Bekanntlich greift ein Haftungsausschluss bei Immobilientransaktionen dann nicht ein, wenn der Verkäufer arglistig gehandelt hat. Klassischer Fall: Die Verletzung einer Aufklärungspflicht:
- Bei dem Verkauf eines Gebäudes/Grundstückes besteht eine Pflicht nur zur Offenbarung verborgener Mängel oder von Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind.
- Bei Mängeln, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind, besteht dagegen grundsätzlich keine Offenbarungspflicht; der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann.
Auch hierzu gibt es jedoch wiederum Einschränkungen:
(1) Nicht ohne weiteres erkennbar sind auch solche Mängel, von denen bei einer Besichtigung zwar Spuren zu erkennen sind, die aber keinen tragfähigen Rückschluss auf Art und Umfang des Mangels erlauben. In diesen Fällen muss der Verkäufer gemäß seinem Kenntnisstand aufklären und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhalten.
(2) Zieht der Verkäufer auf Grund eigener Sachkunde oder auf Grund eines von ihm eingeholten Gutachtens Schlüsse auf den Mangel und seine Ursachen, die sich dem Käufer bei einer Inaugenscheinnahme der Symptome nicht in gleicher Weise aufdrängen, kann der Käufer erwarten, dass ein redlicher Verkäufer ihm diese Schlussfolgerungen mitteilt.
Eben erst hat der BGH zudem entschieden: Wenn dem Verkäufer offenbarungspflichtige Tatsachen bekannt sind, ist ein arglistiges Verschweigen auch dann gegeben, wenn der wahre Umfang der aufklärungspflichtigen Tatsache nicht angegeben, sondern bagatellisiert wird (siehe hierzu: Umwelthaftung in der Immobilientransaktion nach BGB und BBodSchG wegen Altlasten(verdacht): Auf die Werte kommt es an).
Auch den Verkäufer, der durch eine unrichtige Angabe über das Kaufobjekt eine Fehlvorstellung des Käufers hervorruft, trifft eine Pflicht zur Offenbarung.
In einer aktuellen Entscheidung hebt der BGH nochmals hervor, dass die für den Käufer bestehende Möglichkeit, sich die Kenntnis des Mangels selbst zu verschaffen, die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung des Mangels nicht von vornherein ausschließt:
- Zwar darf ein verständiger und redlicher Verkäufer davon ausgehen, dass bei einer Besichtigung ohne weiteres erkennbare Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden und deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist.
- Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich Kenntnis von einem Mangel des Kaufobjekts zu verschaffen, stehen der Besichtigungsmöglichkeit aber nicht ohne weiteres gleich.
- Mit Blick auf übergebene Unterlagen, aus denen sich die Mangelhaftigkeit der Sache ergibt, ist eine Gleichstellung nur dann gerechtfertigt, wenn ein Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen als Grundlage seiner Kaufentscheidung durchsehen wird.
- Solche Umstände liegen etwa vor, wenn der Verkäufer dem Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigengutachten überreicht.
- Dagegen kann ein verständiger und redlicher Verkäufer nicht ohne weiteres erwarten, dass der Käufer Finanzierungsunterlagen, etwa eine Baubeschreibung, auf Mängel des Kaufobjektes hin durchsehen wird.
Im aktuellen Fall des BGH ging es um die Übergabe eines Bebauungsplans vom Verkäufer an den Käufer und um die vertragliche Erklärung des Käufers, ihm sei der für das Baugebiet gültige Bebauungsplan hinreichend bekannt. Das änderte nichts an der Verantwortung des Verkäufers:
Denn ein Verkäufer kann regelmäßig nicht erwarten, dass der Käufer den Bebauungsplan ohne besonderen Anlass auf mögliche Angaben zu Mängeln des Kaufgrundstücks hin durchsieht. Auch im vorliegenden Fall hatten die Kläger mangels entsprechenden Hinweises der Beklagten keinen Anlass, den 60 Seiten umfassenden Bebauungsplan darauf durchzusehen, ob dieser möglicherweise Angaben zu einer negativen Beschaffenheit des Bodens des von ihnen zu erwerbenden Grundstücks enthält.
BGH – V ZR 133/21
Für die Offenbarung des etwa in einer negativen Beschaffenheit des Bodens liegenden Mangels ist es weder objektiv noch subjektiv ausreichend, wenn der Verkäufer dem Käufer lediglich Unterlagen übergibt, die Angaben zur Bodenbeschaffenheit enthalten, ohne den Käufer auf die diesbezügliche Bedeutung der Unterlagen gesondert hinzuweisen.
Der BGH hat zudem in seinem neuen Urteil Beweiserleichterungen zugunsten des Käufers hervorgehoben und damit auch prozessrechtlich verdeutlicht, dass Verkäufer ihre Aufklärungspflicht nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfen:
- Das gilt für die Frage einer unterbliebenenen Offenbarung bei einer Täuschung durch Verschweigen. Hierbei handelt es sich um eine negative Tatsache. Und hier stößt der Käufer typischerweise auf Schwierigkeiten bei der Beweisführung. Was soll er vortragen zu einem Umstand, der tatsächlich nicht eingetreten ist (nicht erfolgte Offenlegung), außer dass er nicht eingetreten ist? Ihm hilft die sog. sekundäre Darlegungslast: Er muss lediglich die von dem Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu spezifizierende Aufklärung ausräumen.
- Auch bei der (subjektiven) Frage, ob der Verkäufer glaubt, der Käufer habe bereits hinreichende Kenntnis von dem Mangel, gelten Erleichterungen für den Käufer: Legt der Verkäufer nicht dar, dass er dem Käufer den Mangel offenbart hat, behauptet er aber gleichzeitig, er sei davon ausgegangen, dass der Käufer (anderweitig) aufgeklärt worden sei, etwa durch ihm vorliegende Unterlagen, ist es Sache des Verkäufers, diejenigen Umstände in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu konkretisieren, aufgrund derer er trotz unterbliebener eigener Aufklärung davon ausgegangen sein will, der Käufer habe Kenntnis von dem Mangel gehabt.
Auch insoweit ändert die vertragliche Erklärung des Käufers, ihm sei der für das Baugebiet gültige Bebauungsplan hinreichend bekannt, nichts.
WEITERES ZUR SCHADENSERSATZHAFTUNG
In einer weiteren Entscheidung hat der BGH auch die Höhe der Schadensersatzhaftung des Immobilenverkäufers geschärft:
(1.) Der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB kann anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden.
Siehe auch: Haftung beim Immobilienkauf: Käufer darf noch nicht aufgewendete Mangelbeseitigungskosten ohne Abzug „neu für alt“ fordern
Anders im Werkvertragsrecht: Schadensersatz und fiktive Mängelbeseitigungskosten: Neues vom BGH zum Bau-, Bauträger-, Architekten- und Ingenieurvertrag – und zur Haftung beim Wohnungskauf
(2.) Die Umsatzsteuer dagegen muss auch bezogen auf den kaufrechtlichen Schadensersatz nur ersetzt werden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Es gilt der Rechtsgedanke des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB: Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
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