An Bauprojekten sind typischerweise mehrere Personen beteiligt. Folglich haften oftmals mehrere Projektbeteiligte dem Auftraggeber gegenüber als Gesamtschuldner. So können unter bestimmten Voraussetzungen Architekten und Bauunternehmer, aber auch mehrere Bauunternehmer oder mehrere Architekten bzw. Ingenieure, als Gesamtschuldner haften.
Die Gesamtschuldnerschaft
Eine solche Gesamtschuldnerhaftung bedeutet, dass der Auftraggeber grundsätzlich nach seiner Wahl einen oder mehrere der Gesamtschuldner ganz oder zu einem Teil in Anspruch nehmen kann (vgl. § 421 BGB). Der Auftraggeber muss sich also grundsätzlich nicht darum kümmern, in welchem Verhältnis die Gesamtschuldner untereinander verantwortlich sind, also z.B. darum, welche Verantwortungsquote der Bauunternehmer und welche der Architekt für den jeweiligen Mangel/Schaden zu tragen hat. Das müssen die Gesamtschuldner in ihrem Innenverhältnis untereinander ausmachen, d.h. der vom Auftraggeber in Anspruch genommene Gesamtschuldner muss beim anderen Gesamtschuldner nach Maßgabe des jeweiligen Verantwortungsanteils Regress nehmen (vgl. § 426 BGB).
Diesen Regressanspruch muss jeder Gesamtschuldner im Blick behalten, selbst wenn der Auftraggeber noch keinen der Gesamtschuldner in Anspruch genommen hat. Denn, wie der BGH, Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 200/15 nun entschieden hat, besteht für diesen Regressanspruch eine nicht zu unterschätzende Verjährungsfalle:
Die Verjährungsfrist
Der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB (drei Jahre).
Verjährungsbeginn mit Entstehung
Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht bereits in dem Augenblick, in dem die Gesamtschuldner dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, d.h. mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis (z.B. gegenüber dem Auftraggeber).
Bezifferbarkeit und Folgeschäden
Für den Beginn der Verjährung ist es nicht erforderlich, dass der Ausgleichsanspruch beziffert werden bzw. Gegenstand einer Leistungsklage sein kann.
Der Verjährungsbeginn gilt auch für solche Folgeschäden, die erst in der Folgezeit eingetreten sind und im Zeitpunkt des Eintritts des ersten Schadens in ihrer konkreten Ausprägung noch nicht feststanden. Denn insoweit ist der gesamte, auf die jeweilige haftungsbegründende Pflichtverletzung zurückzuführende Schaden verjährungsrechtlich als Einheit anzusehen.
Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit bestimmt. Danach gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasst auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren.
Was bedeutet das konkret?
- Tritt eine als möglich voraussehbare Spätfolge ein, wird für sie keine selbständige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt.
- Der Ausgleichsanspruch eines zum Schadensersatz verpflichteten Gesamtschuldners gegen den anderen Gesamtschuldner entsteht also grundsätzlich auch im Hinblick auf solche Schäden, die erst nach der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestands eingetreten sind, bereits in dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses. Folglich beginnt die Verjährung einheitlich zu einem frühen Zeitpunkt für sämtliche Schäden und Folgezustände, die im Zeitpunkt der Erlangung allgemeinen Wissens um den Erstschaden als möglich voraussehbar waren.
- Der Forderungsinhaber muss sich also schon bei Kenntnis von der haftungsbegründenden (Erst-) Schädigung durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen Verjährung absichern.
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