Es ist ja juristisch immer wieder erfrischend, wenn Instanzgerichte sich gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stellen. Für die Marktteilnehmer gilt das natürlich nicht im gleichen Maße, vor allem wenn es um so grundlegende Dinge wie die Wirksamkeit von Transaktionsvereinbarungen geht. Gut wenn der BGH dann wieder für Rechtssicherheit sorgt – und die alarmistischen Alles Neu-Rufe in der Branche verhallen lässt.
§ 311b Abs. 1 BGB: Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.
So hatte das OLG Stuttgart im September 2017 – ausdrücklich entgegen der ständigen Rechtsprechung des BGH – entschieden, Änderungen eines Grundstücksübertragungsvertrags bedürften auch dann der notariellen Beurkundung, wenn der Änderungsvertrag nach Auflassung, aber noch vor Eigentumsumschreibung geschlossen wird. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Vertragsparteien im ursprünglichen Vertrag die Auflassung erklären und der Erwerber die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch beantragt, die Parteien den Notar aber anweisen, eine die Auflassungserklärung enthaltende beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises nachgewiesen worden ist.
Der BGH hat nun in seiner aktuellen Entscheidung klargestellt:
Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung sind formlos möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist.
Als Praktiker kann man das nur begrüßen. Und auch juristisch ist dem zuzustimmen.
Ausgangspunkt: Beurkundungszwang
Dem Beurkundungszwang unterliegen alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien zu dem schuldrechtlichen Übereignungsgeschäft gehören.
Der Formzwang findet grundsätzlich auch auf Vereinbarungen Anwendung, durch die ein schon beurkundeter Grundstückskaufvertrag nachträglich geändert wird.
Ausnahme: Formfreiheit von nachträglichen Änderungsvereinbarungen
Nachträgliche Änderungsvereinbarungen sind zum einen dann formfrei wirksam, wenn sie lediglich der Beseitigung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unvorhergesehen aufgetretenen Schwierigkeit dienen, ohne die beiderseitigen Verpflichtungen wesentlich zu verändern
Eine nachträgliche Herabsetzung des beurkundeten Kaufpreises etwa, wie im entschiedenen Fall, fällt nicht unter diese Ausnahme und ist daher an sich formbedürftig.
Es gibt jedoch noch eine weitere Ausnahme von dem Beurkundungszwang:
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH können Grundstückskaufverträge nach der Auflassung formlos abgeändert werden, weil die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt ist und deshalb nicht mehr besteht. Von der Formfreiheit ausgenommen ist nur die Begründung neuer selbständiger Erwerbspflichten bzw. Veräußerungspflichten.
An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest. Er verteidigt sie nicht nur gegen das Urteil des OLG Stuttgart, sondern auch gegen Kritik aus der Literatur, welche durch das OLG Stuttgart nochmals besonderen Auftrieb verspürte (vgl. nur Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl., Rn. 1326; Cramer, ZfIR 2018, 450; Grziwotz, IMR 2018, 121; Steinbrecher, NJW 2018, 1214 u.v.m.) und dem BGH Anlass gibt, nochmals grundlegend auszuholen:
Schutzbedürftigkeit
- Die Beurkundungspflicht soll den Beweis über die Art und den Inhalt der Vereinbarungen sichern, den Veräußerer und den Erwerber vor übereilten Verträgen bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen durch die Mitwirkung des sachkundigen und unparteiischen Notars die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnen (Beweisfunktion; Warn- und Schutzfunktion).
- Mit der Durchführung eines strengen Regeln unterworfenen Beurkundungsverfahrens, insbesondere durch die dem Notar in §§ 17 ff. BeurkG auferlegten Prüfungs- und Belehrungspflichten, soll sichergestellt werden, dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der mit der rechtlichen Tragweite vertraut gemachten Beteiligten entspricht (Gewährsfunktion).
Die Parteien bedürfen des Schutzes nicht mehr, wenn der Zweck des Beurkundungszwangs erreicht ist. Hiervon ist auszugehen, wenn
- die schuldrechtlichen Erklärungen von Veräußerer und Erwerber beurkundet worden sind und
- diese zudem die für die angestrebte Rechtsänderung erforderlichen (dinglichen) Erklärungen in bindender Form abgegeben haben. Das ist der Fall, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 BGB). Dann haben die Vertragsparteien ihre jeweiligen Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht.
Dafür macht es keinen Unterschied, ob die Auflassung, wie heute regelmäßig, zusammen mit dem Kaufvertrag oder, wie früher, später beurkundet wird. Die für den Eintritt der Bindung nach § 873 Abs. 2 BGB einzuhaltenden Förmlichkeiten, insbesondere die Belehrung über die Bedeutung der Auflassung durch den beurkundenden Notar, gewährleistet, „dass nicht übereilt und leichtfertig über die Rechte an Grund und Boden verfügt wird“.
Beherrschbarkeit
Der BGH lehnt es aus Gründen der (fehlenden) Beherrschbarkeit für die Vertragsparteien ausdrücklich ab, auf die Eigentumsumschreibung im Grundbuch abzustellen:
Für die Frage der Formbedürftigkeit von nachträglichen Änderungen kommt es jedoch nicht auf Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB, sondern darauf an, dass die geschuldeten Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht sind. Dazu gehört die Eintragung nicht, da sie eine behördliche Tätigkeit ist, die die Vertragsparteien aus Rechtsgründen nicht besorgen können. Mit der bindend gewordenen Auflassung haben Veräußerer und Erwerber deshalb alles getan, quasi einen Automatismus in Gang gesetzt, um den Eigentumswechsel zur Eintragung zu bringen. Das rechtfertigt es nach Auffassung des Senats, den Schutzzweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB als erreicht anzusehen und weitere Vereinbarungen der Parteien, sofern durch sie nicht Erwerbs- oder Veräußerungspflichten geändert oder neu begründet werden, von der Beurkundungspflicht auszunehmen.
