Runder Tisch

Das Jahr 2021 beginnt mit großen Herausforderungen im Bau- und Immobilienbereich. Hierzu gehören weiterhin die Herausforderungen des Klimaschutzes. Und so hält der „Runde Tisch“, eine Dialoginitiative für neue Impulse beim nachhaltigen Klimaschutz im Gebäudebestand, am 21. Januar 2021 seine vierte Sitzung mit dem Themenschwerpunkt Mobilisierung, Akzeptanz, Beratung und Nutzerverhalten bei energetischen Gebäudemodernisierungen ab.

Schon seit April 2020 führt der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. für das Bundesumweltministerium und mit fachlicher Begleitung durch das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) diesen “Runden Tisch” durch. In insgesamt vier Sitzungen sollen neue Pfade für die Intensivierung energetischer Bestandmodernisierung ausgelotet werden. Am Dialog beteiligt sind jeweils Vertreter/-innen der Immobilien- und Energiewirtschaft, von Mieter/-innen und Umweltverbänden sowie relevante Bundesressorts. Ziel des Runden Tisches ist es, die vielfältigen Perspektiven und Erfahrungen verschiedener Akteure sektorübergreifend zusammenzubringen und gemeinsam Lösungsansätze für effektive, wirtschafts- und sozialverträgliche Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand zu erarbeiten.

Ich freue mich, an der vierten Sitzung als Referent teilnehmen zu dürfen und mit einem Fachimpuls zum Thema „Grünes Mietrecht“: Instrumente für divergierende Anreize zur Energieeffizienz meine rechtliche Perspektive und Expertise einbringen zu können (HIER geht es zum Vortrag).

Wie dringend und hochaktuell die Aufgabenstellungen und Zielsetzungen des Rundes Tisches sind, zeigt ein Blick auf den aktuellen Stand und die Perspektiven für 2021 zum Klimaschutz im Immobiliensektor. Hierzu im Folgenden.


Modernisierungs- und Renovierungswelle

Nach dem UN Emissions Gap Report 2020 stellt die Dekarbonisierung des Gebäudesektors, einschließlich Elektrifizierung und höherer Effizienz, eine wichtige langfristige sektorale Transformation dar, die erforderlich ist, um weltweit Netto-Null-THG-Emissionen zu erreichen.

Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und der Europäische Rat hat im Dezember 2020 den neuen Vorschlag der Europäischen Kommission zu einer Senkung der Treibhausgasemissionen, die bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990 um 55 % verringert werden sollen (bislang: bis 2030 Senkung um mindestens 40 %), unterstützt. Die Europäische Kommission hatte, nachfolgend und im Geiste des Europäischen Grünen Deals (siehe schon: EU Green Deal: Wachstumsstrategie und Investitionsplan für den Gebäudesektor und die Bauwirtschaft), festgestellt, dass mit dem derzeitigen politischen Rahmen der EU allein die Ziele für 2050 nicht erreicht und die Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris nicht erfüllt werden können und daher vorgeschlagen, den derzeitigen Emissionssenkungspfad zu ändern, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und dies im Vorschlag für das Europäische Klimagesetz widerzuspiegeln.

Ein ausgewogener, realistischer und wohlüberlegter Weg zur Klimaneutralität bis 2050 setzt die Zielvorgabe einer Emissionssenkung um 55 % bis 2030 voraus.

MITTEILUNG DER KOMMISSION, Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030: In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren, COM(2020) 562 final, S. 2.

Quelle: MITTEILUNG DER KOMMISSION, Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030: In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren, COM(2020) 562 final, S. 8: Abbildung 1 – Der Weg der EU zu nachhaltigem wirtschaftlichem Wohlstand und zu Klimaneutralität, 1990–2050.

Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag der Kommission, die Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren.

Die Umsetzungsinstrumente sollten so austariert werden, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung gewahrt bleiben. Daraus folgt, dass auch bestehende nationale Regelungen und Programme geprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssten, wenn eine entsprechende Klärung auf europäischer Ebene erfolgt ist und dies erfordert. Hierauf abzielende Initiativen und Überlegungen werden von der Bundesregierung begrüßt.

