Der BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 211/15, hat die Rechte des Käufers bei einer mangelhaften Lieferung gestärkt und sowohl einen Zahlungsverzug wie auch einen Annahmeverzug des Käufers verneint, der wegen angeblich nur geringfügiger Mängel seine Leistungen verweigert:


Verweigerung der vollständigen Kaufpreiszahlung

Gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB kann im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages jede Vertragspartei, sofern sie nicht zur Vorleistung verpflichtet ist, die ihr obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. § 320 BGB verfolgt den doppelten Zweck,

  • dem Gläubiger, der am Vertrag festhalten will, sowohl den Anspruch auf die Gegenleistung zu sichern als auch
  • Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihn zu vertragsgemäßer Leistung anzuhalten.

Mit diesem Zweck ist es nach dem BGH nicht vereinbar, eine Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des gesamten oder überwiegenden Teils des Kaufpreises bereits im Zeitpunkt der mangelhaften Lieferung zu bejahen. Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, die Kaufsache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Kommt er dem nicht nach, kann der Käufer im Gegenzug die Zahlung des Kaufpreises verweigern bis die Kaufsache mangelfrei geliefert worden ist.

Dies gilt – im Hinblick auf den vollständigen Kaufpreis – grundsätzlich auch bei geringfügigen Mängeln. Nur ausnahmsweise kann der Käufer die Zahlung des Kaufpreises gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht oder nicht vollständig verweigern wenn dies nach den Gesamtumständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers, gegen Treu und Glauben verstößt.


Verweigerung der Abnahme

Im Hinblick auf die Pflicht des Verkäufers zur Verschaffung einer mangelfreien Kaufsache (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist der Käufer gemäß § 273 Abs. 1 BGB (§ 320 BGB greift insoweit nicht) berechtigt, die Abnahme der mangelhaften Sache zu verweigern, solange sie ihm nicht in mangelfreiem Zustand angeboten wurde.

Dieses Zurückbehaltungsrecht muss ausgeübt werden, wenngleich nicht ausdrücklich. Es kann auch stillschweigend ausgeübt werden, etwa indem der Käufer die Behebung des Mangels verlangt und erklärt, die Kaufsache zurückzuweisen.

Der BGH hat nun erstmals entschieden, dass der Käufer bei behebbaren Mängeln grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann, auch wenn die Mängel geringfügig sind. Auch bei geringfügigen Mängeln muss der Käufer also die Sache nicht abnehmen, sondern darf sie bis zur Beseitigung des Mangels zurückweisen.

Denn dadurch erhält der Käufer das erforderliche und nach der gesetzlichen Konzeption vorgesehene Druckmittel, um den Verkäufer zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages anzuhalten; der Verkäufer kann somit in aller Regel nicht verlangen, dass der Käufer die mit einem Mangel behaftete Sache zunächst annimmt, um sodann Sachmängelrechte geltend zu machen.

Dies unterscheidet also das Kaufvertragsrecht vom Werkvertragsrecht. Nach der werkvertraglichen Regelung des § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Besteller die Abnahme des Werkes wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigern. Die Abnahme eines Werkes darf also nur wegen mehr als geringfügiger Mängel versagt werden kann. Diese Regelung ist aber werkvertragsspezifisch auf den Schutz des Auftragnehmers ausgerichtet und kann auf das Kaufrecht auch nicht entsprechend angewendet werden.

Allerdings gilt auch im Kaufvertragsrecht das Verbot unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB), das es dem Käufer verbietet, die Abnahme in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise auszuüben.

Im Hinblick auf die Verpflichtung des Verkäufers zur Verschaffung einer von Sach- und Rechtsmängeln freien Sache (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist der Käufer bei behebbaren Mängeln, auch wenn sie geringfügig sind, grundsätzlich berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des (vollständigen) Kaufpreises und gemäß § 273 Abs. 1 BGB die Abnahme der gekauften Sache bis zur Beseitigung des Mangels zu verweigern, soweit sich nicht aus besonderen Umständen ergibt, dass das Zurückbehaltungsrecht in einer gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden Weise ausgeübt wird.


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