Der BGH hat mal wieder das Landgericht Berlin zurechtgewiesen. Es geht um § 556f Satz 2 BGB, wonach die Mietpreisbremse nicht anzuwenden ist auf die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung. Das Landgericht habe den Ausnahmecharakter der Vorschrift verkannt. Im Rahmen der Wertung, ob eine umfassende Modernisierung vorliegt, habe es zu Unrecht angenommen, dass finanzieller Aufwand für Instandsetzung oder Instandhaltung zu den berücksichtigungsfähigen Modernisierungskosten zählt. Und es habe erforderliche Feststellungen nicht getroffen. Die Beurteilung des Landgerichts sei von Rechtsirrtümern beeinflusst. So der BGH wenig zurückhaltend. Was also gilt wirklich?


Modernisierung und Mietpreisbremse

Das Mietrecht sieht zugunsten des modernisierenden Vermieters gestufte Ausnahmen von der Mietpreisbremse vor:

  1. Unter den Voraussetzungen des § 556e BGB erhöht sich die zulässige Miete um den Betrag einer Mieterhöhung, die im laufenden Mietverhältnis mit Rücksicht auf eine durchgeführte Modernisierung nach § 559 BGB möglich gewesen wäre.
  2. Eine weitergehende Ausnahme begründet § 556f Satz 2 BGB für den Fall der umfassenden Modernisierung, die den Vermieter für die erste nachfolgende Vermietung von der Mietenbegrenzung völlig befreit. Liegt der Ausnahmetatbestand des § 556f Satz 2 BGB vor, ist der Vermieter bei der ersten Vermietung von der Begrenzung der Miete und somit von einer konkreten Berechnung einer Mieterhöhung nach § 559 BGB in Verbindung mit § 556e BGB frei.

Umfassende Modernisierung

Eine Modernisierung von Wohnraum ist umfassend im Sinne der vorstehenden Ziff. 2, wenn sie einen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt erscheinen lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Modernisierung

  1. einerseits im Hinblick auf die hierfür angefallenen Kosten einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und
  2. andererseits wegen der mit ihrem tatsächlichen Umfang einhergehenden qualitativen Auswirkungen zu einem Zustand der Wohnung führt, der demjenigen eines Neubaus in wesentlichen Teilen entspricht.

Beide Prüfungskriterien sind dabei von grundsätzlich gleichem Gewicht.

Vertiefung: Die dagegen vereinzelt vertretene Rechtsansicht, die Feststellung der Auswirkungen der konkret durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen auf den Wohnungszustand sei entbehrlich, weil es sich bei der Frage, ob den Kosten nach ein wesentlicher Bauaufwand vorliegt, um ein Kriterium handelte, dem im Rahmen der notwendigen umfassenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls jedenfalls Vorrang zu geben wäre, verbietet sich dagegen.

Verwendbare Rückschlüsse aus dem Mietspiegel?
Der Umstand, dass ein Mietspiegel für sanierte Altbauten einen der höchsten Werte ausweist, spiegelt nach dem BGH lediglich die Wertschätzung des Markts für dieses Segment wider, lässt aber keinen tragfähigen Schluss darauf zu, ob es sich bei den durchgeführten Maßnahmen um eine umfassende Modernisierung im Sinne von § 556f Satz 2 BGB handelt.


Wesentlicher Bauaufwand

Ein im Rahmen des § 556f Satz 2 BGB zu prüfender wesentlicher Bauaufwand liegt vor, wenn er (mindestens) ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen finanziellen Aufwands – ohne Grundstücksanteil – erreicht.

  • In die Berechnung des wesentlichen Bauaufwands dürfen lediglich Kosten einfließen, die aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB angefallen sind.
  • Kosten für (reine) Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB zählen hierzu nicht.

Von dem Begriff der Modernisierung ist also die Wiederherstellung eines ehemals bestehenden Zustands nicht umfasst. Kosten, die keinen Bezug zu einer in § 555b BGB genannten Modernisierungsmaßnahme aufweisen, sondern allein der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB geschuldet sind, sind mithin von vornherein nicht in den Kostenvergleich aufzunehmen.

Bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht der Modernisierung, sondern der bloßen Instandhaltung zuzuordnen und deshalb bei dem im Rahmen des § 556f Satz 2 BGB anzustellenden Kostenvergleich nicht zu berücksichtigen ist der Fall, dass ältere Bauteile und Einrichtungen der Wohnung modernisiert werden und zwar

  • sowohl dann, wenn diese schon mangelhaft sind, als auch dann,
  • wenn sie – ohne dass ein Austausch schon unmittelbar erforderlich wäre – bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum ihrer zu erwartenden Gesamtlebensdauer abgenutzt worden sind.

Das entspricht der Rechtsprechung des BGH zur Mieterhöhung nach § 559 BGB, wonach bei einer modernisierenden Instandsetzung nicht nur Kosten für bereits „fällige“ Instandsetzungsmaßnahmen unberücksichtigt bleiben, sondern ein (zeit-)anteiliger Abzug auch dann vorzunehmen ist, wenn Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt sind, durch solche von besserer Qualität ersetzt und insoweit modernisiert werden.

