Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung bestätigt, dass ein offenbarungspflichtiger Sachmangel bereits dann gegeben ist, wenn ein Altlastenverdacht besteht. Denn ein altlastenverdächtiges Grundstück weist unabhängig von dem mit dem Kauf verfolgten Zweck in aller Regel schon wegen des Risikos der öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme und wegen der mit einem Altlastenverdacht verbundenen Wertminderung nicht die übliche Beschaffenheit auf. Im konkreten Fall folgte der Altlastenverdacht bereits aus dem Vorfinden einer aufgefüllten Kiesgrube, offenbar ein weit verbreiteter Umstand in München.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind im Stadtgebiet von München bei einer Vielzahl von Altbauten verfüllte Kiesgruben vorhanden, deren Kiese zur Errichtung der Bauwerke verwendet wurden. Solche Kiesentnahmestellen wurden vor allem mit Asche- und Koksrückständen aus den damals vorhandenen zentralen Koksheizungen sowie mit Ziegelschutt, Rottlage und sonstigem Schutt aufgefüllt. Die Asche- und Koksreste enthalten häufig die auch hier aufgefundenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK). Ausweislich der von dem Berufungsgericht einbezogenen amtlichen Auskunft der Landeshauptstadt München handelt es sich bei verfüllten Kiesgruben grundsätzlich um altlastverdächtige Flächen, die deshalb in der Regel in das Altlastenkataster des Landesamt für Umwelt aufgenommen werden.
BGH – V ZR 213/21 

Von der Mangelhaftigkeit wegen eines Altlastenverdachts ist die Mangelhaftigkeit wegen einer tatsächlichen Kontamination des Bodens zu unterscheiden.

SIEHE SCHON:
Altlastenverdacht aufgrund früherer Nutzung: Kaufmangel und Risiko der Arglisthaftung
BGH zur Verkäuferhaftung bei Altlasten(verdacht): Umweltgefährdende Bodennutzung begründet offenbarungspflichtigen Mangel

Gleichwohl handelt es sich im Kern um denselben Mangel, wie der BGH nun klarstellt. Wie prägt sich das aus? Insbesondere wie folgt:

  • Die Haftung des Verkäufers für den Sachmangel, der sich aus einer früheren gefahrenträchtigen Nutzung eines Grundstücks ergibt, die einen Altlastenverdacht begründet, erfasst auch die Folgen des Verdachts, der sich realisiert. Das gilt bei einem Anspruch auf Nacherfüllung entsprechend.
  • Verschweigt der Verkäufer arglistig einen ihm bekannten Altlastenverdacht und bestätigt sich später der Verdacht, handelt er in aller Regel auch im Hinblick auf die tatsächlich vorhandenen Altlasten arglistig. In Kenntnis des Gefahrenverdachts nimmt der Verkäufer also zugleich in Kauf, dass das Grundstück tatsächlich in einem nicht unerheblichen Umfang mit Schadstoffen belastet war.

Allerdings umfasst die von dem Verkäufer wegen eines Altlastenverdachts gemäß § 439 Abs. 1 BGB geschuldete Nachbesserung zunächst nur die Ausräumung des Verdachts durch Aufklärungsmaßnahmen. Ein Altlastenverdacht rechtfertigt nicht die Sanierung des Grundstücks. Die Beseitigung von Altlasten kann der Käufer erst dann verlangen, wenn sich der Verdacht bestätigt. Eweist sich der Verdacht dagegen als unbegründet, ist ein weitergehender Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen.

HINWEIS:
Der Käufer muss im Mangelbeseitigungsbegehren lediglich die Mangelerscheinungen (Mangelsymptome) hinreichend bestimmt bezeichnen. Weitere Angaben etwa zu dem Umfang der Mangelbeseitigung sind nicht erforderlich.


Typischerweise ist daher entscheidend, ob über den Altlastenverdacht hinaus eine tatsächliche Bodenbelastung in einem Umfang vorliegt, der eine Sanierung des Grundstücks rechtfertigt. Erforderlich ist eine nicht nur unerhebliche Kontamination.

  • Wann die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist, lässt sich nicht mathematisch exakt bestimmen.
  • Haben die Vertragsparteien im Hinblick auf Altlasten keine bestimmte Beschaffenheit vereinbart, kann zur Konkretisierung aber auf die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zurückgegriffen werden.
  • Eine von der üblichen Beschaffenheit abweichende Belastung eines Grundstücks mit Schadstoffen ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn nach öffentlich-rechtlichen Kriterien eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes vorliegt (§ 2 Abs. 3 bzw. Abs. 5 BBodSchG).

Eine solche Beschaffenheit des Grundstücks ist ein Käufer nicht nur wegen der mit der Kontamination verbundenen Gefahren und der Minderung des Grundstückswerts, sondern auch wegen des Risikos der öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme (§ 4 Abs. 3 BBodSchG) in der Regel nicht bereit hinzunehmen.

