Der BGH hat in einer aktuellen, unauffällig daherkommenden Entscheidung wesentliche Fragen des mietrechtlichen Schriftformgebots entschieden bzw. konkretisiert:
Vertragsanlagen zum Mietvertrag
Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit
- die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen,
- wozu es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke bedarf,
- für die Einheit der Urkunde vielmehr eine bloße gedankliche Verbindung genügt,
- die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss.
Unterschrift unter den Mietvertrag
Zur Schriftform gehört auch,
- dass die Urkunde von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wird und
- die beiderseitigen Unterschriften den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen, also unterhalb des Textes stehen und damit äußerlich die urkundliche Erklärung vollenden.
Diese Anforderungen sind wichtig für die bisweilen am Markt zu beobachtende Praxis, Mietverträge aus angeblichen Vereinfachungsgründen zu splitten in einen Besonderen und einen Allgemeinen Teil. Gefährlich wird das unter Schriftformgesichtspunkten v.a. dann, wenn nur der erste Teil unterschrieben wird, nicht aber die Allgemeinen Vertragsbestimmungen.
Die eigentliche Vertragsurkunde genügt dem Schriftformerfordernis etwa dann nicht, wenn diese von den Mietvertragsparteien lediglich auf der Vorderseite zu den Key Terms unterzeichnet worden ist, die Unterschriften aber nicht den vollständigen Vertragsinhalt abschließen, der auch die nachfolgenden Allgemeinen Vertragsbedingungen umfasst.
HINWEIS:
Eine unterschriebene Vorderseite des Vertrags kann zwar genügen, wenn sie einen ausreichenden Verweis auf die nachfolgenden Vertragsbedingungen enthält, aus dem sich schließen lässt, dass die geleisteten Unterschriften auch diese Vertragsbestandteile decken. Die bloße Erwähnung einzelner Klauseln der Allgemeinen Vertragsbestimmungen reicht aber nicht, um annehmen zu können, die Unterschriften der Mietvertragsparteien deckten auch die weiteren Vertragsbedingungen.
Heilungsmöglichkeit durch Nachträge und Anlagen
Nach dem BGH ist es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt.
Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden.
Bundesgerichtshof
Dabei kann es im Einzelfall auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, sofern hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht.
Mit der Entscheidung, auch eine unterschriebene Anlage ausreichen lassen zu wollen, entscheidet der BGH eine bisherigen Streitfrage im Sinne einer Erleichterung von Heilungsmöglichkeiten.
- Eine körperliche Verbindung der Anlage mit dem in Bezug genommenen Vertrag ist dabei nicht erforderlich.
- Wie bei einer Nachtragsvereinbarung genügt es zur Einhaltung der Schriftform, dass zwischen der Anlage und dem Mietvertrag eine gedankliche Verbindung besteht, die erkennen lässt, dass die beiden Schriftstücke in ihrer Gesamtheit den Vertrag bilden.
- Ausreichend ist daher, dass die Anlage hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und ersichtlich ist, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll.
Die später von beiden Vertragspartnern unterzeichnete Anlage nahm im konkreten Fall ausdrücklich Bezug auf den schriftlichen Vertrag, indem in der Überschrift der Anlage der streitgegenständliche Vertrag, die Mietvertragsparteien und der Mietgegenstand benannt wurden. Zudem war der Nachtrag als Anlage 1 zum Mietvertrag bezeichnet, wie es die Allgemeinen Vertragsbedingungen verlangten. Durch diese Bezugnahme wurde nach dem BGH die gesamte Vertragsurkunde und die Anlage zu einer gedanklichen Einheit verbunden, aus der sich der Inhalt des Vertrags ergab. Die Unterschriften der beiden Mietvertragsparteien auf der Anlage erfassten damit den gesamten Vertragsinhalt und schloßen den Vertragstext räumlich ab, so dass die Schriftform gewahrt war.
HINWEIS:
Im konkreten Fall war es nach dem BGH aufgrund der konkreten Art der Bezugnahme für die Erfüllung der Schriftform unschädlich, dass in der Anlage die weiteren Vertragsbedingungen nicht mehr ausdrücklich aufgeführt waren und dort auch kein klarstellender Hinweis auf die Fortgeltung der in der Vertragsurkunde abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen enthalten waren.
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