Am 18. Mai 2020 war es soweit. Die Regierungsfraktionen haben sich geeinigt:
- Abschaffung des Solardeckels und
- „Opt-Out-Lösung“ für einen Pauschalabstand für Windräder.
Photovoltaik-Deckel
Bereits im November 2019 hatte der Bundesrat einen Gesetzesentwurf zur Aufhebung des PV-Deckels in den Bundestag einbringen lassen (Drucksache 19/15275). Die Bundesregierung zeigte sich in ihrer Stellungnahme aufgeschlossen:
„In den Eckpunkten und der Langfassung des Klimaschutzprogramms 2030 ist ein höherer Anteil des PV-Stroms bei der Erreichung des 65%-Ziels im Jahr 2030 vorgesehen. (…) Insofern unterstützt die Bundesregierung das Anliegen der Länder. Der „52-GW-Deckel“ für die Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen soll aufgrund der Beschlüsse zum Klimaschutzprogramm 2030 gestrichen werden. Die Streichung soll in einem eigenen Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung noch in diesem Jahr in den Bundestag eingebracht werden.„
Im angesprochenen Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 hieß es: „Die gesetzliche Umsetzung der Vorgabe des Koalitionsvertrages (EE-Anteil von 65 Prozent bis 2030) beginnt in 2019 u.a. mit dem Ausbauziel für Wind- Offshore, den Abstandsregeln und der Aufhebung des PV-Deckels.„
Jedoch passierte erst einmal: Nichts. Also brachten die GRÜNEN den Entwurf des Bundesrates am 12.02.202 erneut in den Bundestag ein (Drucksache 19/17137) und erinnerten:
„Die Bundesregierung hat in ihrem Klimaschutzprogramm 2030 die Streichung des Deckels zwar angekündigt, bisher jedoch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Ein mit diesem Entwurf wortgleicher Gesetzentwurf des Bundesrates liegt seit November 2019 auf Drucksachennummer 19/15275 vor. Die Regierungsfraktionen verweigern bisher die Befassung im Bundestag.„
Da das EEG gerade eben erst reformiert wurde, hätte sich eine Regelung in diesem Rahmen angeboten. Ein entsprechender Antrag vom 13.05.2020 (Drucksache 19/19215) fand jedoch keine Mehrheit.
Nun, da der geltende 52-Gigawatt-Deckel im Juli 2020 erreicht worden wäre, stieg der Druck aber, den Deckel aufzuheben. Denn was bedeutet er?
- Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) regelt, dass bei Erreichen eines bundesweiten Ausbaustands von 52 GW installierter Photovoltaik-Leistung die anzulegenden Werte nach § 48 EEG für nicht-ausschreibungsgebundene Solarenergie auf null reduziert werden.
- Eingeführt wurde der 52 GW-Deckel, um die Kosten des Solarenergie-Zubaus, gewälzt über die EEG-Umlage, zu begrenzen. Diese Zielsetzung wurde bereits erreicht, da die Kosten für neue Photovoltaik-Anlagen in der Freifläche und auf Dächern stark gesunken sind.
- Dieser 52 GW-Deckel beendet damit effektiv die EEG- Vergütung für Solarenergie im Segment bis 750 kWp, die nicht an der Ausschreibung teilnehmen.
- Für eine sonstige Direktvermarktung nach dem EEG sind jedoch gerade kleine Photovoltaik-Anlagen wenig geeignet.
- Für Betreiber einer Photovoltaik-Anlage in dem genannten Segment bleibt so nur noch die Eigenstromnutzung als Betriebsmodell. Eigenstromnutzung wiederum ist im EEG ebenfalls stark begrenzt.
- Der Markt für die Neuinstallation von Solaranlagen im genannten Segment droht bei Erreichen des 52 GW-Deckels aus Ermangelung einer Vergütungsperspektive aus dem EEG einzubrechen. Das zu erwartende Erreichen des 52 GW-Deckels gefährdet bereits begonnene Planungen, sowie das Geschäftsmodell von zahlreichen, vor allem mittelständischen Solar-Installateuren und Projektentwickler, der Komponentenhersteller und die damit verbundenen Arbeitsplätze.