BGH – V ZR 213/21 

Zur Beurteilung, ob eine Belastung des Grundstücks mit Schadstoffen einen Sachmangel darstellt, können die zur behördlichen Gefährdungsabschätzung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BBodSchG maßgeblichen Prüf- und Maßnahmenwerte herangezogen werden.

  • Die in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung festgelegten Prüfwerte sollen die Belastungsschwelle definieren, deren Überschreiten das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast signalisiert und die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Prüfung indiziert. Die festgelegten Prüfwerte stellen aber keine Grenzwerte im Sinne verbindlich festgelegter Höchstwerte von Schadstoffkonzentrationen dar, sondern sind lediglich Beurteilungshilfen für die Gefährdungsabschätzung und dienen der Entscheidung über weitere Sachverhaltsermittlungen.
  • Aufgrund der lediglich indiziellen Bedeutung der festgelegten Prüfwerte kann der Tatrichter bei seiner Beurteilung, ob mangels Überschreitens der Prüfwerte ein Sachmangel des Grundstücks bereits ausgeschlossen ist, von dem durch die Werte vorgegebenen Regelfall abweichen, wenn dies besondere Umstände gebieten. Derartige Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn sich die mit der Festsetzung des Prüfwerts verbundene Annahme, eine Gefährdung für die menschliche Gesundheit sei unterhalb eines bestimmten Wertes ausgeschlossen, nachträglich als unzutreffend erweist und stattdessen niedrigere Prüfwerte wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen.

PRÜFWERTE:
Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBodSchG sind Prüfwerte solche Werte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der Bodennutzung eine einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen und festzustellen ist, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt. Ihr Überschreiten erhärtet einen bisher lediglich allgemein bestehenden Verdacht, rechtfertigt aber nicht bereits die Annahme einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast.
Hieraus folgt:
(1.) Liegen der Gehalt oder die Konzentration eines Schadstoffes unterhalb des jeweiligen Prüfwertes, ist insoweit der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nach § 4 Abs. 2 Satz 1BBodSchV ausgeräumt. In diesem Fall weist das Grundstück regelmäßig auch die übliche Beschaffenheit auf, ein Mangel liegt nicht vor.
(2.) Durch das Überschreiten von Prüfwerten lässt sich ein über einen Altlastenverdacht hinausgehender Sachmangel aufgrund der Belastung des Grundstücks mit Schadstoffen nicht begründen. Die Überschreitung von Prüfwerten erhärtet „lediglich“ einen bereits bestehenden (allgemeinen) Verdacht.

MAßNAHMEWERTE:
Maßnahmenwerte sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBodSchG solche Werte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der jeweiligen Bodennutzung in der Regel von einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast auszugehen ist. Sie kennzeichnen die Gefahrenschwelle, bei deren Überschreiten im Regelfall Sanierungs-, Schutz- oder Beschränkungsmaßnahmenausgelöst werden.
Hieraus folgt:
Wird die Gefahrenschwelle überschritten, ist regelmäßig auch eine Abweichung des Grundstücks von der üblichen Beschaffenheit anzunehmen und damit ein Sachmangel wegen erwiesener Kontamination anzunehmen.

NICHT FESTGESETZTE WERTE:
Fehlen für bestimmte Substanzen festgesetzte Werte, ist die bestehende Regelungslücke nach § 4 Abs. 5 Satz 1 BBodSchV zu schließen. Danach sind, wenn für einen Schadstoff die Festsetzung von Prüf- oder Maßnahmenwerten fehlt, für dessen Bewertung die zur Ableitung der entsprechenden Werte in Anhang 2 der Verordnung herangezogenen Methoden und Maßstäbe zu beachten. Es hat die bei einer Überschreitung von Prüfwerten nach § 3 Abs. 4 Satz 2 BBodSchV grundsätzlich erforderliche Detailuntersuchung zu erfolgen, auf deren Grundlage dann im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen ist, ob die Bodenbelastung das Ergreifen bestimmter Sanierungsmaßnahmen erfordert.

Nicht zuletzt die komplizierte Materie in technischer und rechtlicher Hinsicht sowie die hohe Haftungsrelevanz kann für den Verkäufer im Regelfall nur bedeuten, den Käufer möglichst weitgehend über die relevanten Umweltsachverhalte aufzuklären. Hier wartet aber schon die nächste Herausforderung. Im entschiedenen Fall hatte der Verkäufer im Kaufvertrag auf die Altlastenproblematik hingewiesen. Das aber hinderte nicht den Arglistvorwurf gegenüber dem Verkäufer:

Wenn dem Verkäufer offenbarungspflichtige Tatsachen bekannt sind, ist ein arglistiges Verschweigen auch dann gegeben, wenn der wahre Umfang der aufklärungspflichtigen Tatsache nicht angegeben, sondern bagatellisiert wird.

BGH – V ZR 213/21 

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