Der BGH (Urt. v. 26.02.2016 – V ZR 208/14) hat sich anhand eines Bauträgervertrages mit der Frage beschäftigt, ob der Immobilienverkäufer dem Käufer ein Kaufangebot vorformulieren kann, in dem sich der Käufer langfristig an sein Angebot bindet, der Verkäufer das Angebot aber erst annehmen kann (muss), wenn der Käufer mitgeteilt hat, dass die Finanzierung gesichert ist.
Der rechtliche Maßstab
Soweit es sich bei dem vom Verkäufer vorformulierten Kaufangebot des Käufers um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist § 308 Nr. 1 BGB zu beachten, wonach eine Bestimmung unwirksam ist, durch die sich der Verwender unangemessen lange Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots vorbehält.
Die Norm soll die andere Vertragspartei vor einem unangemessen langen Schwebezustand schützen. Sie ist weit auszulegen und auf alle vorformulierten Erklärungen anzuwenden, mit denen sich der Verwender über den für eine Angebotsprüfung angemessenen Zeitraum hinaus die Annahme vorbehält. Sie gilt demnach auch für Bindungsklauseln, Fortgeltungsklauseln und aufschiebend bedingte Angebote.
Nach dem gesetzlichen Leitbild des BGB gilt für ein Vertragsschluss unter Abwesenden, dass
- ein Angebot mit der Abgabe wirksam wird,
- dadurch die gesetzliche Annahmefrist von vier Wochen (bei Immobilienkaufverträgen/ Bauträgerverträgen) in Gang gesetzt wird und
- bei nicht fristgerechter Annahme das Angebot automatisch erlischt.
Hieran muss sich die Angebots- und Vertragsgestaltung messen lassen. In dem vom BGH entschiedenen Fall wurden diese Anforderungen verfehlt.
Wirksamkeitsgrenzen
Wird dem Käufer bei einem finanzierten und beurkundungsbedürftigen Vertrag, dessen Abschluss regelmäßig eine Bonitätsprüfung vorausgeht, auferlegt, dass er mehr als sechs Wochen an sein Kaufangebot gebunden ist, so ist dies unwirksam, es sei denn, der Verwender hat überwiegende schutzwürdige Interessen an einer längeren Bindungsfrist des Käufers.
Angesichts elektronischer Kommunikationsmittel können jedoch ein erhöhter Koordinierungsaufwand wegen einer Vielzahl an Beteiligten und geographische Entfernungen eine Verlängerung der Frist nicht mehr rechtfertigen.
Im entschiedenen Fall hat der BGH eine dreimonatige Bindungsfrist, die mit einer Fortgeltungsklausel versehen war (= das Angebot blieb auch nach Ablauf der Bindungsfrist als jederzeit widerruflich bestehen), für unwirksam angesehen.
Auch die folgenden Gestaltungsvarianten können nichts an der Unwirksamkeit ändern bzw. sind ebenfalls unwirksam:
- Wartefrist des Verkäufers: Der Verkäufer darf das Kaufangebot des Käufers nicht annehmen, bevor die Finanzierungszusage der Bank oder die Mitteilung des Käufers abgegeben worden ist, dass die Finanzierung gesichert ist.
- Widerruflichkeit des Angebots: Dem antragenden Käufer wird ein (inhaltlich beschränktes) Lösungsrecht eingeräumt bzw. das Angebot wird von vornherein unter den Vorbehalt des Widerrufs gestellt.
- Aufschiebende Bedingung: Das Angebot des Käufers ist aufschiebend bedingt durch dessen Erklärung, dass die Finanzierung gesichert ist.
Schutzverlust des Käufers durch Umsatzsteueroption?
Die Käufer hatten in dem vom BGH entschiedenen Fall nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optiert. Sie wurden damit nicht nur im Sinne des UStG, sondern auch im Sinne des BGB zu Unternehmern. Damit war der Verbraucher schützende § 308 BGB nicht unmittelbar anwendbar. Der vorliegende Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB indiziert jedoch die Unwirksamkeit auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr – über das allgemeine Verbot der unangemessen Benachteiligung nach § 307 BGB.
Im konkreten Fall, in welchem die Käufer die Absicht hatten, als Verbraucher durch eine Vermögensanlage Steuern zu sparen, und nur durch die Umsatzsteueroption aus dem Schutzbereich des § 308 BGB herausgefallen waren, möchte der BGH hohe Anforderungen an die Erschütterung dieser Indizwirkung stellen.
Apropos Umsatzsteueroption:
Nach dem BFH (Urt. v. 21.10.2015 – XI R 40/13) gilt: Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird.
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