Am 25. Januar hat die Bundesregierung den Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz) beschlossen. Der Entwurf betrifft den Rechtsrahmen der Netzregulierung, dessen aktuellen Bestimmungen nach Ansicht des Gesetzgebers aufgrund der veränderten Bedeutung der dezentralen Einspeisung für die Netzkosten heute nicht mehr vollständig passen.
Um die Kosten der Energiewende in den Netzentgelten fair und transparent zu verteilen und um Fehlentwicklungen im Bereich der sog. vermiedenen Netzentgelte entgegenzutreten, soll Art und Struktur der Zahlungen an die dezentralen Erzeugungsanlagen aus den Netzentgelten stufenweise angepasst werden.
Vermiedene Netzentgelte
Im Mittelpunkt stehen die bisher gesetzlich gewährten sog. vermiedenen Netzentgelte, d.h. die bislang gewährten Entgelte für dezentrale Einspeisung:
- Die vor Ort erzeugte und vor Ort verbrauchte Stromerzeugung wird hinsichtlich der Netzentgeltkosten mit den Netzentgelten verglichen, die vor Ort für die Ausspeisung von Elektrizität aus der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene zu entrichten gewesen wäre.
- Diese „vermiedenen Netzentgelte“ können dann grundsätzlich netzkostenneutral als Entgelte für dezentrale Erzeugung an die Stromerzeuger erstattet werden, die direkt in ein nachgelagertes Netz einspeisen.
- Soweit Erzeugungsanlagen nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz gefördert werden, erhalten die Anlagen neben ihrer Förderung keine vermiedenen Netzentgelte ausgezahlt. Die für ihre dezentrale Stromeinspeisung anfallenden Zahlungen fließen vielmehr in die Kalkulation der EEG-Kosten ein. Sie erhöhen also nicht die Einnahmen dieser Anlagen, sondern mindern die EEG-Umlage. Alle anderen dezentralen Erzeugungsanlagen erhalten die Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten unmittelbar. Dies gilt auch für Anlagen, die nach dem Kraft-Wärme- Kopplungsgesetz gefördert werden.
Die bisherigen Grundannahmen
Dieses Vergütungssystem beruhte auf der Annahme, dass die dezentrale Erzeugung generell die Netzkosten entlastet. Es wurde davon ausgegangen, dass
- der Strom in den Netzen im Grundsatz von der höchsten zur niedrigsten Spannungsebene fließt,
- die Stromerzeugung also auf den oberen Spannungsebenen in die Netze eingespeist und über die Netze zu den Verbrauchern „nach unten“ transportiert wird,
- die nachgelagerte Netz- oder Umspannebene im Umfang der direkten Stromeinspeisung in nachgelagerte Netze Netzentgelte spart (ohne die direkte Einspeisung würde der Strom aus der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene bezogen, wofür deren Netzentgelt zu entrichten gewesen wäre; daraus ergeben sich dann vermiedene Netzentgelte) und
- die dezentrale Einspeisung vor diesem Hintergrund tatsächlich Netzkosten vermeidet und damit Infrastrukturkosten der Energieversorgung senkt.
Die veränderte Erzeugungsstruktur
Der Gesetzgeber stellt aufgrund der Energiewende eine schrittweise Veränderung der Anforderungen an die Stromnetze fest:
- Neben dem Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien steige auch der Anteil dezentraler Einspeisung in die Stromnetze.
- Neben der Änderung in der Erzeugungsstruktur ändere sich auch die Flussrichtung des Stroms in den Netzen schrittweise: Dezentrale Einspeisung wird in einem solchen Strommarkt zunehmend nicht mehr vor Ort „verbraucht“, sondern auch in vorgelagerte Netzebenen gespeist und über diese vorgelagerten Netze bundesweit gehandelt.
Die Reaktionen auf die Veränderungen im Strommarkt
Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfes steht eine schrittweise Abschaffung der Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten. Die Zahlungen an die Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen aus den sog. vermiedenen Netzentgelten, die in die Netzkosten einfließen und über die Netzentgelte finanziert werden, sollen schrittweise auslaufen. Die Reduzierung dieser Zahlungen soll die Netzkosten und damit die Kostenbelastungen senken, die sich für die Stromverbraucher aus den Netzentgelten ergeben. Der zeitlich gestufte Abbau der vermiedenen Netzentgelte soll die schrittweise Änderung der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln.
