Der Bundesgerichtshof bestätigt seine ständige Rechtsprechung, wonach ein in einem Vertrag über Bauleistungen formularmäßig vereinbarter Gewährleistungseinbehalt dann nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Werkunternehmers führt, wenn ein fairer Ausgleich dafür vorgesehen ist, dass er

  • den Werklohn nicht sofort ausgezahlt erhält,
  • das Bonitätsrisiko des Bestellers für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen muss und
  • ihm die Verzinsung des Werklohns vorenthalten wird.


Ausreichend ist es danach, dem Werkunternehmer das Recht einzuräumen, den Einbehalt durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft abzulösen.

ACHTUNG:
Kein angemessener Ausgleich liegt in in diesem Sinne vor, wenn eine Bürgschaft auf erstes Anfordern oder eine Bürgschaft, in der auf sämtliche Einreden aus § 768 BGB zu verzichten ist, verlangt wird. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern birgt die Gefahr, dass dem Auftragnehmer über den Regressanspruch des Bürgen Liquidität für längere Zeit entzogen wird, da Gegenrechte erst in einem Rückforderungsprozess geltend gemacht werden können. Und der Verzicht auf die Rechte aus § 768 BGB bewirkt eine teilweise Aufhebung der Akzessorietät der Bürgenhaftung, indem dem Bürgen alle Einreden abgeschnitten werden, die er aus dem Hauptschuldverhältnis herleiten könnte : Er verzichtet damit umfassend auf die Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis und nicht nur darauf, diese selbst zu erheben.

Eine unangemessene Benachteiligung des Werkunternehmers liegt aber auch dann vor, wenn der Besteller im Rahmen der Sicherungsabrede die Ablösung des Gewährleistungseinbehalts durch eine Bürgschaft verlangt, die einen gegenüber dem Bürgen unzulässigen Regelungsinhalt aufweist.

  • Das ist insbesondere der Fall, wenn der Bürge in der vom Werkunternehmer zu stellenden Bürgschaft auf die Einrede der Aufrechenbarkeit verzichten soll und davon auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des Hauptschuldners umfasst sind.
  • In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH nun entschieden, dass ein formularmäßig vereinbarter Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB dagegen keinen unzulässigen Regelungsinhalt einer vom Werkunternehmer zu stellenden Gewährleistungsbürgschaft darstellt, weil der Bürge durch einen solchen Verzicht nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt wird.


Der BGH hat bereits früh und wiederholt erkannt, dass der Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden kann. Es gab aber Kritik – und manche Nebelkerze. Dem tritt der BGH nun entgegen. Der vorliegende Fall gebe keinen Anlass, die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung in Zweifel zu ziehen. Der Fall gibt aber Anlass zur weiteren Klärung, vor allem wie folgt:

  • Ein Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit gemäß § 770 Abs. 1 BGB bedeutet, dass der Bürge auf die ihm nach dieser Vorschrift zustehende Einrede verzichtet, wenn dem Hauptschuldner ein gesetzliches Anfechtungsrecht nach den §§ 119 ff. BGB zusteht, das gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des die
    Hauptforderung begründenden Rechtsgeschäfts führt. Ein solcher Verzicht ist auch in AGB zulässig. Er hat keinen erheblichen Nachteil für den Bürgen. Denn das bloße Bestehen eines Anfechtungsrechts des Hauptschuldners ist ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Hauptverbindlichkeit, solange der Hauptschuldner es noch nicht ausgeübt hat.
  • Der wirksame Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen setzt nicht die Regelung von Ausnahmen für den Fall voraus, dass die Anfechtungsgründe unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.
  • Ein solcher Verzicht ändert aber nichts daran, dass die Bürgschaftsschuld erlischt, wenn der Hauptschuldner wirksam die Anfechtung des Bauvertrages erklärt und dadurch das Erlöschen der Hauptschuld bewirkt. Sobald der Hauptschuldner den mit dem Gläubiger geschlossenen Vertrag wirksam angefochten hat, erlischt die Hauptschuld und damit auch die Bürgschaftsschuld, was der Bürge nach § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Gläubiger einwenden kann.
  • Nicht durch den Verzicht auf die Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist zudem die Arglisteneinrede des Hauptschuldners nach § 853 BGB, welche dem Bürgen nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Gläubiger zusteht, etwa bei einer Anfechtbarkeit der Hauptschuld wegen arglistiger Täuschung des Gläubigers (§ 123 BGB).
  • Weiterhin unzulässig ist aber eine Klausel, die selbst die Berufung des Bürgen auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ausschließt.

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