Mit dem mittlerweile legendären Slogan „It’s the economy, stupid!“ gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Die FDP ist weit von jeder Regierungsverantwortung entfernt. Sie darf sich – auch dank des beim Wähler schlecht ankommenden Wissenschaft-Bashings – eher mit der 5%-Hürde auseinandersetzen, was sie macht – ausgerechnet mit wissenschaftsgeleiteten Zukunftsthemen. Von der Bundesregierung erhält sie nun im Rahmen einer aktuellen Anfrage im Bundestag (BT-Drucksache 19/21250) eine Antwort, die man in Anlehnung an den vorgenannten Slogan mit „It’s sustainability, stupid“ beschreiben kann.

Die „Liberalen“ widmen sich dort dem Konzept von Smart Cities und vernetzten Städten und offenbaren ein Verständnis einer Stadt bzw. einer Gemeinde als ein System von Systemen, um in Smart-City-Konzepten vielfältige Potenziale dafür zu sehen, mit technologischen Lösungen die verschiedenen städtischen Systeme in sich und die zwischen ihnen bestehenden Interdependenzen besser als bisher zu analysieren und zu verstehen. Die Bundesregierung widerspricht und bringt es auf den Punkt, um was es eigentlich geht:

Das Verständnis der Fragesteller von einer Kommune oder Stadt als „System von Systemen“ offenbart einen technokratischen Blick auf Städte, der deren baulichräumliche, soziale, ökonomische, ökologische und historische Dimension und teilweise gegensätzliche Interessen und Ziele verkennt.

Bundesregierung, BT-Drucksache 19/21250

Nach der zu befürwortenden Sichtweise der Bundesregierung

  • können technologische Lösungen dazu beitragen, das Leben in Städten angenehmer, effizienter und nachhaltiger zu gestalten,
  • ist gerade bei digitalen technologischen Lösungen weniger die eigentliche Technologie, sondern deren Ausgestaltung in einem konkreten Anwendungsfall oder Geschäftsmodell dafür ausschlaggebend, ob sie zu mehr oder weniger „Annehmlichkeiten“ und „Effizienz“ (und wenn ja aus wessen Perspektive) oder Nachhaltigkeit beiträgt,
  • wird technische Optimierung allein der städtischen Komplexität nicht gerecht,
  • bedarf es auch organisatorischer, regulatorischer und kollaborativer Ansätze und
  • birgt die Digitalisierung mit ihrem Disruptionspotenzial auch Risiken für Wirtschaft, Gesellschaft, Nachhaltigkeit und lebenswerte Städte für alle, die ebenfalls zu adressieren sind.

Darum setzt die Bundesregierung auf einen ganzheitlichen Smart City-Ansatz im Sinne einer integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik.

Bundesregierung, BT-Drucksache 19/21250

Die Bundesregierung hat sich nach der Auseinandersetzung mit internationalen Smart City Konzepten dafür entschieden, die Digitalisierung und Smart Cities im Sinne

  • der drei Säulen der Nachhaltigkeit,
  • der integrierten Stadtentwicklung und
  • der Stärkung demokratischer Strukturen.

gestalten zu wollen. Dies soll sowohl für Bestands- als auch Neubauvorhaben gelten.

Vor diesem Hintergrund schaut die Bundesregierung auf die Technologien u.a. in den Bereichen erneuerbare Energie, Mobilität, Sektorverzahnung und Ressourcenschonung.

Aus Sicht der Stadtentwicklungspolitik sind Schlüsseltechnologien für Smart Cities solche, die helfen Aufgaben der Stadtentwicklung besser, ressourcenschonender oder effizienter zu erreichen, ohne negativ auf andere Aufgabenbereiche zu wirken. Zu warnen ist jedoch vor der Utopie, jedes gesellschaftliche Problem durch Technologie lösen zu können.