BT-Drucksache 19/23828 und BT-Drucksache 19/23895

Die Entscheidung der Europäischen Kommission beruht auch auf der Erkenntnis, dass es sich als schwieriger erwiesen hat, die Emissionen aus dem Verkehr und aus der Landwirtschaft sowie in Gebäuden zu verringern, wo besondere Herausforderungen bestehen. Gebäude und Verkehr sind demnach neben der Industrie die wichtigsten Energieverbraucher und Emissionsquellen. Im Hinblick auf die Zielvorgabe, die Treibhausgasemissionen um 55 % zu verringern, können nach der Kommission bei Gebäuden und der Stromerzeugung die größten und kosteneffizientesten Emissionssenkungen in einer Größenordnung von 60 % und mehr gegenüber 2015 erzielt werden. Im Gebäudesektor, auf den derzeit 40 % der Endenergie und 36 % der Treibhausgasemissionen in der EU entfallen, bestehe großes Potenzial für kosteneffiziente Emissionsreduktionen. Heutzutage seien 75 % des Gebäudebestands in der EU nicht energieeffizient. Um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, müssen nach dem Willen der Europäischen Kommission daher insbesondere Gebäude modernisiert werden, um sie energie- und ressourceneffizient zu machen. Deren Dekarbonisierung wird als Schlüssel zur Klimaneutralität angesehen, wobei zugleich das auf Wohnraum basierende Wohlergehen der Bürger gesteigert werden soll und die ehrgeizigeren Klimaschutzziele für 2030 im Gebäudesektor zugleich sozial gerecht und fair sein sollen. Die Modernisierung der Gebäude in Europa sorge nicht nur für geringere Energiekosten und Treibhausgasemissionen, sie verbessere auch die Lebensbedingungen und schaffe Arbeitsplätze vor Ort.


There is a tremendous need (to an extent of 133 billion Euros per year) for investment in building renovation to increase the renovation rate and reach climate and energy goals. (…)
Energy efficiency programmes and policies are commonly designed based solely on energy savings, which leads to an underestimation of their full impact. (…)
If Ministries from a wider range of sectors were to be included in energy and building related policy development, the prospects of raising awareness about the role of high energy performative buildings for human health, environment, social policy, agriculture, economy and energy security would be improved. (…)
Including the multiple benefits of enhancing energy efficiency into the evaluation and development stages of the mandated policies and programmes can help to unlock the potential of their vast economic and societal impacts.“
Shnapp, S., Paci, D., Bertoldi, P. Untapping multiple benefits: hidden values in environmental and building policies. EUR 30280 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2020, ISBN 978-92-76-19983-0, doi:10.2760/314081, JRC120683, p. 5.

Quelle: Shnapp, S., Paci, D., Bertoldi, P. Untapping multiple benefits: hidden values in environmental and building policies, p. 11: Table 1.2. Multiple benefits and their related SDGs

Es geht nicht nur darum, Energiekosten und Emissionen zu senken. Renovierungen können zahlreiche Möglichkeiten eröffnen und weitreichende soziale, ökologische und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Im Zuge einer Renovierung können Gebäude der menschlichen Gesundheit zuträglicher, umweltfreundlicher, innerhalb eines Stadtviertels enger miteinander verbunden, leichter zugänglich und widerstandsfähiger gegenüber extremen Naturereignissen werden und Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Fahrradstellplätze erhalten. Intelligente Gebäude können unter Wahrung des Datenschutzes wichtige Daten für Stadtplanung und Dienstleistungen bereitstellen. Umfassende Renovierungen können den Bedarf nach Neubauten auf bislang unbebauten Flächen verringern und so zur Erhaltung der Natur, der biologischen Vielfalt und fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen beitragen. Investitionen in Gebäude können auch dem gesamten Baugewerbe und der gesamten Wirtschaft dringend benötigte Impulse verleihen. 

