Es ist der Klassiker unter den Mietrechtsstreitigkeiten. Der Mieter behauptet Mängel und zahlt deshalb die Miete nicht bzw. nicht vollständig. Der Vermieter bestreitet den Mangel und kündigt dem Mieter im Gegenzug wegen Zahlungsverzug. In diesem Patt können sich beide Parteien die Finger verbrennen, wie der BGH nun verdeutlicht.

  • Nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BGB etwa kann der Vermieter aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
  • Andererseits steht dem Mieter ein verzugsausschließendes Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, wenn der Vermieter seine Hauptpflicht, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), nicht oder nicht vollständig erfüllt.

Das Landgericht Düsseldorf hatte nun eine äußerst vermieterfreundliche Lösung der Pattsituation befürwortet: Das Zurückbehaltungsrecht des Mieters entfalle schon dann, wenn der Vermieter behauptet, den Mangel inzwischen beseitigt zu haben. Das lässt der BGH nicht gelten.

Eine solche Behauptung ist jedenfalls für sich genommen nicht geeignet, den Zweck des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts als verfehlt anzusehen. Mit seiner gegenteiligen Beurteilung hat das Berufungsgericht verkannt, dass damit das Zurückbehaltungsrecht als Druckmittel des Gläubigers (hier des Mieters) völlig entwertet würde, denn es stünde dann letztlich in dem Belieben des Schuldners (hier des Vermieters), das Zurückbehaltungsrecht des Mieters (allein) durch Bestreiten des Bestehens oder des Fortbestehens eines Mangels zu unterlaufen.

Bundesgerichtshof

Der BGH gibt aber auch dem Mieter nicht freie Hand. Denn das Zurückbehaltungsrecht des Mieters hat immanente Grenzen.

  • Das Zurückbehaltungsrecht erfüllt den Zweck, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangelbeseitigung anzuhalten.
  • Das Zurückbehaltungsrecht entfällt daher, wenn dieser Zweck verfehlt wird oder nicht mehr erreicht werden kann. Es entfällt, wenn das Zurückbehaltungsrecht die Funktion, den Vermieter zur Mängelbeseitigung anzuhalten, offensichtlich nicht mehr erfüllen kann.
  • Das Zurückbehaltungsrecht endet folglich
    • bei der (erwiesenen) Beseitigung des Mangels,
    • bei Beendigung des Mietverhältnisses und
    • wenn der Mieter dem Vermieter beziehungsweise den von ihm mit der Prüfung und Beseitigung der Mängel beauftragten Personen den Zutritt zur Wohnung nicht gewährt oder sonst die Duldung der Mangelbeseitigung verweigert.

Hinweis: In diesen Fällen werden die zurückbehaltenen Beträge in ihrer Gesamtheit grundsätzlich sofort zu Zahlung fällig.

Der BGH betont darüber hinaus eine zeitliche und betragsmäßige Begrenzung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB:

  • Der insgesamt einbehaltene Betrag muss betragsmäßig in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels stehen.
  • Auch ein der Höhe nach angemessenes Leistungsverweigerungsrecht kann nicht zeitlich unbegrenzt ausgeübt werden. Wenn das Zurückbehaltungsrecht über einen gewissen Zeitraum seinen Zweck nicht erreicht hat muss sich der Mieter auf seine sonstigen Rechte verweisen lassen, die er bei Fortbestand des Mangels neben der Minderung geltend machen kann.

Denn mit dem Zweck des Zurückbehaltungsrechts als eines nur vorübergehenden Leistungsverweigerungsrechtes wäre es nicht vereinbar, wenn sich der Mieter quasi auf Dauer mit einem (neben der Minderung) einbehaltenen Betrag als Kompensation für den Mangel „einrichten“ würde, ohne dass dessen Beseitigung angestrebt wird und hierfür Maßnahmen ergriffen werden.

Bundesgerichtshof

Was also kann der (Wohnraum-) Mieter machen, wenn die Zeit des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB abläuft?

  • Minderung der Miete
  • Klage auf Mangelbeseitigung
  • Schadensersatz im Falle des Verzugs des Vermieters mit der Mangelbeseitigung
  • Eigene Mangelbeseitigung und Ersatz der Aufwendungen bzw. Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten, mit dem der Mieter gegen die Miete gegebenenfalls aufrechnen kann
  • Kündigung, gegebenenfalls in Kombination mit der Geltendmachung des Kündigungsfolgeschadens

© Copyright by Dr. Elmar Bickert