Einleitung

Tesla möchte eine Fabrik in Brandenburg bauen. E-Mobility made in Germany – gut für die Länder Brandenburg und Berlin, den Osten und generell gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Aber wo Tesla ist, sind die Tesla-Hater nicht weit.

Und schon sieht man diese Tage auffällig oft, fährt man durch Brandenburg, vorwiegend in die Jahre gekommene Diesel-Fahrzeuge, gerne auch mit Greta-Hass-Sprüchen, sich auf den Weg machen zu wütenden Protesten gegen Tesla und – schon klar – für Landschafts- und Umweltschutz. Und wo Wut und Hass ist, sind Rechtsradikale und Berufsprovokateure nicht weit und werden kurzerhand zu „Umweltaktivisten“ – solange es der Agitation gegen „das Fremde“ oder gegen Klimaschutz geht. Und spätestens wenn sich dann auch noch die üblichen Klimawandel-Leugner und Energiewende-Gegner der Sache bemächtigen, ist klar, dass „Heimatschutz“ nicht immer gut gemeint und Grün nicht gleich Grün ist.

Das hat jetzt auch das OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 20.02.2020 – OVG 11 S 8/20) entschieden.


Hintergrund

Um den Hintergrund zu verstehen, muss man wissen, dass es um die Rodung einer kommerziell genutzten Waldfläche geht (Kiefern zur Papierproduktion), einer Fläche, die im Flächennutzungsplan als Industriegebiet ausgewiesen ist und die ein großer Automobilkonzern aus Bayern vor Jahren dann doch nicht für ein neues BMW-Werk haben wollte.

Kaum will nun aber der US-Hersteller und E-Auto-Pionier Tesla dort sein Werk errichten, beantragt neben einem nicht weiter bekannten Umweltverband Grüne Liga Brandenburg ein sich selbst als „Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern“ nennender Zusammenschluss den Stopp der Rodung in Brandenburg.

Seit wann aber liegt Brandenburg in Bayern? Was bewegt einen bayerischen Verein mit namengebender Aufgabenstellung in und für Bayern sich in Investitionen in und für Brandenburg, Berlin und Ostdeutschland einzumischen? Dies und anderes macht misstrauisch. Schon ein kurzer Blick in die von dem „Verein“ betreuten Veröffentlichungen zeigt, dass man sich dort offenbar, während die heimische Landschaft wirklich unter dem Klimawandel leidet, lieber mit großer Wut zwei Feindbildern widmet: Windenergie und Elektroautos und dabei insbesondere Tesla, verbunden mit der Angst vor Elon Musk als Konkurrenten für die „heimische Automobilindustrie“, wobei mit „heimisch“ natürlich nicht die brandenburgische, berliner oder ostdeutsche, sondern die bayerische Industrie gemeint ist.

TESLA wird zum Ausgleich der Rodung des ökologisch weniger nützlichen Forstwaldes etwa die dreifache Fläche mit Mischwald inkl. Laubbäumen aufforsten, ein Wald mit größerem ökologischen Nutzen und Lebensraum für eine größere Artenvielfalt. Dies und anderes interessierte die Investitions-Gegner im Verfahren aber nicht wirklich – und so wurde es ihnen vom Gericht umso deutlicher vor Augen geführt.

Dabei ist in die Abwägung mit einzustellen, dass mit der Beseitigung des Waldes aufgrund der bauplanungsrechtlichen Ausweisung der Fläche als Industriegebiet ohnehin zu rechnen war, dass es sich um einen Wirtschaftswald handelt, dass der Landkreis im Übrigen über einen verhältnismäßig hohen Waldanteil verfügt und dass die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen, wenngleich mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, zur Entstehung von Waldflächen mit höherer naturfachlicher Wertigkeit führen werden. Das ergibt sich schon daraus, dass die Verpflichtung zur Wiederbewaldung einen Anteil von 30% Laubbäumen beinhaltet.

