Der BGH hat sich zum Umfang der deliktischen Haftung des Auftragnehmers wegen fehlerhafter Werkleistung bei Errichtung eines Gebäudes geäußert und dabei am Beispiel eines Wasserschadens den deliktsrechtlichen Schutz des Auftraggebers gestärkt. Es geht um die Frage, ob und inwieweit der Auftraggeber den Auftragnehmer neben oder anstelle von vertragsrechtlichen Ansprüchen auch nach Deliktsrecht in Anspruch nehmen kann, was im Einzelfall vorteilhaft sein kann (z.B. Verjährung).

Ausgangslage ist, dass die Deliktsordnung nicht von der Vertragsordnung verdrängt wird und dass grundsätzlich jede Haftung ihren eigenen Regeln folgt:

  • Deliktische Verkehrspflichten haben nicht – wie etwa die vertragsrechtlichen Gewährleistungspflichten – zum Inhalt, auf den Erwerb einer mangelfreien Sache gerichtete Vertragserwartungen, insbesondere Nutzungs- und Werterwartungen, zu schützen (Nutzungs- und Äquivalenzinteresse).
  • Sie sind vielmehr auf das Interesse gerichtet, das der Rechtsverkehr daran hat, durch die in Verkehr gegebene Sache nicht in Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (Integritätsinteresse).

Deckt sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhaftete, dann ist er allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen, und es ist insoweit für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum.

BEISPIEL: Entsteht z.B. ein Wasserschaden in einem neu errichteten Gebäude infolge nicht fachgerechter Ausführung und Abdichtung von Hahnverlängerungen, so besteht ein deliktischer Anspruch auf Ersatz von Kosten für den Austausch der Hahnverlängerungen nicht. Da die Hahnverlängerungen bereits mangelhaft eingebaut wurden, hat der Auftraggeber von vornhererin nur mangelhaftes Eigentum erworben und liegt hinsichtlich der Hahnverlängerungen keine Eigentumsverletzung vor.

Sehr wohl kommen aber deliktsrechtliche Ansprüche auf Ersatz von Kosten für die Beseitigung der durch austretendes Wasser verursachten Schäden an anderen Bauteilen (z.B. Bodenplatte, Wände und Fußböden) in Betracht, selbst wenn diese mit vertraglichem Gewährleistungs- oder Ersatzrecht konkurrieren. Ist ein Mangel zunächst nur auf einen Teil der Sache beschränkt und behebbar (technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar) und führt er erst später zu einer Zerstörung der Sache oder zur Beschädigung anderer Teile derselben, dann hat der von dem Fehler zunächst nicht erfasste Teil der Sache einen eigenen Wert; der Mangelunwert deckt sich dann nicht mit dem Schaden. Letzterer ist deliktsrechtlich geltend zu machen.

BEISPIEL: Ist etwa ein Auswechseln der Hahnverlängerungen weitgehend ohne Zerstörung anderer Bauteile möglich, so ist unerheblich, ob Undichtigkeiten bei den Hahnverlängerungen zwangsläufig zur Beschädigung der darunter- oder dahinterliegenden Bauteile führten. Eine deliktsrechtlich geltend zu machende Eigentumsverletzung an anderen Bauteilen des neu errichtete Gebäudes scheidet nicht deshalb aus, weil die fachgerechte Ausführung und Abdichtung der Hahnverlängerungen nicht nur der Funktion der Wasserabgabe diente, sondern darüber hinaus auch verhindern sollte, dass Wasser unkontrolliert in das Gebäude eindringt.

Es kommt generell nicht darauf an, ob es sich bei der Neuerrichtung eines Gebäudes um eine Gesamtbaumaßnahme mit Arbeiten verschiedener Gewerke zur Herstellung eines Funktionszusammenhangs handelt. Entscheidend für eine deliktsrechtliche Verfolgung von Eigentumsverletzungen etwa bei einem Wasserschaden ist allein, dass das Eigentum zunächst unbeeinträchtigt war und erst später durch austretendes Wasser beschädigt wurde. Eine nach Deliktsrecht verfolgbare Eigentumsverletzung kann z.B. bei einem Wasserschaden vorliegen

  • bei Schäden infolge Durchnässung von schon vor Einbau der letztlich schadenursächlichen Installation (hier Hahnverlängerungen) vorhandener Gebäudeteile (z.B. Wände, Bodenplatte und Fußböden) und
  • auch dann, wenn Gebäudeteile erst nach Einbau der schadensursächlichen Installationen errichtet wurden.

HINWEIS: Für die Frage, ob das Integritätsinteresse des Erwerbers oder nur sein Äquivalenzinteresse beeinträchtigt ist, ist es rechtlich nicht von Bedeutung, ob er den Fehler vor dem Schadenseintritt bei normalem Lauf der Dinge entdecken konnte oder nicht. Die subjektive Erkennbarkeit ist nach dem BGH nicht entscheidend. Wesentlich ist allerdings, dass der Mangel – von objektiv technischer Warte aus gesehen – hätte aufgespürt werden können, und sei es auch erst bei gezielter Suche, sofern diese nicht mit einem unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit und Kosten verbunden gewesen wäre.


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