In Zeiten der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Schließungen von Läden, Restaurants und Einkaufszentren fallen reihenweise die mietvertraglichen Betriebspflichten von Mietern aus. Der BGH gibt nun in einer druckfrischen Entscheidung Anlass, unabhängig davon sich die Mietverträge im Hinblick auf Betriebspflicht, Sortimentsbindung sowie Konkurrenz-, Sortiments- und Branchenschutz genauer anzusehen.
Der Fall
Der BGH hat zu einem Gewerbemietvertrag über ein Ladenlokal in einem Einkaufszentrum geurteilt, in dem einerseits eine Betriebspflicht des Mieters mit Sortimentsbindung vereinbart war, andererseits der Konkurrenz-, Sortiments- und Branchenschutzes für den Mieter ausgeschlossen war.
Vermieter und Mieter stritten im Rahmen einer Kündigung u.a. um die Wirksamkeit der vorgenannten Klausel und der Vermieter bekam vom Kammergericht in Berlin Recht. Der BGH widerspricht mit einer Grundsatzentscheidung.
Die Entscheidung
Nach dem BGH kann bei einem langfristig intendierten Mietverhältnis in einem Formularvertrag nicht die Vereinbarung einer Betriebspflicht des Mieters mit einer Sortimentsbindung kombiniert und zusätzlich mit einem Ausschluss von Konkurrenz- und Sortimentsschutz verbunden werden.
Der formularmäßige Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum bei gleichzeitiger Festlegung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung benachteiligt den Mieter unangemessen und ist unwirksam.
Bundesgerichtshof
Die Leitlinien:
- Die formularmäßige Vereinbarung einer Betriebs- und Offenhaltungspflicht ist für sich genommen im Regelfall nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
- Ebenfalls nicht unangemessen ist für sich genommen eine formularmäßige Abrede, die den Mieter von Gewerberäumen an ein bestimmtes Sortiment bindet.
- Ebenfalls nicht unangemessen ist für sich genommen eine formularmäßige Abrede, die den Vermieter von einer Verpflichtung zum Konkurrenzschutz freistellt.
- Bisher nicht vom BGH entschieden war die umstrittene Frage der Wirksamkeit einer kumulierten Vereinbarung solcher Abreden. Der BGH wendet sich mit den folgenden Erwägungen gegen die wohl bislang vorherrschende Ansicht in der Rechtsliteratur und der Instanzrechtsprechung:
- Zu den Hauptleistungspflichten des Vermieters gehört die ungestörte Gebrauchsüberlassung der Mietsache.
- Diese Pflicht umfasst bei einem Gewerberaumietverhältnis grundsätzlich auch einen vertragsimmanenten Konkurrenzschutz: Der Vermieter ist grundsätzlich gehalten, keine in der näheren Nachbarschaft des Mieters gelegenen Räume an Konkurrenten zu vermieten oder selbst in Konkurrenz zum Mieter zu treten.
- Die Verletzung eines bestehenden Konkurrenzschutzes kann einen Mangel der Mietsache bewirken mit weitreichenen Folgen:
- Ansprüche des Mieters auf Verhinderung oder Beseitigung der Konkurrenzsituation.
- Anspruch des Mieters auf Mietminderng.
- Anspruch des Mieters auf Schadensersatz.
- Kündigugsrecht des Mieters aus wichtigem Grund.
- Mit dem formularmäßigen Ausschluss des Konkurrenzschutzes schränkt der Vermieter seine Hauptleistungspflicht ein. Dies begründet eine unangemessene Benachteiligung des Mieters und damit die Unwirksamkeit, wenn in einem typischen Einkaufszentrum durch formularmäßigen Mietvertrag jeglicher Konkurrenzschutz ausgeschlossen, gleichzeitig jedoch dem Mieter eine Betriebspflicht mit Sortimentsbindung auferlegt wird.
Wird der Konkurrenzschutz des Mieters vertraglich ausgeschlossen, so verschafft dies dem Vermieter nämlich die Möglichkeit, Konkurrenzunternehmen mit gleichem oder ähnlichen Sortiment in der unmittelbaren Nachbarschaft des Mieters anzusiedeln. Dadurch geraten der Umsatz und die Geschäftskalkulation des Mieters in Gefahr. Ist ihm in dieser Lage zusätzlich eine Betriebspflicht mit Sortimentsbindung auferlegt, fehlt es ihm an Möglichkeiten, sich durch Veränderung des eigenen Angebots an die entstandene Konkurrenzsituation anzupassen oder zumindest durch Verkürzung seiner Betriebszeiten seine Kosten zu reduzieren.
Bundesgerichtshof
HINWEIS:
Auch bei einem bestehenden Konkurrenzschutz ist der Vermieter nicht gehalten, von dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist.
SONDERRECHT FÜR EINKAUFSZENTREN?
Der BGH widerspricht einer bislang zum Teil vertretenen Auffassung und stellt fest, dass vertragsimmanenter Konkurrenzschutz grundsätzlich auch in einem Einkaufszentrum besteht. Zwar bestehe kein Anlass, die dort niedergelassenen Gewerbetreibenden stärker gegen erlaubten Wettbewerb zu schützen als dies in herkömmlichen Geschäftsstraßen der Fall ist. Allerdings bestehe ebenso wenig Anlass, einen geringeren Konkurrenzschutz zu gewähren als bei der Vermietung mehrerer benachbarter Ladenlokale durch denselben Vermieter in einer Geschäftsstraße.
Dabei richtet sich der Umfang des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes nach der jeweils berechtigten Verkehrserwartung:
So darf in einem kleinen Einkaufszentrum mit nur wenigen Ladenlokalen davon ausgegangen werden, dass der Vermieter für ein möglichst breit gefächertes Angebot sorgt und Sortimentsüberschneidungen vermeidet.
Umgekehrt muss der Mieter einer Ladenfläche in einem großen Einkaufszentrum hinnehmen, dass es zu typischen Sortimentsüberschneidungen mit anderen Gewerbetreibenden kommt, zumal die Attraktivität eines großen Einkaufszentrums gerade auch mit der Repräsentanz konkurrierender Angebote steigt. Es ist dann nach dem zur Grundlage des Mietvertrags gemachten Betriebskonzept des Einkaufszentrums eine Frage des Einzelfalls, in welcher Nähe zu seinem eigenen Geschäft der Mieter eine direkte Konkurrenzsituation hinnehmen muss oder abwehren kann.
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