Klarheit und Rechtssicherheit
Schließlich greift der BGH den Gesichtspunkt auf, der für den praktisch veranlagten Rechtsanwender und Marktteilnehmer im Ergebnis am wichtigsten ist:
Unterlägen Vereinbarungen nach bindend gewordener Auflassung der Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, wäre dies zudem der Klarheit und Rechtssicherheit im Rechtsverkehr abträglich.
Ein Formmangel bei nachträglichen Änderungen eines Grundstückskaufvertrags führt im Zweifel (§ 139 BGB) zur Nichtigkeit des Vertrages mit allen Nebenabreden (§ 125 BGB). Bis zur Klärung der Gesamtnichtigkeit bestünde Unsicherheit über die Wirksamkeit des Kaufvertrages. Dieser könnte, soweit er wegen der nachträglichen Änderung insgesamt formunwirksam wäre, auch nicht geheilt werden.
Die Formnichtigkeit des Grundstückskaufvertrags ergreift zwar nicht die mitbeurkundete Auflassung, und die Heilung tritt nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB auch dann ein, wenn die Auflassung nicht nach den schuldrechtlich getroffenen Vereinbarungen, sondern mit ihnen zugleich beurkundet wird. Diese Wirkung hat die vor formlosen Änderungen des Grundstückskaufvertrags erklärte Auflassung aber, anders als im Schrifttum teilweise vertreten wird, nicht, weil sie nicht in Erfüllung der formnichtigen Vereinbarungen erfolgt sein kann. Die heilende Wirkung von Auflassung und Eintragung erstreckt sich nur auf die Gesamtheit der vertraglichen Vereinbarungen, die bei der Auflassung Inhalt des Vertrages waren.
Vorlagensperre und Ausfertigungssperre: Was gilt bei Anweisung an den Notar zur Vollzugssperre der Auflassung?
Nach dem BGH bildet die bindend gewordene Auflassung auch dann eine zeitliche Zäsur, ab der nachträgliche Änderungen eines Grundstückskaufvertrags formlos möglich sind, wenn der Vollzug der Auflassung durch Anweisungen der Kaufvertragsparteien an den Notar gesperrt ist.
- Um den Verkäufer davor zu schützen, dass er das Eigentum an seinem Grundstück verliert, ohne den Kaufpreis zu erhalten, wird meist eine Treuhandtätigkeit des Notars nach § 24 BNotO vereinbart. Dem Notar wird die Anweisung erteilt (vgl. § 53 Abs. 2 BeurkG),
- die Eintragung des Eigentumswechsels erst zu beantragen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist (oder der Kaufpreis auf dem Notaranderkonto auszahlungsreif hinterlegt ist (Vorlagensperre) und
- vorher dem Käufer und dem Grundbuchamt keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde zu erteilen, die die Auflassung enthält (Ausfertigungssperre).
Ist in einem solchen Fall eine Ausfertigung zur Eintragung einer Eigentumsvormerkung erforderlich, wird das Vorleistungsrisiko des Verkäufers durch die Weisung an den Notar ausgeschaltet, zunächst nur eine auszugsweise Ausfertigung ohne die Auflassung zu erteilen (§ 49 Abs. 5 Satz 1 BeurkG) und diese zwecks Eintragung der Vormerkung einzureichen.
- In Betracht kommt auch, dass in der Kaufvertragsurkunde die Bewilligung der Eigentumsumschreibung noch nicht erklärt, sondern dem Notar Vollmacht erteilt wird, die Eintragungsbewilligung namens des Veräußerers zu erklären, sobald ihm die Kaufpreiszahlung nachgewiesen ist (sog. Bewilligungslösung).
Solche Abreden ändern nichts daran, dass die Auflassung ohne Vorbehalt und verbindlich erklärt wird. Nur so kann sie ihren Zweck, zu dem Eigentumsübergang zu führen, erfüllen. Insbesondere stellen Veräußerer und Erwerber ihre Einigungserklärungen nicht unter eine Bedingung, was unwirksam wäre (§ 925 Abs. 2 BGB). Es handelt sich vielmehr um vollzugstechnische Abreden, die gerade deshalb erforderlich sind, weil die Auflassung bindend ist.
Fazit: Weitermachen!
Das Urteil des BGH überzeugt. Die Praktiker des Immobilienmarktes können die nun höchstrichterlich widerlegte Gegenansicht interessiert zur Kenntnis nehmen, sich aber im Übrigen wieder ihrem Geschäft nach den bewährten Regelungsmechanismen widmen.
In eindrucksvoller Deutlichkeit lässt der BGH die praktischen Anforderungen und tatsächlichen Bedürfnisse der Marktteilnehmer in seine Rechtsfindung einfließen: Kontinuität der Rechtsprechung und Rechtssicherheit.
Deutlich überwiegende oder schlechthin zwingende Gründe für eine Abkehr von dieser Rechtsprechung sind nicht gegeben. Die Praxis hat sich darauf eingerichtet. Unzuträglichkeiten in der praktischen Anwendung sind nicht bekannt geworden. An der formfreien Abänderbarkeit von Grundstückskaufverträgen nach der Auflassung ist deshalb auch im Interesse der Kontinuität der Rechtsprechung und der Rechtssicherheit festzuhalten.
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