Mit dem Kabinettbeschluss vom 10. März 2021hat die Bundesregierung die Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2021 (BT-Drucksache 19/27530, DNS) beschlossen. Es gibt sie schon seit 2002. Ab 2004 wurde sie alle vier Jahre weiterentwickelt (Fortschrittsberichte der Bundesregierung von 2004, 2008 und 2012). Und seit 2015 ist die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) Grundlage der Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung. Die Agenda 2030 wurde am 25. September 2015 von den Staats- und Regierungschefs der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (VN) in New York verabschiedet. Im Lichte der Agenda 2030 hatte die Bundesregierung die Nachhaltigkeitsstrategie grundlegend überarbeitet und am 11. Januar 2017 eine Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) beschlossen und am 7. November 2018 eine Aktualisierung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Mit der nun vorliegenden Weiterentwicklung 2021 der DNS stellt die Bundesregierung dar, welche Aktivitäten zur Umsetzung der Strategie in der laufenden Legislaturperiode ergriffen worden sind und welche weiteren Maßnahmen geplant werden.
- Damit erbringt die Bundesregierug eine aktuelle und transparente Berichterstattung zum Zeitraum bis Ende 2020.
- Sie verknüpft das mit Änderungen an einzelnen Teilen der DNS und Hinweisen zu Bereichen, in denen weiterer Handlungsbedarf besteht.
- Und sie legt mit dieser Weiterentwicklung auch die Basis für eine grundlegende Reflektion und ambitionierte Stärkung der Nachhaltigkeitspolitik für die Dekade des Handelns (2020–2030), die vom VN-Generalsekretär ausgerufen wurde.
- Die weiterentwickelte Strategie betont die Notwendigkeit einer verstärkten Umsetzung der Strategie und ihrer Ziele, insbesondere in wesentlichen Transformationsfeldern.
- Die Strategie betont zudem. dass es für den Transformationsprozess auf alle Akteure ankommt, den Staat und seine Institutionen, die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft.
Von besonderer Bedeutung für die Erreichung der SDGs bis 2030 wird sein, welche Fortschritte in den Transformationsbereichen wie Energiewende oder Nachhaltiges Bauen und Mobilität erreicht werden. Hier, wie im Bereich der Nachhaltigkeit insgesamt, ist nicht nur die Bundesregierung gefragt, sondern das Handeln aller politischen Ebenen, der gesellschaftlichen Akteure sowie der Bürgerinnen und Bürger.
Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021

Die Weiterentwicklung der Strategie wurde durch einen breit angelegten Dialogprozess vorbereitet, aus dem sich auch ergab, sogenannte Transformationsbereiche stärker in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu berücksichtigen. Für die Erreichung der Ziele der Agenda 2030 werden daher nunmehr Fortschritte in Deutschland in den folgenden Transformationsbereichen für besonders relevant erachtet:
- Menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten, soziale Gerechtigkeit
- Energiewende und Klimaschutz
- Kreislaufwirtschaft
- Nachhaltiges Bauen und Verkehrswende
- Nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme
- Schadstofffreie Umwelt
Im Transformationsbereich Nachhaltiges Bauen und Verkehrswende werden von der DNS der Bau- und Gebäudebereich sowie der Verkehrssektor adressiert. Er weist Bezüge auf zu den SDGs 7, 8, 9, 11, 12 und 13.
Nach der DNS gibt es auch Synergieeffekte mit anderen Bereichen der Nachhaltigkeit. Der Bau- und Gebäudebereich ist mit seinen vor- und nachgelagerten Prozessen zudem eng mit anderen Transformationsbereichen verbunden. Die Anforderungen an nachhaltiges Bauen umfassen nach der DNS
- Energieeffizienz und Klimaneutralität,
- Erhalt der Biodiversität,
- Ressourcenschonung und Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen,
- Reduzierung des Flächenverbrauchs,
- nachhaltige Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen einschließlich der Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette sowie
- Sicherung von Gesundheit und Komfort von Nutzern.
All diese Anforderungen sollen ressort- und sektorübergreifend angegangen werden. Da der Gebäudebereich bei Berücksichtigung aller Aspekte für etwa 40 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich sei, möchte die Bundesregierung noch stärker nachhaltiges und klimaneutrales Bauen fördern und 2021 einen ressortübergreifenden Aktionsplan erarbeiten.

Da der Bau- und Gebäudebereich mit der Bereitstellung von Wohnraum sowie allen weiteren baulichen Strukturen Grundbedürfnisse der Gesellschaft und Wirtschaft abdeckt, steht er im Zentrum der Nachhaltigkeitsstrategie. Er wird als ein zentrales Element für starke, gemeinwohlorientierte und resiliente Stadt- und Siedlungsstrukturen verstanden. Und da die Planungs- und Investitionsentscheidungen im Bau- und Gebäudebereich sich über viele Jahrzehnte hinweg auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt auswirken, sind im Bau- und Gebäudebereich in besonderer Weise neben aktuellen auch künftige Anforderungen zu berücksichtigen. Diese ergeben sich u. a.
- aus dem Klimawandel,
- der Ressourcenverknappung,
- dem demographischen Wandel und
- den sich ändernden Nutzeranforderungen.
Gerade die Klimaneutralität und Ressourcenschonung dürfen nicht länger als fakultativer Zusatz zur erforderlichen Erfüllung technischer, funktionaler, gestalterischer, ökonomischer und städtebaulicher Anforderungen behandelt werden. Die Anforderungen an das nachhaltige Bauen müssen sämtliche Planungs- und Investitionsentscheidungen im Bau- und Gebäudebereich durchdringen. Die Erfassung, Bewertung und gezielte Beeinflussung von Energie- und Stoffströmen sowie von Wirkungen auf die lokale und globale Umwelt müssen in der Praxis des Planens, Bauens und Betreibens von Gebäuden und baulichen Anlagen verstärkt etabliert werden.
Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021