- Eine ersatzlose Streichung des 52 GW-Deckels vor dessen Erreichung soll zur Folge haben, dass die bereits geltenden Regelungen des EEG unverändert weiter gelten und eine Vergütung nach dem EEG für Photovoltaik-Anlagen im Segment bis 750 kWp, die nicht an der Ausschreibung teilnehmen, weiter in Anspruch genommen werden kann.
Abstand für Windkraftanlagen
Gegner der Energiewende hatten auf einer pauschalen Abstandsregelung von 1000 Metern zwischen Windrädern und Siedlungen bestanden und den Solardeckel quasi als Geisel genommen: Der Solardeckel sollte nur in Zusammenhang mit einer Windkraft-Einigung aufgehoben werden.
IN DEPTH:
Die Bundesregierung hatte zwischenzeitlich in einem bekannt gewordenen Referentenentwurf für ein Kohleausstiegsgesetz eine neue pauschale Abstandsregel für Windenergieanlagen vorgesehen. Demnach sollten künftig Windenergieanlagen im ganzen Bundesgebiet 1 000 Meter Mindestabstand zu Siedlungen und Gebieten mit mehr als fünf Wohngebäuden einhalten. Die Abstandsregel war mittels einer Erweiterung des § 35 des Baugesetzbuchs (BauGB) um einen § 35a BauGB vorgesehen. Demzufolge plante die Bundesregierung einen Ausschluss von sowohl neuen, als auch repowerten Anlagen im Umkreis von einem Kilometer um Wohnbebauungen.
Die Bundesregierung wies zur Begründung darauf hin, dass die Sicherung von Akzeptanz für die Windenergie an Land ein wesentlicher Beitrag für den Klimaschutz sei (Drucksache 19/16416).
Studien sehen das anders (UBA, CLIMATE CHANGE 38/2019, S. 150):
„Pauschale Abstandsregeln schränken die Flächenkulisse massiv ein und führen nicht zwingend zu einer Erhöhung der Akzeptanz. Empfohlen wird die Umsetzung anderer akzeptanzfördernder Maßnahmen anstelle pauschaler Siedlungsabstände über die gängigen Abstandsvorgaben hinaus. Pauschale Abstandsregeln reduzieren die Flächenkulisse und das Leistungspotenzial stark. Bereits bei Siedlungsabständen von 1.000 m reduziert sich das bundesweite Leistungspotenzial um 20–50 %. In einzelnen Bundesländern sinkt das Leistungspotenzial um bis zu 70–90 %.„
Allerdings war der Druck auf die „Geiselnehmer“ zuletzt stark gestiegen: Mit einer pauschalen Abstandsregelung von 1000 Metern ohne Anpassung an regionale Besonderheiten wäre das Potential für Windkraft in Deutschland stark reduziert und wäre das Ziel, bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Netz zu haben, nach Studienergebnissen verfehlt worden, ganz abgesehen von der Gefährdung einer Zukunftstechnologie und einer Vielzahl an Arbeitsplätzen in Deutschland im Bereich Wind und Sonne.
Den Bundesländern soll mit dem Opt-Out-Modell nun die Möglichkeit eingeräumt werden, geringere Abstände festzulegen. Ein Opt-Out-Modell fand sich auch schon im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 (S. 30):

IN DEPTH:
Die Abstandsthematik ist auch aus dem Grund besonders politisch und in Teilen ideologisch aufgeladen, weil sich im Rahmen der Diskussionen zeigte, in welchem Ausmaß Energiewende- und Windkraftgegner bis hin zu Leugnern des menschengemachten Klimawandels Einfluss haben auf das federführende Wirtschaftsministeriums. So wurde eine frühere Mitarbeiterin des Bundestagsabgeordneten Linnemann, seinerseits bekannt für seinen Anti-Energiewendekurs unter dem Schlagwort „Mittelstandspolitik“ und bekennender Befürworter verschärfter Abstandsregelungen, Abteilungsleiterin für Energiepolitik im Bundeswirtschaftsministerium. Außerdem wurde berichtet, dass der Vorsitzende eines Dachverbands von Anti-Windkraft-Initiativen als Referent im Bundeswirtschaftsministerium arbeitet, wiederum verbunden mit dem sog. „Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern“, ein umstrittener Verein, der gerade vor dem OVG Berlin-Brandenburg eine Niederlage erlitten hat, als er unter dem Schlagwort „Artenschutz“ versuchte, das TESLA-Werk in Brandenburg zu torpedieren (ausführlich: Grün ist nicht gleich Grün: OVG Berlin-Brandenburg weist TESLA-Gegner wegen Gigafactory ab).
