Der Fall
Ein Fassadenbauer nimmt seinen Auftraggeber auf Restvergütung aus einem Einheitspreisvertrag in Anspruch.
Hinsichtlich der Fassadendämmung hatte die von dem Fassadenbauer ausgeführte Menge den im Einheitspreisvertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10v.H. überschritten.
Der Auftraggeber hatte daher für die über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes die Vereinbarung eines neuen Einheitspreises verlangt und einen Abzug von der Schlussrechnung vorgenommen.
Der Auftraggeber stützte sich dabei auf § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B:
- Weicht die ausgeführte Menge der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung oder Teilleistung um nicht mehr als 10 v.H. von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang ab, so gilt der vertragliche Einheitspreis.
- Für die über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. […]
Die Entscheidung
Das Kammergericht in Berlin hatte noch geurteilt, Voraussetzung für die Herabsetzung des vereinbarten Einheitspreises sei, dass sich aufgrund der Mengenmehrung Kostenersparnisse bei dem Auftragnehmer eingestellt hätten, wofür der Auftraggeber darlegungs- und beweispflichtig sei. Der Auftraggeber habe derartige Kostenersparnisse zugunsten des Fassadenbauers nicht schlüssig vorgetragen.
Dabei komme ein Abschlag bei dem Einheitspreis um den Anteil der allgemeinen Geschäftskosten von vornherein nicht in Betracht. Allgemeine Geschäftskosten würden vom Auftragnehmer je Geschäftsperiode geplant und prozentual auf den gesamten Umsatz in dieser Geschäftsperiode umgelegt, einschließlich Mehrmengen.
Dem widerspricht der BGH in wesentlichen Teilen:
- Der Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B setzt nach dem Wortlaut der Klausel nur voraus, dass
- die ausgeführte Menge den im Vertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10 v.H. überschreitet und
- eine Partei die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt.
Das war vorliegend gegeben.
- Dagegen ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten Voraussetzung für den Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises ist, mag eine solche Veränderung auch der Regelfall sein.
Es kam deshalb auch nicht darauf an, ob der Vortrag des Auftraggebers zu Kostenersparnissen ausreichend war, der Auftraggeber musste nichts dazu vortragen, ob es aufgrund der Mengenmehrung zu Kostenersparnissen bei dem Auftragnehmer gekommen war.
Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vor, ist ein neuer Preis zu vereinbaren. Dies begründet einen vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in einen neuen Preis, die Parteien sind zur Kooperation verpflichtet. Können sich die Parteien nicht auf einen neuen Preis verständigen, so ist dieser im Streitfall von dem angerufenen Gericht zu bestimmen und kann unmittelbar zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden.
Bundesgerichtshof
Nach der neuen Rechtsprechung des BGH waren mithin für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen die tatsächlich erforderlichen Kosten der über 10 v.H. hinausgehenden Leistungsbestandteile zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich. Insoweit verweist der BGH auf seine vorhergehende Entscheidung, ergänzt bzw. berichtigt aber einen wichtigen Punkt:
Baustellengemeinkosten sind nicht im Rahmen angemessener Zuschläge zu berücksichtigen.
Bei der Bildung des neuen Einheitspreises auf der Grundlage der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ist ein angemessener Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten auf die tatsächlich erforderlichen Kosten der über 10 v.H. liegenden Mehrmengen zu berücksichtigen.
Hinweis: Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Mengenmehrung eine Bauzeitverlängerung verursacht ist.
Der Tatrichter ist bei der Bestimmung der Höhe des angemessenen Zuschlags gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zur Schätzung berechtigt.
Hinweis: Hinsichtlich der Höhe des Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten ist zu beachten, dass die Angemessenheit des Zuschlags im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht mit dem bloßen Verweis auf die Kalkulation des Auftragnehmers begründet werden kann.
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