OVG Berlin-Brandenburg

Die Entscheidung

In der Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg ging es im Kern um § 8a BImSchG:

In einem Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung soll die Genehmigungsbehörde auf Antrag vorläufig zulassen, dass bereits vor Erteilung der Genehmigung mit der Errichtung einschließlich der Maßnahmen, die zur Prüfung der Betriebstüchtigkeit der Anlage erforderlich sind, begonnen wird, wenn
(1.) mit einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann,
(2.) ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an dem vorzeitigen Beginn besteht und
(3.) der Antragsteller sich verpflichtet, alle bis zur Entscheidung durch die Errichtung der Anlage verursachten Schäden zu ersetzen und, wenn das Vorhaben nicht genehmigt wird, den früheren Zustand wiederherzustellen.

Die Zulassung vorzeitigen Beginns eröffnet die Möglichkeit, im Rahmen immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen schon vorab mit der Errichtung der Anlage zu beginnen. Dieses rechtliche Instrument ergänzt die Regelungsmöglichkeiten einer Teilgenehmigung nach § 8 BImschG sowie eines Vorbescheides nach § 9 BImschG und soll Investitionen beschleunigt ermöglichen.

In diesem Sinne stärkt das OVG Berlin-Brandenburg im Eilverfahren den Investitionsstandort Deutschland – und entlarvt zugleich die mehr als problematische Argumentation und Strategie der Investitions-Gegner:

  • Würde die Beseitigung von Waldflächen zwecks Schaffung des Baugrundes für eine neu zu errichtende Anlage stets ausscheiden, wäre dies geeignet, die Erreichung des Gesetzeszwecks, im Interesse einer Förderung des Wirtschaftsstandortes Deutschlands eine Verfahrensbeschleunigung zu erreichen, nicht unerheblich schmälern.
  • Da die Wiederaufforstung einer gerodeten Waldfläche grundsätzlich möglich ist, ist aus Sicht des Senats auf deren Beschaffenheit abzustellen. Insoweit macht es einen erheblichen Unterschied, ob die Beseitigung eines über lange Zeit gewachsenen Naturwaldes oder gar von nicht wiederherstellbaren Naturdenkmalen in Rede steht oder aber, wie hier, die Beseitigung eines Wirtschaftswaldes, der zudem bauplanungsrechtlich als künftiges Industriegebiet ausgewiesen ist.

Das in den obigen Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 8a Abs. 1 Nr. 2 BImSchG im Einzelnen beschriebene öffentliche Interesse an der mit dem Projekt verbundenen Stärkung des Wirtschaftsstandortes und insbesondere der Schaffung einer Vielzahl von Arbeitsplätzen wiegt schwer. Das Interesse der Antragsteller, den Wald nicht vor der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Rodung zu überlassen, muss dahinter zurückstehen.

OVG Berlin-Brandenburg

Mit welcher Art von Hinterlist es das Land Brandenburg und Tesla dabei zu tun haben, zeigt dann das Gericht, indem es der „Grüne Liga Brandenburg“ ausführlich vorhält, frühzeitig und intensiv in die Planung eingebunden worden zu sein, zahlreiche Möglichkeiten zur Stellungnahme sowie wiederholt Einladungen und Angebote zur Vorstellung des Projekts und Zusammenarbeit erhalten zu haben – und dass die „Grüne Liga Brandenburg“ all dies hat verstreichen lassen und dass sie – anders als andere NGOs – nichts zum Verfahren beigetragen hat. Folglich holten sich die Investitionsgegner mit dem Versuch eine Abfuhr, trotzdem rügen zu wollen, die Einwendungsfrist und die Öffentlichkeitsbeteiligung seien im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung noch nicht abgelaufen bzw. abgeschlossen gewesen. Ebenfalls scheiterten sie damit, erstmals mit Schriftsatz vom 19. Februar 2020 Inhalte eines Fachbeitrags vom 16. Dezember 2019 des UVP-Berichts beanstanden zu wollen.


