbeit ist? Auch ein aktueller IAB-Forschungsbericht (3|2022, 17. März 2022) legt das nahe.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat die Folgen der neuen Klima- und Wohnungsbaupolitik des Koalitionsvertrags auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt mittels einer Szenarioanalyse untersucht. Die dabei getroffenen Annahmen umfassen
- die Erhöhung der Zahl an E-Autos auf 15 Millionen Fahrzeuge,
- die Erhöhung der Wasserstoffproduktion auf 10 Gigawatt,
- den Bau von zusätzlichen 100.000 Wohnungen pro Jahr,
- die Abschaffung der EEG-Umlage,
- die Steigerung des Anteils an Erneuerbaren Energien auf 80 Prozent am Strommix,
- die Steigerung des Anteils des Ökolandbaus auf 30 Prozent und
- den Austausch von Gasheizungen.
Die Maßnahmen erzeugen nach der Studie bis 2030 positive ökonomische Impulse, auszugsweise:
- So wird im Jahr 2030 das BIP um rund 1,2 Prozent höher liegen.
- Diese Steigerung der Wirtschaftskraft ist zum überwiegenden Teil auf die gestiegenen Investitionen zurückzuführen.
- Die unterstellten Maßnahmen werden auf den Arbeitsmarkt ebenfalls positive Effekte haben. So werden ab 2025 etwa 400.000 Erwerbstätige zusätzlich benötigt.
- Die besseren Wirtschaftsaussichten führen zugleich zu einem höheren Arbeitskräfteangebot. So werden langfristig zwischen 200.000 und 250.000 Personen zusätzlich ihre Arbeitskraft anbieten.
Die Studie spricht aber auch bekannte Hinternisse an: Die angespannte Fachkräftesituation etwa in den Bereichen Bau, Handwerk und Energietechnik, welche die Umsetzung der ambitionierten Ziele erschweren könnte.
Der KoaV sieht erhebliche Anstrengungen für das Baugewerbe vor. So sollen zwischen 2022 und 2030 rund 100.000 Wohnungen mehr pro Jahr fertig gestellt werden. Schon heute sind bereits in Berufen aus den Bereichen Bau, Handwerk und Energietechnik Engpässe spürbar. Eine Deckung des Arbeitskräftebedarfs ist daher für die Zielerreichung zentral. Besondere Bedeutung erhält dies vor dem Hintergrund der zusätzlichden Dringlichkeit des Ersatzes fossiler Energieträger infolge des Ukraine-Kriegs.
Zika, Gerd; Maier, Tobias; Mönnig, Anke; Schneemann, Christian; Steeg, Stefanie; Weber, Enzo; Wolter, Marc Ingo; Krinitz, Jonas (2022): Die Folgen der neuen Klima- und Wohnungsbaupolitik des Koalitionsvertrags für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. (IAB-Forschungsbericht, 03/2022), Nürnberg, S. 6.
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