Der Fall
Ein aktueller Fall des BGH mit besonderer Relevanz in Zeiten hoher Rohstoff- und vor allem auch Holzpreise setzt sich u.a. mit der Leistungsposition eines Einheitspreisvertrages „Bäume fällen ohne Roden“ auseinander, wobei ein Mengenansatz von 4.500 Bäume ausgewiesen und im Übrigen vorgesehen war, dass das gesamte Holz dem Auftragnehmer zur Verwertung zuzuführen ist.
Der Auftragnehmer führte die beauftragten Leistungen aus, allerdings erwies sich dabei, dass tatsächlich nur 1.237 Bäume zu fällen waren. Der Auftragnehmer machte daraufhin vom Auftraggeber einen Ausgleich für entgangenen Verwertungserlös wegen der im Vergleich zur Mengenangabe im Leistungsverzeichnis nicht vorhandenen 3.263 Bäume geltend.
Die Entscheidung
Der Auftragnehmer scheitert beim BGH. Insbesondere greift der Verweis des Auftragnehmers auf eine Verkehrssitte nicht durch, wonach (im Straßenbau) der eigentliche Gewinn mit der Verwertung der Rohstoffe und nicht mit dem in der Kalkulation der Einheitspreise ausgewiesenen Gewinn gemacht werde. Der BGH rückt diese Erwartung zurecht:
- Die im Leistungsverzeichnis angegebene Menge der zu entsorgenden Bäume mag der Beweggrund der Auftragnehmers gewesen sei, sich an dem Ausschreibungsverfahren zu beteiligen. Rechtiche Relevanz hat das aber als solches noch nicht.
- Denn die mit dem Zuschlag erhoffte Gewinnerwartung war nicht Teil des zwischen den Parteien bestehenden Äquivalenzverhältnisses geworden. Und allein hierauf kommt es rechtlich an.
- Der Auftragnehmer war zwar vertraglich verpflichtet, die gefällten Bäume zu entfernen, um eine baureife Fläche zu schaffen.
- Als Gegenleistung für diese Leistungen schuldete der Auftragger jedoch nur den in den Einheitspreisen vereinbarten Werklohn.
- Und wichtig: Durch die Einräumung einer Verwertungsmöglichkeit an den Bäumen ist keine Verpflichtung des Auftraggebers begründet worden, dem Auftragnehmer die in dem Leistungsverzeichnis angegebene Anzahl der Bäume zur Verwertung zur Verfügung zu stellen.
Folglich konnte sich der Auftragnehmer nicht auf § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B berufen. Denn Faktoren, die nicht Bestandteil der Berechnung des ursprünglichen Einheitspreises sind, bleiben bei dessen Anpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B unberücksichtigt. Bezugsgröße für den wegen der Mengenminderung anzupassenden Einheitspreis ist ausschließlich der ursprüngliche Einheitspreis.
EXKURS:
Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B ist bei einer über zehn Prozent hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Die Erhöhung des Einheitspreises soll im Wesentlichen dem Mehrbetrag entsprechen, der sich durch Verteilung der Baustelleneinrichtungs- und Baustellengemeinkosten und der Allgemeinen Geschäftskosten auf die verringerte Menge ergibt.
Durch die Vergütungsregelung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B soll der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers den Unwägbarkeiten entzogen werden, die sich aus der unzutreffenden Einschätzung der für die Ausführung der Bauleistung erforderlichen Mengen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ergeben. Die Bestimmung trägt dem Risiko Rechnung, dass die Mengenschätzung im Zeitpunkt der Ausschreibung naturgemäß ungenau sein kann und die tatsächlichen Gegebenheiten auf der Baustelle insofern nicht genau erfasst worden sein können. Die aufgrund der Mengenminderung eingetretene Störung des Äquivalenzverhältnisses soll durch eine entsprechende Anpassung der Vergütung durch Neubildung eines einheitlichen Einheitspreises für die gesamte, tatsächlich ausgeführte Masse ausgeglichen werden.
BGH
Auch ein Rückgriff auf § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) scheiterte.
- Nach der Rechtsprechung kommt ein Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage wegen Mengenabweichungen im Einheitspreisvertrag grundsätzlich nicht in Betracht, soweit eine vertragliche Regelung wie § 2 Abs. 3 VOB/B vorhanden ist.
- § 2 Abs. 3 VOB/B enthält eine abschließende Regelung für die Über- wie Unterschreitung der Mengenansätze über 10 % hinaus, die § 313 BGB vorgeht und die nicht auf eine bestimmte prozentuale Über- wie Unterschreitung beschränkt ist.
- Die Anwendung der gesetzlichen Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage kommt allenfalls ausnahmsweise in Betracht, wenn etwa (1.) die Parteien einer Einheitspreisvereinbarung eine bestimmte Menge zugrunde gelegt haben, (2.) diese bei Abgabe des Angebots und Erteilung des Zuschlags angegebene Menge zur Geschäftsgrundlage geworden ist und (3.) diese wegen gravierender Mengenabweichung und überhöhtem Einheitspreis keine Grundlage mehr für eine Preisanpassung sein kann. Der Umstand allein, dass die Zahl der tat- sächlich vorhandenen Bäume erheblich von der Mengenangabe in der Aus- schreibung abwich, rechtfertigt nicht die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage.
Der Umstand allein, dass die Zahl der tatsächlich vorhandenen Bäume erheblich von der Mengenangabe in der Ausschreibung abwich, rechtfertigt nicht die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage.
BGH
HINWEIS:
Der BGH entnimmt sein Ergebnis einer Auslegung des Vertrages, ausgehend vom Wortlaut und insbesondere stützend auf die beiderseitige Interessenlage. Im konkreten Fall war der in der Urkalkulation von dem Auftragnehmer prognostizierte Verwertungserlös kein Bestandteil des angebotenen Einheitspreises. Bei abweichender Interessenlage kann folglich auch Abweichendes vereinbart sein und gelten. So kann im Einzelfall bei entsprechender Interessenlage und hinreichend klarer Vertragsregelung die Gewinnerwartung des Auftragnehmers auch Teil des vereinbarten Äquivalenzverhältnisses sein und eine Verpflichtung des Auftraggebers bestehen, dem Auftragnehmer eine bestimmte Anzahl zur Verwertung zur Verfügung zu stellen.
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