Manche Geschichten sind so abstrus, die kann man sich nicht ausdenken. Im oberfränkischen Kulmbach brannte ein konventioneller VW Golf mit reinem Benzinmotor und zerstörte Teile einer Tiefgarage. Und was macht die Stadt? Sie verbietet nach Wiedereröffnung die Einfahrt von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Nicht nur der ADAC kann die Entscheidung der Stadt Kulmbach nicht nachvollziehen. „Sollten weitere Garagen-Betreiber dem Kulmbacher Beispiel folgen, wäre dies ein fataler Rückschlag beim Ausbau der Elektro-Mobilität in Deutschland,“ so der ADAC. Tatsächlich klingt das eher wie ein Rückschlag für Betreiber, Städte und Regionen, die sich solchen benzintrunkenen „Störfeuern“ hingeben und versuchen, ihre Brandschutzprobleme der Elektromobilität in die Schuhe zu schieben. Denn natürlich geht es auch ohne sie weiter mit der Elektromobilität.
Was Tesla bereits mit seiner Ladeinfrastruktur markenbezogen vorgemacht hat, möchte der Bund nun auch öffentlich zugänglich realisiert sehen, und zwar für Schnellladestationen bundesweit.
Mit dem nun von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes über die Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur (Schnellladegesetz – SchnellLG) beabsichtigt die Bundesregierung, den bundesweit flächendeckenden, bedarfsgerechten Aufbau von öffentlich zugänglicher Infrastruktur für das schnelle Laden von reinen Batterieelektrofahrzeugen zu gewährleisten. Den Nutzern von reinen Batterieelektrofahrzeugen soll es mit Schwerpunkt auf dem Infrastrukturausbau für den Mittel- und Langstreckenverkehr ermöglicht werden, bundesweit jeden Ort auf direktem Weg zu erreichen. Die Stromversorgung der Fahrzeuge hat dabei mit erneuerbarer Energie zu erfolgen.
Zwar betont der Bund, dass der Aufbau von Ladeinfrastruktur (langfristig) eine Aufgabe der Wirtschaft sein muss. In der derzeitigen „frühen Marktphase“ macht der Bund aber selbst im „Autoland Deutschland“ zu wenige gewinnbringende Geschäftsmodelle für den Aufbau und Betrieb eines flächendeckenden und zunächst die Nachfrage übersteigenden Schnellladenetzwerks aus, als dass die Wirtschaft hier hinreichend Engagement zeigen würde. Auch die bloße finanzielle Förderung wird nicht als ausreichend angesehen, um einen verlässlichen Aufbau und Betrieb der Schnellladeinfrastruktur zu einheitlichen, nutzerfreundlichen Bedingungen sicherzustellen.
Also definiert der Bund den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur als öffentliche Aufgabe, deren Ausführung mit staatlicher Hilfe durch private Betreiber erfolgen soll. Das Instrument der Wahl ist hier das der Ausschreibung, welches mit dem Gesetzesentwurf in seinen Grundzügen geregelt werden soll. Dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sollen hierbei die Planung und Koordinierung von Aufbau und Betrieb der Schnellladeinfrastruktur, die Überwachung der Zielerreichung einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge sowie die Bereitstellung finanzieller Mittel obliegen, um eine flächendeckende Infrastruktur bereits in der Markthochlaufphase zu ermöglichen.
Eine flächendeckende und bedarfsgerechte Bereitstellung eines öffentlich zugänglichen Netzes von Schnellladepunkten steigert zudem die Qualität des Gesamtsystems Elektromobilität. Dies wiederum ist entscheidend für den internationalen Wettbewerb der deutschen Automobilhersteller, damit Deutschland im Sinne einer wirtschaftlichen Zukunftsvorsorge Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität sein kann.
SchnellLG-E zu den Nachhaltigkeitsaspekten

Die Nutzung von reinen Batterieelektrofahrzeugen ermöglicht bei Einsatz von erneuerbaren Energien eine erhebliche Reduktion von Treibhausgasemissionen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele und zur Einhaltung der europäischen Zielvorgaben. Des Weiteren werden dadurch Reduktionen von Luftschadstoffen und Lärmemissionen erreicht.