Im Ergebnis hat sich damit letztlich der Bundeswirtschaftsminister mit einem Kompromiss durchgesetzt und das trojanische Pferd im eigenen Haus erst einmal eingehegt. Mit der jetzigen Einigung sollen zudem Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigt und ein Koordinierungsmechanismus von Bund und Ländern zum Ausbau der Erneuerbaren Energien kontinuierlich überprüft werden (zum Planungssicherstellungsgesetz siehe schon hier).
Nun bleibt es erst einmal abzuwarten, wann und in welcher Form der Gesetzesentwurf kommt. Stay tuned!
Weitere Maßnahmen
Der Bundesrat hatte zum PV-Deckel letztlich erfolgreich Druck gemacht, der Bund eröffnet den Ländern den Wettbewerb um die Windenergie – die ganze Geschichte liest sich somit auch wie ein Siegeszug des Föderalismus. Damit aber nicht genug. Frischer Wind kommt auch von der Umweltministerkonferenz vom 15. Mai 2020, auszugsweise:
- Die Umweltministerkonferenz hält die kurzfristige und deutliche Senkung der EEG-Umlage, die Schaffung von Investitionsanreizen und eines zukunftsfähigen Systems zur Finanzierung der Energiewende für notwendig.
- Für die Umweltministerkonferenz gibt insbesondere die aktuelle Zubauentwicklung bei der Windenergie an Land Anlass zur Sorge. Hier gilt es umgehend Hemmnisse, die dem Ausbau entgegenstehen, zu beseitigen.
- Ziel eines bundesweiten Rahmens für die Standardsetzung soll es sein, Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen effizient und rechtssicher zu gestalten und regionale Spezifika zu ermöglichen.
- Die Umweltministerkonferenz beschließt die zur Umweltministerkonferenz vorgelegten „Hinweise zu den rechtlichen und fachlichen Ausnahmevoraussetzungen nach § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) bei der Zulassung von Windenergievorhaben“, wobei sie einen Rahmen zur Bemessung von Signifikanzschwellen für eine wichtige Grundlage zur Anwendung des Ausnahmeinstrumentes hält.
- Die Umweltministerkonferenz beauftragt eine vom Bund und vom Vorsitzland der Umweltministerkonferenz geleitete ad-hoc Bund-/Länder-Arbeitsgruppe der Amtschefinnen und Amtschefs der Umweltressorts des Bundes und der Länder damit, unter Einbindung unter anderem der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA), des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) und der Fachagentur Windenergie „einen Rahmen zur Bemessung von Signifikanzschwellen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf tötungsgefährdete Vogelarten an WEA“ vorzulegen.
- Die Windenergie an Land ist dabei eine Schlüsseltechnologie zum Erreichen der nationalen und internationalen Klimaschutzziele. Sie leistet außerdem einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung.
- Der weitere Ausbau der Windenergie hängt entscheidend von der Bereitstellung neuer Anlagenstandorte ab. Die Umweltministerkonferenz betont die Notwendigkeit eines bundesweiten transparenten und verlässlichen Zeit- und Mengengerüstes und die notwendigen ausgewiesenen Flächen für den künftigen Zubau.
- Die Länder und der Bund orientieren sich an einem bundesweiten Flächenziel von mindestens zwei Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen werden Bund und Länder einen Koordinierungsausschuss für den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien einführen.
- Es hat sich gezeigt, dass die Akzeptanz für Windenergieanlagen durch frühzeitige Information und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunen entstehen kann. Deshalb sind frühzeitige und ausreichende Beteiligungsverfahren im Planungsprozess sinnvoll.
- Als ein wichtiger Beitrag zu mehr Akzeptanz vor Ort sollten zudem geeignete Instrumente für eine stärkere Beteiligung der betroffenen Standort- und Nachbarkommunen an der Wertschöpfung durch Windenergie eingeführt werden.
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