MITTEILUNG DER KOMMISSION, Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen, COM(2020) 662 final, S. 2

Die bevorstehende Modernisierungswelle wird nach der Kommission auf die zweifache Herausforderung Energieeffizienz und Erschwinglichkeit im Gebäudesektor ausgerichtet sein, u.a.:

  • Es sollen politische Maßnahmen konzipiert, Haushaltsmittel vorgesehen und verschiedene und innovative Wege vorschlagen werden, wie Gebäude und Mobilität ökologisiert werden und gleichzeitig schutzbedürftigen gesellschaftlichen Gruppen geholfen werden kann. Etwa durch eine CO2- Bepreisung, bei der die Einnahmen an einkommensschwache Haushalte zurückfließen, kann erreicht werden, dass die Auswirkungen auf die Einkommen dieser Haushalte abgefedert und gleichzeitig der Übergang zu CO2-armen Technologien stimuliert wird (siehe auch: CO2-Bepreisung im Gebäudesektor 2021: Nationales Emissionshandels-System nach BEHG & Carbon-Leakage-VO).
  • Die anstehende Modernisierungswelle soll eine Reihe von Maßnahmen einleiten, damit sowohl in Bezug auf einzelne Gebäude als auch auf Bezirksebene Modernisierungsarbeiten umfassender und rascher durchgeführt, von Brennstoffen auf erneuerbare Heizlösungen umgestellt, die effizientesten Produkte und Geräte verbreitet, intelligente Systeme und Ladestationen für Elektrofahrzeuge in den Gebäuden stärker genutzt und die Gebäudehülle (Isolierung und Fenster) verbessert werden.
  • Mit den Maßnahmen soll nicht nur die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden besser durchgesetzt, sondern auch ermittelt werden, ob Bedarf an gezielten Änderungen besteht.
  • Um ein angemessenes Mindesttempo für die Verbesserung des Gebäudebestands zu gewährleisten, wird auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, verpflichtende Anforderungen für Gebäude mit der schlechtesten Bilanz festzulegen und die Mindestanforderungen an die Energieeffizienz schrittweise zu verschärfen.
  • Aufbauend auf dem bestehenden Rahmen und den langfristigen Modernisierungsstrategien werden weitere Maßnahmen ermittelt, um die wichtigsten Hindernisse bei der Modernisierung von Gebäuden zu beseitigen und die Anreize für schnellere und umfassendere Modernisierungsarbeiten zu verstärken.
  • Durch die Modernisierungswelle werden höhere Modernisierungsquoten erreicht und aufrechterhalten und wird die Regulierung verstärkt.
  • Die Initiative wird entsprechende Finanzierungsinstrumente umfassen, um etwa Risiken zu reduzieren und Anreize für die Messung tatsächlicher Energieeinsparungen zu schaffen.
  • Es werden indikative Meilensteine für 2030, 2040 und 2050 mit messbaren Fortschrittsindikatoren festgelegt.

Um das Verbesserungspotenzial in diesem Bereich voll ausschöpfen zu können, müsste die Modernisierungsquote, die heute bei etwa 1 % liegt, bis 2030 mindestens verdoppelt werden. Insbesondere müssen wesentlich mehr grundlegende Modernisierungen im Zusammenhang mit den Gebäudehüllen, einer intelligenten Digitalisierung und der Integration erneuerbarer Energien durchgeführt werden.

MITTEILUNG DER KOMMISSION, Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030: In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren, COM(2020) 562 final, S. 10.

Da nach der Einschätzung er EU-Kommission die Gebäuderenovierungsprogramme für die wirtschaftliche Erholung von entscheidender Bedeutung sein werden, indem sie Arbeitsplätze im Bausektor schaffen und dazu beitragen, Energiekosten zu sparen, die Lebensbedingungen zu verbessern und Energiearmut zu bekämpfen, ist die Initiative „Renovierungswelle“ mit dem Ziel, die jährliche Renovierungsquote des Gebäudebestandes mindestens zu verdoppeln, auch Bestandteil der Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum 2021 geworden.

Renovieren – Die Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz öffentlicher und privater Gebäude trägt wesentlich zur Verwirklichung der Klimaziele der EU bei, schafft in allen Mitgliedstaaten dezentral zahlreiche Arbeitsplätze und bringt die digitale Entwicklung durch intelligentes Wohnen und intelligente Verbrauchsmessung voran. Bis 2025 wird die Leitinitiative zu einer Verdopplung der Renovierungsrate und zur Förderung umfassender Renovierungen beitragen.

MITTEILUNG DER KOMMISSION, Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum 2021, COM(2020) 575 final, S. 11 f.

Auch die Bundesregierung hat mit Verweis auf die Europäische Renovierungswelle ihr Ziel bekräftigt, die Sanierungsrate gegenüber heute mindestens zu verdoppeln.