SchnellLG-E
Ein Rechtsanspruch auf die Gewährleistung der Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur wird nicht begründet. Auch wird die weitere Förderung von Elektromobilität durch andere Förderinstrumente durch das neue Gesetz nicht ausgeschlossen. Die eigenwirtschaftliche Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur durch Bestandsinfrastrukturanbieter bleibt zulässig. Dies korrespondiert mit dem Ziel, dass der Aufbau von Ladeinfrastruktur grundsätzlich zuvorderst eine Aufgabe der Wirtschaft ist. Es sollen keine Gebietsmonopole geschaffen werden. Das Wettbewerbsprinzip soll weiterhin Berücksichtigung finden.
Der Anwendungsbereich des Schnellladegesetzes erstreckt sich auf reine Batterieelektrofahrzeuge – nicht auf Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge. Das Gesetzgeber beschränkt damit ausdrücklich neben dem Anwendungsbereich auch die Gewährleistungsaufgabe des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dies wird wie folgt gerechtfertigt:
- Das Laden von Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen ist auf der Langstrecke nicht zwingend erforderlich.
- Plug-in Hybrid-Fahrzeuge laden nach derzeitiger Praxis überwiegend zuhause bzw. beim Arbeitgeber oder an öffentlich zugänglicher AC-Ladeinfrastruktur. Ursache dafür sind oftmals geringe Ladeleistungen von in der Regel 3,7 bis 7,2 Kilowatt und die damit verbundenen langen Ladezeiten. Plug-in Hybrid-Fahrzeuge sind regelmäßig technisch nicht in der Lage DC, d.h. Gleichstrom, zu laden.
- Im Gegensatz zur privaten Ladeinfrastruktur ist für Plug-in Hybrid-Fahrzeuge nach derzeitiger Einschätzung des Gesetzgebers daher der Aufbau einer öffentlichen Schnellladeinfrastruktur nicht erforderlich.
- Dies soll aber die Nutzung der Schnellladeinfrastruktur durch Plug-in Hybrid-Fahrzeuge, soweit technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, nicht ausschließen.
In einem BT-Papier (BT-Drucksache 19/24111) beschreibt die Bundesregierung Plug-in Hybrid-Fahrzeuge als Brückentechnologie, die in einer Übergangsphase zur rein elektrischen Mobilität eine Alternative darstellen können. Mit dem Schnellladegesetz erreicht die Bundesunterstützung für diese nicht unumstrittenen Technik zumindest für die Langstrecke offenbar ihre Grenze.
Das Schnellladegesetz stellt auch bei den Definitionen weitere Weichen:
- Ladepunkt ist eine Einrichtung, die zum Aufladen reiner Batterieelektrofahrzeuge geeignet und bestimmt ist und an der zur gleichen Zeit nur ein reines Batterieelektrofahrzeug aufgeladen werden kann. An einer Ladesäule (Ladeeinrichtung) können sich mehrere Ladepunkte befinden.
- Schnellladepunkt ist ein Ladepunkt, an dem Strom mit einer Ladeleistung von mindestens 150 Kilowatt geladen werden kann. Details zur Ermittlung der genauen Höhe der Ladeleistung und gegebenenfalls höherer Ladeleistungen können durch Rechtsverordnung festgelegt werden. Dies stellt sicher, dass zeitnah auf technische Entwicklungen sowie auf eine geänderte Nachfrage reagiert werden kann.
- Nebenanlage ist eine Anlage, die den Nutzern von Schnellladepunkten während des Ladevorgangs zur Verfügung steht und die Aufenthaltsqualität erhöht, wie insbesondere Überdachung, Toiletten oder gastronomische Einrichtungen. Die Anforderungen an eine Nebenanlage können durch Rechtsverordnung festgelegt werden.
- Schnellladestandort eine Fläche, auf der mehrere Schnellladepunkte, einschließlich der für den Betrieb des Standorts erforderlichen Einrichtungen, sowie Nebenanlagen für jedermann zur Nutzung bereitgestellt werden. Der Begriff Schnellladestandort ist Bestandteil der Schnellladeinfrastruktur.