Bestandsanlagen
Das schrittweise Auslaufen der vermiedenen Netzentgelte für Bestandsanlagen bedeutet im Einzelnen, dass
- ab dem 1. Januar 2027 für Anlagen mit volatiler Erzeugung (= Erzeugung von Strom aus Windenergieanlagen und aus solarer Strahlungsenergie) und
- ab dem 1. Januar 2030 auch für alle anderen Anlagen
keine vermiedenen Netzentgelte mehr gezahlt werden.
Durch Rechtsverordnung kann bis dahin die Höhe der Entgelte für dezentrale Einspeisungen stufenweise abgesenkt werden. Die nähere Ausgestaltung wird in der Stromnetzentgeltverordnung konkretisiert. Dort wird vorgesehen, dass
- die vermiedenen Netzentgelte für volatile Erzeugungsanlagen ab dem 1. Januar 2018 und
- für alle anderen Anlagen ab dem 1. Januar 2021
schrittweise jährlich um jeweils 10 Prozent abgesenkt werden.
Beispielsweise erhalten im Jahr 2022 danach Anlagen mit volatiler Erzeugung nur noch 50 Prozent und alle anderen Anlagen nur noch 80 Prozent des insoweit fiktiv ermittelten Betrages als vermiedene Netzentgelte.
Neuanlagen
Das schrittweise Auslaufen der Erstattungen für dezentrale Einspeisung stellt nicht auf die einzelne dezentrale Anlage oder das konkrete Netzgebiet ab, sondern folgt einer generell-abstrakten gesetzgeberischen Betrachtung. Auf Grundlage dieses generell-abstrakten Ansatzes stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass die Zahlung vermiedener Netzentgelte jedenfalls für Neuanlagen ab dem Jahr 2021 nicht mehr berechtigt ist.
Im Einzelnen werden für künftige Neuanlagen die vermiedenen Netzentgelte wie folgt abgeschafft:
- Für neue Anlagen mit volatiler Erzeugung (= Erzeugung von Strom aus Windenergieanlagen und aus solarer Strahlungsenergie) ab dem 1. Januar 2018 (Inbetriebnahme).
- Für alle anderen neuen Stromerzeugungsanlagen ab dem 1. Januar 2021 (Inbetriebnahme).
Dies bedeutet, dass ab 2021 die Zahl der Stromerzeugungsanlagen, die Entgelte für dezentrale Einspeisung erhalten, insgesamt nicht mehr steigen wird.
Durch Neuanlagen mit volatiler Erzeugung sieht der Gesetzgeber in besonderer Weise eine Funktionsänderung der nachgelagerten Netze bewirkt. Waren die nachgelagerten Netze ursprünglich für die Verteilung von Strom ausgelegt, der weitgehend aus oberen Spannungsebenen eingespeist wird, so ändere sich das durch die zunehmende dezentrale Einspeisung in die Stromnetze. Außerdem sieht der Gesetzgeber insbesondere für solche Anlagen eine zunehmende Notwendigkeit eines zusätzlichen Ausbaus der Netzinfrastruktur, um deren Stromerzeugung in das Energiesystem einzuspeisen und zu vermarkten.
Im Hinblick auf alle anderen Neuanlagen geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Zubau dezentraler Erzeugung künftig in immer geringerem Maße einen Beitrag zur Verringerung von Netzkosten leisten kann. Vielmehr sei zu erwarten, dass die Zahl der Sachverhalte zunimmt, in denen der Zubau dezentraler Erzeugung zusätzliche Netzkosten verursachen kann.
Weiteres zu den Berechnungsgrundlagen
Außerdem soll durch ein Einfrieren der Berechnungsgrundlage für die vermiedenen Netzentgelte einem systemwidrigen Anstieg der Höhe vermiedener Netzentgelte entgegen gewirkt werden. Es sei nicht be-rechtigt und werde dem Gedanken vermiedener Kosten nicht gerecht, dass sich die Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten allein wegen des Anstiegs der Netzentgelte erhöhen. Die Netzentgelte, die als Berechnungsgrundlage für vermiedene Netzentgelte herangezogen werden, werden für alle Erzeugungsanlagen ab dem 1. Januar 2017 auf dem Niveau des Jahres 2015 als Obergrenze festgesetzt.
Durch eine Herausnahme insbesondere der bundesweit gewälzten Offshore-Anbindungskosten aus der Berechnungsgrundlage auf Übertragungsnetzebene wird zudem berücksichtigt, dass diese Kosten einer eigenen Gesetzmäßigkeit folgen und künftig durch dezentrale Einspeisung nicht vermieden werden.