Das Ziel der Bundesregierung ist, die Sanierungsrate gegenüber heute mindestens zu verdoppeln. Auch die EU-Kommission strebt in ihrer Initiative zu einer Renovierungswelle in Europa die verstärkte Förderung umfassender Sanierungen und mindestens die Verdopplung der Sanierungsrate bis 2030 an (entspricht laut EU-Kommission mindestens 2 Prozent). Die konkreten Umsetzungsvorschläge zur Renovierungswelle sollen ab 2021 von der EU-Kommission vorgelegt werden.

BT-Drucksache 19/24609, Mittelverwendung für die Förderung der energetischen Gebäudesanierung, S. 7 f.

Mit dem Ziel, umfassende energetische Renovierungen zu fördern und die jährliche Quote der energetischen Renovierungen von Wohn- und Nichtwohngebäuden bis 2030 mindestens zu verdoppeln (wenn die Kräfte zur Erreichung dieser Ziele auf allen Ebenen mobilisiert werden, sollen bis 2030 35 Millionen Gebäudeeinheiten renoviert werden können), hat die EU-Kommission zentrale Grundsätze für die Gebäuderenovierung bis 2030 und 2050 aufgestellt (MITTEILUNG DER KOMMISSION, Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen, COM(2020) 662 final, S. 3 ff.):

  • Energieeffizienz an erster Stelle
  • Bezahlbarkeit
  • Dekarbonisierung und Integration erneuerbarer Energien
  • Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus und Kreislaufwirtschaft
  • Erfüllung anspruchsvoller Gesundheits- und Umweltschutznormen
  • Bewältigung der doppelten Herausforderungen des ökologischen und des digitalen Wandels
  • Berücksichtigung von Ästhetik und architektonischer Qualität

Um Anzahl und Umfang der Renovierungen spürbar zu erhöhen, hat die EU-Kommission zudem Interventionsbereiche und Leitaktionen aufgestellt (MITTEILUNG DER KOMMISSION, Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen, COM(2020) 662 final, S. 6 ff.):

  1. Verbesserung der Informationen, der Rechtssicherheit und der Anreize für öffentliche und private Eigentümer und Mieter im Hinblick auf die Durchführung von Renovierungen. 
  2. Gewährleistung einer angemessenen und zielgerichteten Finanzierung.
  3. Ausbau der Kapazitäten zur Vorbereitung und Durchführung von Projekten.
  4. Förderung umfassender und integrierter Renovierungsmaßnahmen für intelligente Gebäude, Integration erneuerbarer Energien und Schaffung von Möglichkeiten, den tatsächlichen Energieverbrauch zu messen. 
  5. Befähigung des gesamten Baugewerbes zu nachhaltigen Renovierungen durch kreislauforientierte Lösungen, Nutzung und Wiederverwendung nachhaltiger Baustoffe sowie Berücksichtigung naturbasierter Lösungen. 
  6. Renovierungen als Maßnahme zur Bekämpfung von Energiearmut und Zugang zu gesundem Wohnraum für alle Haushalte, auch für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen. 
  7. Förderung der Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteversorgung, auf die 80 % des Energieverbrauchs von Wohngebäuden entfallen.

In den kommenden Monaten wird sie ein umfassendes Paket an politischen und regulatorischen Maßnahmen vorlegen, mit dem bestehende Hindernisse für die Gebäuderenovierung abgebaut werden sollen, insbesondere durch die bis Juni 2021 vorgesehene Überarbeitung der Richtlinien zur Energieeffizienz und zu erneuerbaren Energien und durch Stärkung des EU- Emissionshandelssystems im Rahmen der Folgemaßnahmen des Klimapakets für 2030. Wie in dem beigefügten Maßnahmenplan dargelegt, wird dies ergänzt durch eine Reihe weiterer Initiativen, wie etwa die Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden.

MITTEILUNG DER KOMMISSION, Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen, COM(2020) 662 final, S. 32
Siehe auch: Die Renovierungswelle – Die wichtigsten Maßnahmen der Kommission und vorläufiger Zeitplan

Ausgangspunkt für eine nachhaltige Renovierung ist nach der EU-Kommission stets eine individuelle Entscheidung, bei der der erwartete Nutzen und die erwarteten Kosten gegeneinander abgewogen werden. Unter der vorstehenden Leitaktion 1) stellen derzeit die folgenden Umstände die größten Hindernisse für eine Renovierungsentscheidung dar (MITTEILUNG DER KOMMISSION, Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen, COM(2020) 662 final, S. 8):

  • Unzureichende Informationen über das gegenwärtige Energie- und Ressourcenprofil von Gebäuden und die möglichen Vorteile einer Renovierung.
  • Mangelndes Vertrauen in die tatsächlich erzielbaren Energieeinsparungen.
  • Aufteilung von Anreizen zwischen Eigentümern und Mietern.