- Auftragnehmer ist wer eine neue oder bereits bestehende Schnellladeinfrastruktur im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auf der Grundlage dieses Gesetzes ganz oder teilweise technisch plant, errichtet, unterhält oder betreibt. Die Definition ist hier weit zu verstehen und umfasst auch Konzessionsnehmer im Sinne vergaberechtlicher Vorschriften. Der Begriff Auftragnehmer umfasst nicht eigenwirtschaftlich tätige Betreiber.
- Bestandsinfrastrukturanbieter ist wer bei Inkrafttreten dieses Gesetzes im Bereich der Ladeinfrastruktur mit mehr als 22 Kilowatt tätig ist.
- Mobilitätsanbieter (E-Mobility Provider, EMP) ist wer seinen Kunden den Zugang zu Ladepunkten verschafft. Das BMWi hat sicherzustellen, dass der Betreiber von Schnellladepunkten allen Mobilitätsanbietern den Zugang zu diesen diskriminierungsfrei zu marktgerechten Bedingungen anbietet.
Reduktion von Geräusch- und Feinstaubemissionen u.a.:
„Das Regelungsvorhaben hat voraussichtlich Auswirkungen auf den Bereich Emissionen von Luftschadstoffen (Indikator 3.2. a) der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, indem durch die flächendeckende Bereitstellung von Schnellladepunkten, an denen zertifizierter Grünstrom mit einer Ladeleistung von mehr als 150 Kilowatt an ein Elektrofahrzeug übertragen wird, die Reichweite von Elektrofahrzeugen und damit deren Attraktivität gesteigert werden kann. Dies wiederum beschleunigt den Markthochlauf für Elektrofahrzeuge. Das hat insbesondere positive lokale Effekte. In Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen bringen Elektrofahrzeuge durch ihren lokal emissionsfreien Fahrbetrieb eine wichtige Entlastung. So entfallen lokale NOx-Emissionen nahezu komplett. Elektrofahrzeuge verursachen zudem weniger Geräusch- und Feinstaubemissionen. Die Bremsrekuperation etwa reduziert den Abrieb der Bremse während des Bremsvorgangs und damit die Freisetzung von Feinstaub. Nach einer groben Abschätzung wird bei einer Millionen Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen Feinstaub in einer Größenordnung von bis zu 30 Tonnen pro Jahr eingespart.“ SchnellLG-E
Das Gesetz enthält im Übrigen die folgenden Regelungsinstrumente:
- Aufgaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur: Diese Regelung enthält die Aufgabenzuweisung an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie die verfassungsrechtlich gebotene Aufgabenbeschreibung.
- Auswahl und Beauftragung von Auftragnehmern: Die Regelung beschreibt das Vergabeverfahren zur Vergabe von Losen.
- Nebenbetriebe an Bundesautobahnen: Die Norm regelt Fragen, die sich im Schnittpunkt von Konzessionen für den Betrieb von Nebenbetrieben der Bundesautobahn gemäß § 15 Absatz 2 Bundesfernstraßengesetz und der mit diesem Gesetz geregelten Beauftragung/Konzession betreffend den Betrieb von Schnellladeinfrastruktur ergeben.
- Bestandsinfrastrukturanbieter: Bestandsinfrastrukturbetreiber, also Unternehmen, die bereits eigenwirtschaftliche Investitionen in Ladeinfrastruktur getätigt haben oder in sonstiger Weise in diesem Geschäftsfeld tätig sind, haben Schutzinteressen, die hier berücksichtigt sind.
- Verordnungsermächtigung: Es ist eine Ermächtigungen für das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur zum Erlass von Rechtsverordnungen vorgesehen.
- Beleihung: Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kann juristische Personen des privaten Rechts mit ihrem Einverständnis die Befugnis verleihen, Verwaltungsaufgaben nach diesem Gesetz in eigenem Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen, wenn sie die Gewähr für eine sachgerechte Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben bieten und die Beleihung im öffentlichen Interesse liegt.
Die Nutzung und Verbreitung von Elektrofahrzeugen im Markt erfolgt parallel zum Ausbau der Ladeinfrastruktur. Derzeit sind rund 443.000 elektrisch betriebene Fahrzeuge zugelassen, gleichzeitig sind rund 30.000 öffentlich zugängliche Ladeeinrichtungen verfügbar. Bis Ende 2021 sollen es 50.000 sein.
Bundesregierung, BT-Drucksache 19/24111
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