Am heutigen 18. Juni 2019 hat der Berliner Senat auf Vorlage der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz mit Mietendeckel und Mieterhöhungsmoratorium beschlossen. Schon zuvor war das Eckpunktepapier der Senatorin in die Öffentlichkeit gelangt und hatte zum Teil heftige Kritik ausgelöst bis hin zu Kursverlusten bei börsennotierten Wohnungsunternehmen.

Damit geht die erstaunliche Karriere des neuen Rechtsinstruments „Mietendeckel“ trotz aller Kritik in die nächste Runde.

Zwischenzeitlich gab es auf Berliner Landesebene Gegenentwürfe zum Eckpunktepapier der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, die in Frage stellten, ob die Vorstellung des Eckpunktepapiers einer gerichtlichen Überprüfung standhält und verhältnismäßig ist. Als Alternative zu einem Berliner Mietendeckel im Sinne des Eckpunktepapiers wurde etwa vorgeschlagen:

  • Kein rückwirkender Eingriff in die bei Inkrafttreten des Mietdendeckels bereits bestehenden Mietverträge.
  • Kein Einfrieren von Mieten, um nicht den Neubau zu erschweren und um Vermieter nicht zu bestrafen, die bislang nur moderat die Mieten erhöht haben: Mieterhöhungen im Bestand nach § 558 Abs. 3 BGB nur in Höhe von 2% pro Jahr, bei Neuvermietung im Bestand Mieterhöhung maximal in Höhe von 10% über Vormiete bis zur Höhe der ortsübliche Vergleichsmiete, keine Herabsetzung von Vormieten oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Erstvermietung im Neubau (Fertigstellung ab Anfang 2015) unterliegt nicht dem Mietendeckel.
  • Modernisierungen: Aussetzung der Modernisierungsumlage, wobei Modernisierungsvereinbarungen möglich bleiben sollen und die Förderung von energetischen Modernisierungen durch das Land ausgebaut werden soll.
  • Einschränkung von Möbilisierungszuschlägen und Eigenbedarfskündigungen.

Die Kritiker scheinen sich nicht durchgesetzt zu haben, zumindest bis heute. Es wird berichtet von heftigen Auseinandersetungen innerhalb der Berliner Politik und Verwaltung. Ergebnis des heutigen Beschlusses ist daher ein sehr weitreichender Mietendeckel, nah am Eckpunktepapier der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. Nach Mitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen vom 18.06.2019 haben die beschlossenen Eckpunkte den folgenden Inhalt:

  1. Die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten erfolgt durch ein Landesgesetz, welches Anfang 2020 in Kraft treten soll. 
  2. Die Regelungen sollen grundsätzlich [!] mit dem Zeitpunkt der heutigen Beschlussfassung der Eckpunkte durch den Senat greifen, um zu verhindern, dass die Mieten noch kurzfristig erhöht werden.
  3. Die Regelungen zur Miethöhe sollen auf fünf Jahre befristet werden.
  4. Das Berliner Mietengesetz soll für alle nicht preisgebundenen rund 1,5 Millionen Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern gelten. Bereits mietpreisgebundene Wohnungen sollen ausgenommen werden.
  5. Für alle bestehenden Mietverhältnisse soll künftig ein gesetzlich festgelegter Mietenstopp gelten. Es werden Mietobergrenzen festgelegt, auf die bereits sehr hohe Mieten auf Antrag abgesenkt werden können.
  6. Bei Vermietung von Wohnungen darf höchstens die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis vertraglich vereinbart werden, sofern diese die jeweils festgelegte Mietobergrenze nicht übersteigt.
  7. Wohnungsneubau wird vom Gesetz gänzlich ausgenommen.
  8. Für Modernisierungsumlagen werden besondere Genehmigungs- und Anzeigepflichten für Vermieterinnen und Vermieter eingeführt. Modernisierungsumlagen, durch die die Bruttowarmmiete um mehr als 0,50 €/m² monatlich steigt, werden genehmigungspflichtig.
  9. Wirtschaftliche Härtefälle der Vermieterinnen und Vermieter sind auf Antrag zu genehmigen, wenn eine wirtschaftliche Unterdeckung nachgewiesen wird. Es können dann im Einzelfall abweichend Mieterhöhungen und höhere Mietvereinbarungen genehmigt werden. Den davon betroffenen Mieterinnen und Mietern wird, sofern sie WBS-berechtigt sind, ein finanzieller Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen genehmigter Miete und der Mietobergrenze gewährt.
  10. Verstöße gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes sollen als Ordnungswidrigkeit und mit Geldbuße geahndet werden können.

Die genaue Ausgestaltung soll im Rahmen der Erstellung des Gesetzentwurfes erfolgen. Nächste Station des Senats: Beschluss über den Gesetzesentwurf im Oktober 2019 zur Einleitung des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens mit dem Ziel des Inkraftsetzens Anfang 2020. Die Anhörung der Verbände, die Beratungen im Abgeordnetenhaus und möglicherweise auch die Auseinandersetzungen innerhalb des Senats mögen noch Raum lassen für Änderungen und Abmilderungen. Und so deuten Formulierungen wie „grundsätzlich“ auf die ein oder andere Variable hin, die sich der Senat möglicherweise offenhalten möchte. Das letzte Wort dürfte noch längst nicht gesprochen sein.

So oder so, kommt der Mietendeckel tatsächlich, sind rechtliche Auseinandersetzungen garantiert. An vorderster Front steht die grundlegende Wirksamkeitsfrage: Darf das Land Berlin das? Oder ist das nicht eher Bundeszuständigkeit? Nicht ohne Grund wird zwischenzeitlich auch ein bundesweiter Mietendeckel diskutiert.

Und nicht ohne Grund spricht der erste Punkt der nun beschlossenen Eckpunkte von einer öffentlich-rechtlichen Begrenzung der Mieten. Denn damit soll die Länderzuständigkeit für den Mietendeckel begründet werden. Nach diesem Verständnis gehört der Mietendeckel zum „Öffentlichen Mietrecht“, das als Mietsteuerungsrecht oder Mietlenkungsrecht (Mietverwaltungsrecht) verstanden und vom privaten Mietvertragsrecht des BGB unterschieden werden soll. Wieso dieser dogmatische Begründungsaufwand? Öffentliches Mietrecht auf Länderebene sei durch die Bundeszuständigkeitsbeschreibung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für das bürgerliche Recht einschließlich des Mietrechts nicht gesperrt (siehe schon hier). So die Vorstellung der Befürworter eines Mietendeckels durch Landesrecht. Eine alles andere als gesicherte Vorstellung, wie neue rechtliche Untersuchungen zeigen.

Selbst aber wenn man eine Landeszuständigkeit bejahen sollte: Auch auf der Ebene der materiellen Rechtmäßigkeit wird sich der Mietendeckel je nach konkreter Ausgestaltung voraussichtlich erheblichen Angriffen ausgesetzt sehen – Ausgang offen.


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