Eine aktuelle Entscheidung des BGH kommt unscheinbar daher, hat es aber in sich, mit weitreichenden Folgen für Immobilientransaktionen und deren Abwicklung.
Im Mittelpunkt steht § 320 BGB (Einrede des nicht erfüllten Vertrages):
Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist.
Keine Durchsetzbarkeit der Kaufpreisforderung bei mangelhafter Immobilie
Durch einen Immobilien-Kaufvertrag wird der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Immobilie frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Im Gegenzug ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Ist die Immobilie mangelhaft, so erfüllt der Verkäufer seine Pflichten nicht. Denn die Lieferung einer mangelhaften Sache ist als Nichterfüllung der Verkäuferpflichten zu begreifen. Folge: Der Käufer kann seinerseits die Zahlung des Kaufpreises verweigern.
Der BGH weitet die Durchsetzungssperre zugunsten des Käufers aus:
- Schon das Bestehen, nicht erst die Erhebung der Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB schließt die Durchsetzbarkeit der Kaufpreisforderung aus.
- Das gilt auch bei der Mängeleinrede. Die Kaufpreisforderung kann auch dann nicht durchgesetzt werden, wenn der Käufer
- weder Mängel geltend gemacht
- noch konkretisiert hat, welche Rechte er aus etwaigen Mängeln ableiten möchte.
- Der Käufer ist mithin nicht zu Erhebung der Mängeleinrede, zur Geltendmachung von Mängeln oder von konkreten Mängelrechten verpflichtet, um sogar bei geringfügigen Mängeln nicht nur einen zur Mängelbeseitigung erforderlichen Teilbetrag des Kaufpreises, sondern den Kaufpreis insgesamt zurückhalten.
- Der Käufer darf den Kaufpreis auch dann insgesamt zurückhalten, wenn ein Mangel der Sache erst nach der Lieferung bzw. Übergabe bemerkt wird.
Siehe auch schon BGH zum Kaufrecht: Auch geringfügige Mängel rechtfertigen Zahlungs- und Abnahmeverweigerung
ZUR VERTIEFUNG:
Der BGH lässt ausdrücklich die Streitfrage unentschieden, ob ein Rücktritt nach § 323 BGB (z.B. der des Verkäufers bei Zahlungsverzug des Käufers) die eigene Vertragstreue des Rücktrenden voraussetzt. Zur Vorgängernorm war die eigene Vertragstreue des Gläubigers eine ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung. Ob sie auch für einen Rücktritt nach § 323 BGB gilt, ist umstritten und bleibt dies, da im vorliegenden Fall § 320 BGB hinreichend Antworten gab: Der Verkäufer konnte nicht wegen Zahlungsverzug des Käufers zurücktreten, da seine Kaufpreisforderung mangelbedingt nicht durchsetzbar war.
Zum Schutz des Verkäufers
Der Verkäufer ist jedoch nicht schutzlos. Denn auch die Einrede aus § 320 BGB steht unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben.
Die Mängeleinrede des Käufers führt nicht zu einem Schwebezustand, der den Verkäufer über Gebühr belastet.
BGH
- Den Käufer kann die Obliegenheit treffen, dem Verkäufer den Grund für das Ausbleiben der geschuldeten Kaufpreiszahlung mitzuteilen.
- Die Einrede steht einer Partei des Kaufvertrages etwa dann nicht zu, wenn sie deutlich gemacht hat, dass sie nicht am Vertrag festhalten will.
- Und auch eine Kaufvertragspartei, die an dem Vertrag festhalten will, darf die Einrede aus § 320 BGB nicht dazu einsetzen, die Rechte der anderen Vertragspartei zu vereiteln.
- Das gilt gleichermaßen für die Mängeleinrede. Hier ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens zu beachten: Die Einrede entfällt, wenn der Käufer innerhalb einer ihm dazu von dem Verkäufer gesetzten angemessenen Frist die von ihm geltend gemachten Mängel nicht konkretisiert und sich auch nicht für eines der ihm zustehenden Mängelrechte entscheidet.
Fazit
Sowohl auf Seiten des Verkäufers wie auch auf Seiten des Käufers ist mithin im Mangelfall jeweils genau zu überlegen, mit welcher Strategie man welche Rechte verfolgt.
Im besten Fall hat man dazu auch schon im Vertrag Vorsorge getroffen und die Weichen richtig gestellt.
Der BGH hebt hervor, dass die Vorleistungspflicht einer Partei, die nach § 320 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB der Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegensteht, auch konkludent vereinbart sein kann.
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