Nachhaltiges Planen und Bauen leistet nach der DNS auch einen entscheidenden Beitrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Da der Baubereich zu den ressourcenintensiven Wirtschaftszweigen gehört, ist er für die Kreislaufwirtschaft besonders bedeutsam. Bauen und Sanieren soll daher in Richtung eines Kreislaufwirtschaftssystems weiterentwickelt werden, bei dem ein stetig zunehmender Anteil der Baustoffe wiederverwendet wird. Das als „urban mining“ bezeichnete Prinzip, bei dem der Gebäudebestand als Sekundärrohstofflager und damit als Quelle für neue Bauprodukte und Bauteile dient, soll durch eine geeignete Bedarfsplanung von Baumaßnahmen umgesetzt werden können. Ein weiters Ziel ist es, die Ressourceneffizienz im Bauwesen messbar zu machen.
Eine Intensivierung der bisherigen Aktivitäten Deutschlands im Bereich des Nachhaltigen Bauens wird daher geleitet von einer Weiterentwicklung der Planungskultur. Die am Bau Beteiligten müssen verstärkt Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt übernehmen. Um dies zu operationalisieren, werden Bewertungsgrundlagen und -systeme wie das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) weiterentwickelt, in ihrer Praxistauglichkeit und Wirkung verbessert sowie in ihrer Anwendung ausgeweitet.
Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021

Siehe auch:
Nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben: Nachhaltige Büro- und Verwaltungsgebäude
Neuer Aktionsplan: Klimaresilientes und klimaangepasstes Bauen, Klimaanpassungs-Finanzierung sowie klimafeste Gesetze und Standards
Innovatives, zukunftssicheres und nachhaltiges Bauen: Leitlinien für eine neue Nachhaltigkeits-Offensive im Bundestag
Da Menschen sich überwiegend in Räumen aufhalten – sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Wohnung – sind im Gebäude- und Bausektor nach der DNS auch ein gesundes und lebenswertes Wohnumfeld, in Gebäuden eine hohe Raumluftqualität sowie gesunde und schadstoffarme Arbeitsbedingungen bedeutsam. Eine hohe Raumluftqualität durch Vermeidung von Schadstoffen beim Bauen und Nutzen von Gebäuden trägt zu Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit bei. Folglich ist die die Innenraumlufthygiene ein wichtiges Kriterium des Bewertungssystems Nachhaltigen Bauens (BNB).
Mit Blick auf den Klimaschutz sollen nach der DNS sektorübergreifende Maßnahmen zu einer Minimierung der im Lebenszyklus von Immobilien entstehenden Treibhausgasemissionen beitragen. Die Bundesregierung möchte verstärkt das nachhaltige und klimaneutrale Bauen fördern, Anforderungen des klimaneutralen Bauens defnieren, an Modellvorhaben erproben und die Markteinführung dieser Methodik fördern. Die Maßnahmen zur Intensivierung der Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich des Nachhaltigen Bauens sollen im Jahr 2021 mit einem ressortübergreifenden Aktionsprogramm beschlossen werden. Wesentliche Ansatzpunkte darin sollen sein:
- Bereitstellung von Ressourcen für Forschung, Entwicklung und Förderung entsprechend der Bedeutung des Bau- und Gebäudebereiches für die nachhaltige Entwicklung Deutschlands,
- Ausbau der gezielten Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung nachhaltigen, zukunftsgerechten Bauens,
- Ausbau der Förderung von staatlich anerkannten Zertifizierungen für das nachhaltige Bauen,
- Entwicklung eines Förderprogramms zur Unterstützung der Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen und Sekundärbaustoffen bei Bauaufgaben aller Art,
- Entwicklung eines vereinfachten Verfahrens der Gebäudeökobilanzierung und Ausbau der ÖKOBAUDAT als Grundlage zur Berücksichtigung des vollständigen Lebenszyklus im Ordnungsrecht und in Förderprogrammen,
- Ausbau zentraler BNB-Systemträger für Bund, Länder und Kommunen, Entwicklung und Einführung von Berechnungs-, Bewertungs- und Nachweisverfahren zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden inkl. der Erarbeitung von Grenz- und Zielwerten, die sich an den planetaren Grenzen orientieren.
Eine zunehmende Vernetzung aller Lebensbereiche, die Digitalisierung und Automatisierung, sich verändernde Mobilitätsbedürfnisse sowie neue technologische Innovationen und Entwicklungen im Bereich alternativer Antriebstechnologien und Kraftstoffe wirken sich neben dem Verkehrssektor auch auf den Bau- und Gebäudesektor aus. Und da auch der Verkehrssektor eine besonders wichtige Rolle für den Klimaschutz spielt, ist er zusammen mit dem nachhaltigen Bauen zu einem Transformationsbereich zusammengefasst. Diese Veränderungen spielen nach der DNS vor allem auch in den Städten und Gemeinden eine tragende Rolle, denn eine nachhaltige Mobilitätsentwicklung und integrierte Stadtentwicklung sind nach der DNS auf vielfältige Art zwingend miteinander verknüpft.

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