Bezogen auf Wohngebäude berichtet die EU-Kommission davon, dass im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur Renovierungswelle

  • ein unzureichendes Verständnis des Energieverbrauchs und der Energieeinsparungen von mehr Teilnehmern der offenen öffentlichen Konsultation zur Renovierungswelle als wichtiges oder sehr wichtiges Hindernis eingestuft als jedes andere Hindernis und
  • unterschiedliche Interessen von Gebäudeeigentümern und -nutzern, Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Eigentümern und Schwierigkeiten bei der Planung von Gebäuderenovierungsarbeiten zu den größten Hindernissen für Renovierungen gezählt werden (S. 6).

Depending on whether the building is owner-occupied or occupied will result in different investment opportunities and constraints, the biggest of which is often owner-tenant split incentives.

Shnapp, S., Paci, D., Bertoldi, P. Untapping multiple benefits: hidden values in environmental and building policies. EUR 30280 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2020, ISBN 978-92-76-19983-0, doi:10.2760/314081, JRC120683, p. 9

Siehe auch schon: „Grünes Mietrecht“: Instrumente für divergierende Anreize zur Energieeffizienz

Die EU-Kommission adressiert etwa den Informationsaustausch zwischen Gebäudeeigentümern und Mietern über die Instrumente der digitalen Gebäude-Logbücher, der Gebäuderenovierungspässe, der Intelligenzfähigkeitsindikatoren, der sogenannten Level(s) und der Energieausweise und adressiert eine faire Kostenaufteilung zwischen Eigentümern und Mietern über Finanzierungslösungen, bei denen Zuschüsse und Subventionen für Renovierungsmaßnahmen oder die Nutzung von Energieeinsparungen für die Rückzahlung mit Mikrokrediten kombiniert werden, die von einem Garantie-Fonds gedeckt werden, der wiederum für eine faire Kostenaufteilung sorgt.

Die Bundesregierung setzt weiterhin (siehe schon: Klimaschutz im Gebäudesektor: Branchenvorreiter setzt auf Sektorenkopplung und Quartiersansatz, Politik auf Förderung, GEG, BEHG – und Mieterstrom?) auf Fördern, Fordern und Informieren – und auf Technologieoffenheit sowie auf den Markt:

Um die Klimaziele im Gebäudebereich zu erreichen, sind nach Ansicht der Bundesregierung sowohl ein hohes Maß an Energieeffizienz als auch der Einsatz erneuerbarer Energien erforderlich. Die Bundesregierung setzt auf einen Mix aus Fördern, Fordern und Informieren – und ab 2021 zusätzlich auf die CO2-Bepreisung als marktbasiertem Instrument –, um bis 2050 Klimaneutrali-tät zu erreichen. Im Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung beschlossen, dass der Gebäudesektor bis 2030 jährlich ca. 4 bis 5 Mio. Tonnen CO2 einspa-ren soll, um in 2030 das Ziel von 70 Mio. Tonnen CO2 zu erreichen. Dieser Zielpfad ist nicht auf einzelne Gebäude heruntergebrochen, sondern setzt sich aus einem Mix im Gebäudebestand insgesamt zusammen. Sanierungen können bis 2050 auch schrittweise zur Klimaneutralität erfolgen. Hier setzt die Bundesregierung insbesondere auf den Markt und auf Technologieoffenheit.

BT-Drucksache 19/24609, S. 8

In ihrer Renovierungsstrategie hatte die Bundsregierung (siehe schon: BReg legt Gebäude-Renovierungsstrategie vor: Fahrplan, Indikatoren und Meilensteine zur Energieeffizienz) zum einen das Erfordernis einer verbesserten Datenlage im Gebäudebereich hervorgehoben und zum anderen in Aussicht gestellt, dass in Anknüpfung an die verstetigte Datenerhebung eine konkrete Indikator-Systematik für die Erfassung der Sanierungsrate und -tiefe ausgearbeitet werden soll:
(1) Durch die verstetigte Datenbasis sollen künftig die Sanierungsrate und -tiefe verlässlich und über die Zeitachse konsistent gemessen und durch zwei geeignete Indikatoren abgebildet werden.
(2) Da jedoch bisher keine allgemeingültigen Definitionen der Sanierungsrate und -tiefe existieren, sollen diese beiden Indikatoren zunächst methodisch herausgearbeitet werden.