Siehe schon: Modernisierung, Instandhaltung, Instandsetzung und Erneuerung: BGH klärt Kostenumlage auf Mieter und Ausnahme von der Mietpreisbremse

Für die im Rahmen des § 556f Satz 2 BGB vorzunehmende Beurteilung, ob eine umfassende Modernisierung vorliegt, gilt nichts Anderes. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass es sich bei § 556f Satz 2 BGB um eine – eng auszulegende – Ausnahmevorschrift handelt, für einen Abzug der (fiktiven) Kosten, die bei einer wertenden Betrachtung der Instandsetzung und/oder der Instandhaltung und nicht der eigentlichen Modernisierung zuzurechnen sind.

BGH

Der BGH betont das strenge Regel/Ausnahme-Verhältnis:

  • Die Vorschriften der §§ 556d ff BGB (Mietpreisbremse) dienen der Begrenzung der Miethöhe.
  • Sie sehen lediglich eng auszulegende Ausnahmen vor, unter anderem für die umfassende Modernisierung.

Vertiefung: Das hat der BGH schon zuvor zur weiteren Ausnahme einer höheren Vormiete entschieden: Neue Entscheidungen aus Karlsruhe und Berlin: BGH, BVerfG und VerfGH Bln zur Mietpreisbremse und zum Mietendeckel (siehe auch: Anmerkung zu BGH (VIII ZR 374/18): Wohnraummiete eines unmittelbar vorangegangenen Mietverhältnisses als Vormiete i. S. d. § 556e Abs. 1 Satz 1 (Mietpreisbremse), ZfIR 2021, 22).

Andernfalls würde letztlich nicht nur die umfassende Modernisierung, sondern auch die „umfangreiche Instandhaltung“ von der Mietenbegrenzung ausgenommen und der Zweck der Vorschrift des § 556f Satz 2 BGB nahezu in sein Gegenteil verkehrt.

Nach dem BGH verbietet sich daher (entgegen der Ansicht des LG Berlin und diverser Literaturstimmen),

  • auch (anteilige) Kosten für bei Gelegenheit einer Modernisierung miterledigte Erhaltungsmaßnahmen zugunsten des Vermieters zu berücksichtigen oder
  • es genügen zu lassen, dass der Vermieter an der Wohnung Bauarbeiten durchgeführt hat, die letztlich zu einem „neubaugleichen“ Zustand führen, selbst wenn das überwiegend durch bloße Instandhaltungsmaßnahmen erfolgt wäre, oder
  • anzunehmen, § 556f Satz 2 BGB bezwecke, den Vermieter bei Vornahme umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen von genauen Berechnungen in der Weise zu entlasten, dass jeder Abzug von Kosten der Instandhaltung zu entfallen habe.

Werden im Zuge der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB miterledigt, so ist also bei der im Rahmen des § 556f Satz 2 BGB erforderlichen Bestimmung des wesentlichen Bauaufwands ein (zeitanteiliger) Abzug der angefallenen Kosten insoweit vorzunehmen, als Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt sind, durch solche von besserer Qualität ersetzt werden (sog. modernisierende Instandsetzung).

Insbesondere bei der Erneuerung des Fußbodenbelags oder der Elektrik liegt – vorbehaltlich weiterer Klärung – die Annahme reiner Erhaltungsmaßnahmen oder einer modernisierenden Instandsetzung jedenfalls nicht fern.

BGH

Qualitative Auswirkungen und energetischer Zustand

Bei der Prüfung der qualitativen Auswirkungen der Modernisierungsmaßnahmen ist von maßgebender Bedeutung, ob die Wohnung durch die Arbeiten in mehreren – nicht notwendig allen – wesentlichen Bereichen (insbesondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen beziehungsweise energetische Eigenschaften) so verbessert wurde, dass die Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt ist.

Hinweis: In die diesbezügliche Beurteilung sind somit nur als Modernisierung zu qualifizierende Maßnahmen einzubeziehen, und auch diese nur unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem aktuellen Mietverhältnis um die erste Neuvermietung nach Ausführung der Maßnahmen handelt. Die Herbeiführung eines neubaugleichen Zustands reicht allein nicht aus, es kommt vielmehr gerade darauf an, dass ein neubaugleicher Zustand durch Baumaßnahmen bewirkt worden ist, die in dem gemäß § 556f Satz 2 BGB maßgeblichen Zeitrahmen durchgeführt worden sind. Man kann folglich z.B. nicht auch die – schon vor Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Vormieter vorgenommene – Heizungserneuerung einbeziehen.

Der BGH hält dem LG Berlin auch vor, dass die Frage des energetischen Zustands der Wohnung bei der Beurteilung der qualitativen Auswirkungen der Baumaßnahmen nicht unberücksichtigt bleiben kann. Dabei lässt der BGH die Frage durchblicken, ob eine umfassende Modernisierung rechtlich überhaupt ohne energetische Baumaßnahmen denkbar ist, eine Frage, die am Kern der Ausnahmevorschrift ansetzt. Denn nicht wenige Stimmen halten es (rechtspolitisch) für verfehlt, eine Ausnahme von der Mietpreisbremse zu gewähren, ohne zumindest auch die Verbesserung des energetischen Zustandes zu fordern.

Jedenfalls dürfte die Annahme, dass auch ohne jegliche energetische Baumaßnahme im konkreten Fall durch Modernisierung ein neubaugleicher Zustand geschaffen worden ist, allenfalls in Betracht kommen, wenn in mehreren anderen Bereichen besonders umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Feststellungen, die diese Beurteilung erlauben, hat das Berufungsgericht bisher nicht getroffen.

BGH

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