Der Fall
Der Auftraggeber eines Bauvertrages ließ sich vom Bieter und späteren Auftragnehmer eine Probefläche anmalen. Da diese das vom Auftraggeber gewünschte Schneeweiß aufwies, beauftragte er den Auftragnehmer mit den Malerarbeiten für die Produktionshalle seiner Großbäckerei. Mangels Farbstabilität vergilbte das Weiß jedoch schon nach 1/2 Jahr.
Der Auftraggeber machte Gewährleistungsrechte geltend – und scheiterte zunächst bei den Gerichten. Die Situation schien für den Auftraggeber nach dem, was er sich sagen lassen musste, zunächst aussichtslos:
- Das Werk entspreche der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit.
- In Bezug auf die Farbstabilität gebe es keine übliche Beschaffenheit.
- Durch die Anlegung einer Probefläche habe der Auftragnehmer keine Gewähr dafür übernommen, dass deren Eigenschaften dauerhaft oder für einen bestimmten Zeitraum erhalten blieben.
- Das Werk sei funktionstauglich.
- Die Arbeiten seien nach den anerkannten Regeln der Technik erfolgt.
- Für die Vergilbung und den Vergilbungsgrad gebe es keine technischen Regelwerke und keine Verkehrsüblichkeit.
- Es hätten sich keine Anhaltspunkte für Ausführungsfehler ergeben.
- Die eingesetzten Farben seien für den Einsatz in einer Großbäckerei nicht ungeeignet.
- Eine dauerhafte Farbstabilität sei bei weißen und hochweißen Farbtönen nicht realisierbar.
Doch dann kam der BGH…
Die Entscheidung
Der BGH, Urteil vom 31. August 2017 – VII ZR 5/17, lässt all das nicht gelten und hält den Vorinstanzen einen Verstoß gegen den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung entgegen. Nicht hinreichend berücksichtigt wurde demnach, dass bei der Auslegung im Hinblick auf eine etwaige Beschaffenheitsvereinbarung die berechtigte Erwartung des Bestellers an der Werkleistung von Bedeutung ist.
Der Beklagte [Auftraggeber] durfte mangels Erörterung des Vergilbungsrisikos vor oder bei Vertragsschluss und mangels besonderen Fachwissens zu dieser Problematik angesichts der beträchtlichen Kosten der Malerarbeiten die berechtigte Erwartung hegen, dass der nach der Besichtigung der Probefläche festgelegte Weißanstrich – übliche Reinigung vorausgesetzt – nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilben würde.
Der BGH ließ damit auch das Argument der Vorinstanz nicht gelten, welche gemeint hatte, es sei unerheblich, ob die Eigenschaften der Probefläche als vereinbarte Beschaffenheit der Werkleistung gälten, da auch die Probefläche nach Ablauf eines halben Jahres keine anderen Eigenschaften aufweise als die übrigen behandelten Flächen.
Der BGH bejahte mithin trotz all der eingangs genannten Einwände der Vorinstanz die Möglichkeit eines Auslegungsergebnisses, wonach hinsichtlich der Farbstabilität des Weißanstrichs eine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung zu Stande gekommen ist – und verwies nach Aufhebung an die Vorinstanz zurück.
Fazit
Die Entscheidung macht erneut das Folgende deutlich:
Der Auftragnehmer kann dem Auftraggeber nicht vor Vertragsschluss eine bestimmte Produktqualität präsentieren, um sich sodann auf fehlende Beschaffenheitsvereinbarungen oder auf technische Hindernisse zu berufen. Er muss die berechtigte Erwartungshaltung des Auftraggebers beachten, die mit seiner Investitionsentscheidung auf Grundlage der Angaben des Auftragnehmers verbunden ist, insbesondere wenn das Investitionsvolumen beträchtlich ist.
Die eingangs dargestellten Einwände mögen alle richtig sein. Nur entlasten sie den Auftragnehmer nicht zwingend, wenn er sie erst nach Vertragsschluss vorträgt. Jedenfalls bei einem in dieser Sache nicht besonders fachkundigen Auftraggeber ist es die Obligenheit des Auftragnehmers, diese Umstände und Risiken mit dem Auftraggeber zu erörtern – und zwar vor Vertragsschluss.
Siehe auch:
© Copyright by Dr. Elmar Bickert