Bundesregierung, BT-Drucksache 19/21250

Sie fördert über einen kooperativen Ansatz mit Bund, Ländern, Kommunen, kommunalen Spitzenverbänden, Wissenschaft und Praxis über die verschiedenen Ebenen und Sektoren hinweg auf Grundlage der Smart City Charta der nationalen Dialogplattform Smart Cities im Schwerpunktvorhaben „Digitale Stadtentwicklung und Förderung von Smart Cities“ seit 2019 Smart-City-Modellprojekte.

  • Die Smart City Charta bildet einen Orientierungsrahmen und enthält Empfehlungen, wie der digitale Wandel in den Kommunen zukunftsfähig gestaltet werden kann und wie die vielfältigen Ziele der Stadtentwicklungspolitik digital erreicht werden können.
  • Die Kommunen sollen befähigt werden, die Digitalisierung im Sinne einer integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklung in Städten und Gemeinden strategisch zu gestalten.
  • Mit den Modellprojekten Smart Cities will die Bundesregierung die deutschen Kommunen durch vielfältige Lernbeispiele und Wissenstransfer beim notwendigen Kompetenzaufbau für die Gestaltung des digitalen Wandels unterstützen.
  • Schwerpunkt des Diskurses im Rahmen der Umsetzung und Fortentwicklung der Smart City Charta im Jahr 2020 ist Daten-Governance. Bereiche der Smart City Charta, die sich auf die Nutzung und die Rechte an Daten beziehen, werden vertiefend thematisiert. Vorgesehen ist die Erarbeitung von Leitlinien für eine gemeinwohlo- rientierte Daten-Governance für die Stadtentwicklung.

Laut der Smart City Charta ist eine Smart City unter anderem durch die Eigenschaften „sicher“ und „raumgebend“ charakterisiert, durch sichere, private, öffentliche und digitale Räume, in denen sich die Bewohner bewegen und verwirklichen können ohne dass Freiheitsrechte durch Überwachung verletzt werden. Hinsichtlich der Konzeption einer Smart City sollten, wie auch in der Smart City Charta aufgeführt, die Grundsätze Privacy-by-Design und Security-by- Design berücksichtigt werden. In dieser Phase hat dann auch eine etwaige Abwägung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter unter Beachtung des gesetzlichen Rahmens zu erfolgen.

Bundesregierung, BT-Drucksache 19/21250

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Schließlich wird die Bundesregierung gefragt, ob sie plant, den Einbau von Sensoren in Bestands- oder Neubauten verpflichtend zu machen. An dieser Stelle scheitern die Fragesteller – eben noch als zu technokratisch gerügt – an einer fehlenden technischen Versiertheit. So fällt dann auch die Antwort aus:

  • Aus der Frage geht nicht ganz deutlich hervor, welche Art von Sensoren gemeint sind.
  • Beispielsweise sieht bereits das geltende Energieeinsparrecht die Pflicht vor, Zentralheizungen mit zentralen selbsttätig wirkenden Einrichtungen zur Verringerung und Abschaltung der Wärmezufuhr sowie zur Ein- und Aus- schaltung elektrischer Antriebe in Abhängigkeit von der Außentemperatur oder einer anderen geeigneten Führungsgröße und der Zeit auszustatten.
  • Voraussetzung für die Festlegung solcher Verpflichtungen ist, dass sie technisch machbar und wirtschaftlich sind.

Immerhin aber erfahren wir noch etwas darüber, ob die Bundesregierung einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Nutzung des Luftraums für (privatwirtschaftliche) Transportdienstleistungen, Personenbeförderung und Individualverkehr plant.

Mit Bezug auf die unbemannte Luftfahrt (Drohnen und Flugtaxis) wird im BMVI aktuell die Revision des nationalen Rechts zur Anwendung des EU- Rechtsrahmens für Transportdienstleistungen, Personenbeförderung und Individualverkehr erarbeitet. Die Zulassung privatwirtschaftlicher Angebote ist abhängig von der Einhaltung der nationalen und europäischen Vorschriften.

Bundesregierung, BT-Drucksache 19/21250

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