Der Fall
Einem Käufer wird vor Erwerb eines Grundstücks ein positiver Bauvorbescheid über die Bebaubarkeit des Kaufobjekts ausgestellt. Nachdem der Käufer das Grundstück im Vertrauen hierauf gekauft hat, erweisen sich Genehmigungshindernisse und damit die Fehlerhaftigkeit des Bauvorbescheids. Der BGH, Urteil vom 02. Februar 2017 – III ZR 41/16, hatte zu entscheiden, ob der Käufer von dem Aussteller des Bauvorbescheids – der Stadt – Schadensersatz verlangen kann.
Der Bauvorbescheid
Der Bauvorbescheid ist ein schriftlicher Verwaltungsakt der Bauaufsichtsbehörde, der in verbindlicher Weise einzelne, das Baugenehmigungsverfahren betreffende Fragen abschließend regelt:
- Es handelt sich hierbei also nicht nur um eine vorläufige Entscheidung, Aussage oder Zusage der Behörde.
- Vielmehr entscheidet der Bauvorbescheid über die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, soweit diese sein Gegenstand ist, abschließend.
Die Folge: Ein unanfechtbarer, geltender Bauvorbescheid verschafft entsprechend seinem Zweck dem Bauherrn eine verlässliche Vertrauensgrundlage für seine weiteren Dispositionen.
Für das nachfolgende Genehmigungsverfahren bedeutet das:
- Die durch den Bauvorbescheid bestandskräftig entschiedenen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsfragen werden im Baugenehmigungsverfahren nicht mehr geprüft.
- Vielmehr werden seine diesbezüglichen Feststellungen inhaltlich unverändert in die Baugenehmigung übernommen.
- Soweit der geltende Vorbescheid reicht, setzt er sich gegenüber nachfolgenden Rechtsänderungen durch. Dies aber nur für die Geltungsdauer des Bauvorbescheids. Läuft diese ab, ohne dass eine Baugenehmigung beantragt worden ist, so nimmt der Bauherr in Kauf, dass sein Bauvorhaben infolge solcher Rechtsänderungen seine Genehmigungsfähigkeit verliert und nicht mehr durchführbar ist.
Rücknahme?
Ist der Vorbescheid rechtswidrig ergangen, kann die Behörde ihn allerdings – auch aus Anlass eines Bauantrags – vor Ablauf seiner Geltungsdauer nach dem VwVfG zurücknehmen, wobei
- die Gemeinde sodann dem Bauherrn den Vermögensnachteil ausgleichen muss, den er dadurch erleidet, dass er in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Bauvorbescheids vertraut hat und
- die Ausschlussfrist von einem Jahr nach positiver behördlicher Erkenntnis der Rechtswidrigkeit zu beachten ist.
Durch die Rücknahmemöglichkeit ist der Bauwillige also auf der Primärebene (= abschließende Entscheidung des Bauvorbescheid über die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, soweit diese sein Gegenstand ist) selbst während der Geltungsdauer des Vorbescheids der Gefahr ausgesetzt, dass dieser von Anfang an rechtswidrig ist.
Auf der haftungsrechtlichen Sekundärebene (= Schadensersatz wegen fehlerhaftem Bauvorbescheid) dagegen genießt der Bauherr unverändert ein schutzwürdiges Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Bauvorbescheids, solange er keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Vorbescheids hat.
Der rechtswidrige Bauvorbescheid
Erlässt die Behörde einen gegen baurechtliche Vorschriften verstoßenden und damit rechtswidrigen positiven Bauvorbescheid, verletzt sie ihre grundlegende, auch gegenüber dem Bauherrn bestehende Amtspflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln in gleicher Weise wie beim Erlass einer rechtswidrigen Baugenehmigung.
Im konkreten Fall hatte die Behörde durch den Erlass eine fehlerhaften Bauvorbescheids schuldhaft ihre Amtspflicht gegenüber dem Bauherrn verletzt, da die Genehmigungsfähigkeit mangels gesicherter Erschließung nicht gegeben war, der Bauvorbescheid aber dennoch feststellte, dass das Grundstück als erschlossen gelte und dem Vorhaben im Rahmen der gestellten Fragen keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen stünden.
Der Bauherr konnte sich im konkreten Fall nicht mehr auf die bestandskräftigen Festellungen des Bauvorbescheids berufen, da er die Geltungsdauer des Bauvorbescheids von drei Jahren hatte verstreichen lassen, ohne einen Bauantrag gestellt zu haben. Als er den grundsätzlich möglichen Antrag auf Fristverlängerung stellen wollte, wurde dieser von der Behörde mit Verweis auf die fehlende Erschließungssicherung abgelehnt. Aus diesem Grund realisierte sich beim Bauherrn der Nachteil aus einem fehlerhaften Bauvorbescheid.
Nach dem BGH ist es unerheblich für das Bestehen des Amtshaftungsanspruchs, dass der Bauherr es in Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Vorbescheids unterlassen hat, während dessen dreijähriger Geltungsdauer einen Bauantrag zu stellen. Denn nicht die spezifische Reichweite oder Wirkung des baurechtlichen Vorbescheids, sondern der allgemein im Verwaltungs- und Amtshaftungsrecht geltende Vertrauensschutz in Bezug auf die Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns sei ausschlaggebend dafür, dass der Bauherr untätig bleiben durfte.
Nutzt der Bauherr einen ihm erteilten positiven Bauvorbescheid nicht rechtzeitig aus, übernimmt er damit wirtschaftlich nicht das Risiko, dass dieser rechtswidrig ist und deshalb auch bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach Ablauf seiner Geltungsdauer von der Behörde nicht verlängert werden wird. Vielmehr darf er im Hinblick auf die Bindung der Behörde an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Bescheid rechtmäßig erlassen worden und damit verlängerungsfähig ist, solange ihm dessen Fehlerhaftigkeit unbekannt ist.
Der Schadensersatz
Der im Rahmen der Amtshaftung zu leistende Schadenersatz soll die Vermögenslage herstellen, die bei pflichtgemäßem Verhalten des Beamten eingetreten wäre. Dies geschieht grundsätzlich durch Geld- oder Wertersatz.
Im konkreten Fall hatte der Bauherr aufgrund des rechtswidrigen Vorbescheids ein für ihn mangels Bebaubarkeit nicht nutzbares und damit für ihn wertloses Grundstück erworben. Deshalb konnte er verlangen, so gestellt zu werden, als ob er den Grundstückskaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Ihm waren mithin der gezahlte Kaufpreis und weitere Kosten zu erstatten.
Im Gegenzug wurde der Stadt nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung das Grundstück übertragen. Der BGH sieht darin einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien. Die Stadt werde damit nicht unzumutbar belastet, denn sie erhalte ein Grundstück, das sie – nach der ohnehin von ihr vorzunehmenden Erschließung sogar als Bauland – weiterveräußern kann.
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