Auch im Übrigen scheiterten die Investitionsgegner an ihrer merkwürdigen Strategie, die mehr als nur einen schlechten Beigeschmack hinterlässt:

  • Nach dem Gericht trifft das Argument der Investitions-Gegner, es hätten keine ausreichenden naturschutzfachlichen Gutachten vorgelegen, ausweislich der vorgelegten Gutachten schlicht nicht zu.
  • Soweit vorgetragen wird, es würden streng geschützte Arten vernichtet, attestiert das Gericht dem „Verein“, die richtigerweise vorhandenen Schutzplanungen zu „verkennen“ und sich nicht mit dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag auseinanderzusetzen – obwohl der „Verein“ selbst auf diesen verweist.
  • Schließlich müssen sich die Investitions-Gegner wiederholt eine fehlende Darlegung, das Fehlen einer hinreichenden Begründung und das verdrehte Verständnis von der Bedeutung bestimmter Unterlagen vorhalten lassen. Sie müssen sich als selbsternannte Wahrer des „Artenschutzes“ sogar mit Verweis auf Wikipedia über den tatsächlichen Lebensraum diverser Tierarten belehren lassen, unter anderem zur Nordfledermaus:

Dass die Nordfledermaus „in einem Winterquartier im Südosten von Berlin nachgewiesen“ wurde (so der Antragsteller zu 1), lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass diese Fledermausart auch in den streitgegenständlichen Waldflächen vorkommt. Denn auch die Nordfledermaus hat ihren Lebensraum im Bereich von Feuchtgebieten und an Gewässern (vergleiche Wikipedia).

OVG Berlin-Brandenburg

Nicht durchdringen konnten die Investitions-Gegner auch mit dem Angriff, die Problematik des Schutzes des Trinkwassers und der Trinkwasserversorgung sowie des Wasserhaushalts und der Abwasserbehandlung sei nicht gesichert. Sie hatten es bereits versäumt, sich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu diesen Aspekten auseinanderzusetzen. Auch mit dem Verweis auf den Wasserbedarf des Projekts drangen die Investitions-Gegner nicht durch. Das Gericht geht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens hinsichtlich der Wasserversorgung ausgehen durfte. Soweit die Investitions-Gegner Verständnisprobleme offenbarten, wurden sie auf den Verwaltungsvorgang verwiesen, dem zu entnehmen ist, dass der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) die erforderlichen technischen und rechtlichen Anforderungen für lösbar halte.


Sodann führt das OVG Berlin-Brandenburg dazu aus, um was es eigentlich geht, gegen das die TESLA-Gegner hier vorgehen.

Das von der Beigeladenen geplante Vorhaben weist eine herausragende Bedeutung für den Wirtschaftsstandort der betreffenden Region und des gesamten Landes Brandenburg gerade auch mit Blick auf die zu erwartende Schaffung einer hohen Anzahl von Arbeitsplätzen auf. Der Antragsgegner hat dazu im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass die Arbeitslosenquote im betroffenen Landkreis 2018 über dem Durchschnitt des Landes Brandenburg und deutlich über dem gesamtdeutschen Durchschnitt gelegen habe. Überdies weise der Landkreis einen ungleich größeren Bevölkerungsrückgang auf, als dies in Brandenburg insgesamt der Fall sei. Es sei davon auszugehen, dass mit der Ansiedlung eine Trendwende in der Bevölkerungsentwicklung zu erreichen wäre. Mit der zu erwartenden deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Region würden zahlreiche neue Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und es steige damit der Anreiz für einen Zuzug insbesondere junger Menschen, womit der demographische Wandel verlangsamt und die Bevölkerungszahl steigen würde. Zudem sei davon auszugehen, dass die Ansiedlung zur Stärkung der Innovationskraft in Brandenburg beitragen werde. Das Vorhaben werde zahlreiche Synergie-Effekte mit lokalen Industrien ermöglichen sowie den Zuzug weiterer Industrien fördern.
(…)
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist dabei anzuerkennen, dass der Faktor Zeit bei der vorliegenden Dimension des Vorhabens und seiner Strahlwirkung auf weitere Vorhaben in der Region ein entscheidender Faktor ist, der das bezeichnete öffentliches Interesse im Sinne von § 8a Abs. 1 Nr. 2 BImSchG begründet. Vor diesem Hintergrund kann der Erwägung der Antragsteller, dass die Beigeladene erst am 19. Dezember 2020 den Genehmigungsantrag gestellt habe, keine Bedeutung zukommen.

OVG Berlin-Brandenburg

Das beste zum Schluss: Der Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg ist unanfechtbar.


© Copyright by Dr. Elmar Bickert

Der Autor fährt nicht TESLA und ist auch sonst nicht mit TESLA in irgendeiner Art verbunden.