Der BGH hat in einem neuen Urteil Grundlegendes zur Wohnflächenermittlung und zur Bedeutung von Wohnflächenabweichungen im Mietvertragsrecht entschieden.

Zur Bedeutung von Flächenabweichungen im Rahmen von Mieterhöhungen

Im Rahmen einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 1 BGB) ist wie folgt zu differenzieren:

  • Zunächst bestätigt der BGH seine noch recht junge Rechtsprechung von 2015, wonach Wohnflächenabweichungen bei der Grenze der Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden müssen. Die Größe der Wohnung (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB) ist nach der tatsächlichen und nicht nach der vertraglich vereinbarten Wohnfläche zu berechnen (siehe schon: Rechtsprechungsänderung zu Mietflächenabweichungen: Realität schlägt Vertrag). Damit wird vermieden, dass der Mieter eine im Verhältnis zur Wohnfläche überhöhte Miete zahlt. Der Vermieter kann bzw. muss also im Rahmen einer Mieterhöhung nach § 558 BGB die tatsächliche Wohnungsgröße ansetzen:
    • Sind die Mietflächen im Vertrag zu niedrig angegeben, kann der Vermieter die Miete auf Grundlage der größeren tatsächlichen Wohnfläche erhöhen.
    • Sind die Mietflächen im Vertrag zu groß angegeben, kann der Vermieter die Miete nur auf Grundlage der niedrigeren tatsächlichen Wohnfläche erhöhen.
  • Dagegen bleiben nach der neuen BGH-Entscheidung und entgegen anderlautender Ansicht Mietminderungen wegen nicht unerheblicher Wohnflächenabweichungen bei der Bestimmung der für die Berechnung der Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) maßgebenden Ausgangsmiete unberücksichtigt. Maßgeblich bleibt insoweit allein die vertraglich vereinbarte Miete.

Diese Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses infolge der Flächenabweichung wird ausschließlich über das Gewährleistungsrecht ausgeglichen. Für eine (faktische) Vertragsanpassung, vorliegend durch Annahme einer herabgesetzten Ausgangsmiete, ist kein Raum. Die Miete bestimmt sich nach dem Vereinbarten und nicht danach, wie sie möglicherweise fiktiv hätte gebildet werden können. Somit bleibt trotz der Minderung der Vertragsinhalt und damit auch die vertraglich festgelegte Miethöhe unberührt.

Bundesgerichtshof

Zur Bedeutung von Flächenabweichungen im Rahmen der Gewährleistung

Der BGH bestätigt die gewährleistungsrechtliche Relevanz von Flächenabweichungen. Nach seiner ständigen Rechtsprechung

  • beinhaltet die in einem Wohnraummietvertrag angegebene Wohnfläche, auch bei einer „ca.“-Angabe, im Allgemeinen zugleich eine dahingehende vertragliche Festlegung der Sollbeschaffenheit der Mietsache im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung und
  • liegt ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§536 Abs. 1 Satz 3 BGB) vor, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt.

Zur Bedeutung von Flächenabweichungen im Rahmen der Mietsicherheit

Nach dem BGH bemisst sich die Höhe der Mietsicherheit nach § 551 Abs. 1 BGB im Falle eines anfänglichen, unbehebbaren Mangels an der geminderten Miete. So hat der Vermieter bei dauerhafter Mietminderung infolge einer Wohnflächenabweichung nach der Rechtsprechung kein anerkennenswertes Sicherungsinteresse an einer Mietkaution in Höhe des Dreifachen der vereinbarten Nettomiete.

Zum Berechnungsmaßstab

Nach dem BGH ist der Begriff der „Wohnfläche“ im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen.

Etwas anderes gilt dann, wenn die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender ist.

  • Mit dem Begriff des ortsüblichen Berechnungsmodus ist eine beste-hende örtliche Verkehrssitte zur Wohnflächenberechnung gemeint.
  • Eine solche maßgebliche Verkehrssitte als eine die beteiligten Verkehrskreise untereinander verpflichtende Regel verlangt, dass die Vorgehensweise bei Mietern und Vermietern Zustimmung gefunden hat.
  • Eine solche maßgebende Verkehrssitte setzt voraus, dass abweichend von den sonst anwendbaren Bestimmungen ein anderes Regelwerk, mithin die II. Berechnungsverordnung, die DIN 283 oder die DIN 277 insgesamt angewendet wird.  

Das Berufungsgericht hat (letztlich) zu Recht darauf abgestellt, dass nach der Senatsrechtsprechung ein abweichender örtlich üblicher Berechnungsmodus als Grundlage der Wohnflächenermittlung nur dann in Betracht kommt, wenn sich eine Verkehrssitte zur Anwendung eines anderen Regelwerkes gebildet hat. Denn die Ermittlung der Wohnfläche kann sinnvollerweise nur aufgrund eines einheitlichen, in sich geschlossenen Regelwerks vorgenommen werden, weil anderenfalls Wertungswidersprüche zumindest möglich und sachgerechte Ergebnisse nicht sichergestellt sind.

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  • Es reicht daher nicht aus, dass ein erheblicher oder auch überwiegender Teil der Marktteilnehmer ein Regelwerk unzutreffend anwendet oder verschiedene Regelwerke miteinander vermischt.
  • Auch kommt es nicht darauf an, ob sich bezüglich der Berechnung einer Teilfläche eine bestimmte Übung der Mehrheit der Marktteilnehmer herausgebildet hat.

Besteht nach Maßgabe des Vorstehenden keine solche Verkehrssitte und haben die Parteien dem Begriff der Wohnfläche nicht im Einzelfall eine andere Bedeutung beigemessen, so bleibt es bei dem Grundsatz, dass das Regelwerk insgesamt für die Berechnung der Wohnfläche maßgeblich ist, das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den preisgebundenen Wohnraum anzuwenden war. In dem vom BGH entschiedenen Fall aus Berlin war dies die Wohnflächenverordnung (WoFlV).

Die gravierende Folge:
Der straßenseitige Balkon war nach der anzuwendenden Wohnflächenverordnung nur mit einem Viertel anzurechnen.


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