Klimaschutz und Corona-Pandemie

Die EU-Kommission hat bereits in ihrer MITTEILUNG, Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030: In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren, COM(2020) 562 final (S. 1), vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise festgehalten, dass das Aufschieben oder das Zurücknehmen von Klimaschutzmaßnahmen für die Europäische Union keine Option darstellt. In ihrer weiteren MITTEILUNG, Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen, COM(2020) 662 final (S. 1), hebt sie sodann die COVID-19-Krise als einen zusätzlichen Treiber der Renovierungswelle hervor:

Durch die COVID-19-Krise sind unsere Gebäude, ihre Bedeutung für unser Leben und ihre Schwachstellen stärker in den Fokus gerückt. (…) Einige Auswirkungen der Pandemie könnten längerfristig Bestand haben und eine Veränderung der Anforderungen an Gebäude und ihr Energie- und Ressourcenprofil nach sich ziehen, sodass sich die Notwendigkeit einer tiefgreifenden und breit angelegten Renovierungswelle noch weiter erhöht. Im Zuge der Bemühungen Europas zur Bewältigung der COVID-19-Krise bilden Renovierungsmaßnahmen eine einzigartige Gelegenheit, unsere Gebäude grundlegend neu zu denken, umzugestalten und zu modernisieren. So können wir die Gebäude für eine umweltfreundlichere und digitale Gesellschaft rüsten und zugleich die wirtschaftliche Erholung unterstützen.

MITTEILUNG DER KOMMISSION, Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen, COM(2020) 662 final, S. 1

Dieses Verständnis findet sich auch in dem vom der Bundesregierung am 16. Dezember 2020 beschlossenen Entwurf eines Deutschen Aufbau- und Resilienzplans zum EU-Aufbauinstrument „Next Generation EU“:

  • Mit dem Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) trägt die Bundesregierung zur Überwindung der Corona-Krise und zur Zukunftssicherung in Deutschland und Europa bei.
  • Die Agenda der Bundesregierung im Aufbauplan entspricht den zentralen Zielsetzungen des europäischen Aufbauinstruments Next Generation EU und der darauf basierenden Aufbau- und Resilienzfazilität.
  • Der Schwerpunkt des DARP liegt auf der Bewältigung der beiden großen Herausforderungen unserer Zeit,
    • dem Klimawandel und
    • der digitalen Transformation.
  • Die Förderung des Klimaschutzes ist ein zentraler Pfeiler des DARP. Drei Komponenten sind allein dieser Aufgabe gewidmet, von Dekarbonisierung insb. durch erneuerbaren Wasserstoff (Komponente 1.1) über klimafreundliche Mobilität (Komponente 1.2) bis hin zu klimafreundlichem Bauen und Sanieren (Komponente 1.3). Diese Programmelemente adressieren somit drei zentrale europäische Flagship-Initiativen: 
    • Hochfahren
    • Renovieren sowie 
    • Aufladen und Betanken.
  • Dabei decken die klimafreundlichen Maßnahmen ein breites Spektrum ab: Von der Dekarbonisierung durch erneuerbaren Wasserstsoff, über klimafreundliche Mobilität bis hin zu klimafreundlichem Bauen. 
  • Insgesamt dienen ca. 40% der in dem Entwurf enthaltenen Ausgaben dem Klimaschutz.
  • Eine verbesserte Energie- und Ressourceneffizienz öffentlicher und privater Gebäude trägt demnach zur Umsetzung der Klimaziele der EU bei, schafft Arbeitsplätze und bringt die digitale Entwicklung voran.
  • Bis 2025 ist eine Verdopplung der Renovierungsrate angestrebt.

Wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit und Resilienz sind zwei Seiten derselben Medaille; dies wurde durch die COVID-19-Krise deutlich. 

MITTEILUNG DER KOMMISSION, Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum 2021, COM(2020) 575 final, S. 3

© Copyright by Dr. Elmar Bickert