Carbon Leakage
Der Bundestag hatte am 8. Oktober 2020 das BEHG nochmals geändert und – auf Drängen des Bundesrates – eine Erhöhung der Zertifikatspreise wie vorstehend abgebildet vorgenommen. Durch den höheren Einstiegspreis der Emissionszertifikate und in Folge der nationalen Regelung eines gesonderten Emissionshandelssystems neben dem Europäischen Emissionshandel können laut Regierung für manche Unternehmen bereits zu einem früheren Zeitpunkt als zuvor geplant Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Folglich war auch die Vermeidung von Carbon Leakage schon mit Wirkung zum 01. Januar 2021 ein wesentlicher Bestandteil der Überarbeitung des BEHG im Oktober 2020.
Unter „Carbon Leakage“ wird das Verlagern von CO2-Emissionen in andere Länder verstanden, wenn Unternehmen energieintensive Produktionstätigkeiten aufgrund steigender Energiepreise im Inland an Standorte mit günstigeren Energiepreisen bzw. weniger strengen Emissionsauflagen verschieben (WD 8 – 3000 – 011/20, Stand: 19. Februar 2020).
Der Deutsche Bundestag hatte mit der Überarbeitung des BEHG zudem eine Entschließung verabschiedet, mit welcher eine Reihe von Forderungen an die Bundesregierung gerichtet wurde einschließlich Beschluss der Carbon-Leakage-Verordnung noch 2020 und einer möglichst bürokratiearmen Ausgestaltung des Schutzes vor Carbon Leakage mit einem einfachen Antragsverfahren und einer einfachen Gewährung von Kompensationen bzw. Beihilfen. Die parlamentarischen Beratungen hatten demnach gezeigt, dass
- die Erhöhung der Zertifikatepreise für Unternehmen aus Branchen, die mit ihren Produkten in besonderer Weise dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, die Wettbewerbsbedingungen gegenüber ausländischen Mitwettbewerbern nachteilig verändern kann, weshalb der Deutsche Bundestag die Notwendigkeit anerkannt hat, den betroffenen Unternehmen einen angemessenen Schutz gegen die Risiken von Carbon Leakage zu gewährleisten, und
- dass bei der Umsetzung des Brennstoffemissionshandels in vielen Bereichen noch Klärungs- und Regelungsbedarf besteht.
Die Bundesregierung hat sich dem angenommen.
Die Bundesregierung hat am 23. September 2020 Eckpunkte zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen beschlossen. Die Eckpunkte zielen darauf ab, den vom nationalen Emissionshandel erfassten Industrieunternehmen frühzeitig möglichst große Planungssicherheit zu gewährleisten. Im Rahmen des nationalen Emissionshandels sollen Unternehmen künftig auf Grundlage der nach § 11 Absatz 3 BEHG zu erlassenden Verordnung einen finanziellen Ausgleich erhalten können, sofern ihnen durch die CO2-Bepreisung Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Als Gegenleistung werden die begünstigten Unternehmen verpflichtet, ein Energiemanagementsystem zu betreiben und Maßnahmen umzusetzen, welche die Energieeffizienz verbessern und CO2-Emissionen verringern. Das ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreichen Klimaschutz. Bis zum Ende des Jahres plant die Bundesregierung, auf Basis der Eckpunkte eine Rechtsverordnung zum Schutz vor Carbon Leakage vorzulegen.
BT-Drucksache 19/24929, 04.12.2020
Die Bundesregierung verfolgt also das Ziel, dass Wettbewerbsrisiken ausgeglichen werden, Unternehmen aber zugleich konsequent in klimafreundliche Anlagen investieren.
Beihilfeberechtigt sollen alle Sektoren und Teilsektoren sein, die auch von der Sektorenliste für die Handelsperiode 2021-2030 im EU-Emissionshandel umfasst sind. Darüber hinaus besteht für weitere Sektoren und Teilsektoren die Möglichkeit, innerhalb eines Antragsverfahrens nachträglich auf die Liste der beihilfeberechtigten Sektoren aufgenommen zu werden. Die Unternehmen erhalten ab einer Mindestbelastungsschwelle die Kompensation entsprechend der unterschiedlichen Emissionsintensität der Branchen eine anteilige Kompensation zwischen 65 und 95 Prozent dieser Kosten.
Das BMU hat im Dezember 2020 den Entwurf für die Carbon-Leakage-Verordnung vorgelegt und einer Abstimmung in der Bundesregierung und mit den Verbänden zugeführt. Der Entwurf setzt nach seiner Darstellung die Maßgaben des Eckpunktepapiers und der Entschließung des Deutschen Bundestags um. Die Verordnung soll so schnell wie möglich im Kabinett und Bundestag beschlossen und von der EU-Kommission genehmigt werden.
Für dem nationalen Brennstoffemissionshandel unterfallende Unternehmen, die mit ihren Produkten in besonderem Maße im internationalen Wettbewerb stehen, kann hieraus die Situation entstehen, dass sie diese zusätzlichen Kosten nicht über die Produktpreise abwälzen können, wenn ausländische Wettbewerber keiner vergleichbar hohen CO2-Bepreisung unterliegen. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die Produktion betroffener Unternehmen infolge CO2- Preis-bedingter Wettbewerbsnachteile ins Ausland abwandert und dort möglicherweise zu insgesamt höheren Emissionen führt (sog. „Carbon-Leakage“), was das mit dem nationalen Brennstoffemissionshandel verfolgte Ziel konterkarieren würde.
Entwurf einer Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon- Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon- Leakage-Verordnung – BECV)
Der Entwurfsstand in Auszügen:
- Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe ist, dass das antragstellende Unternehmen die erforderlichen Nachweise erbringt,
- dass es einem beihilfeberechtigten Sektor zuzuordnen ist,
- die Mindestschwelle überschreitet und
- die vorgesehenen Gegenleistungen (Energiemanagement und Klimaschutzmaßnahmen) erbracht hat.
- Die in der Verordnung vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen folgen dem Grundansatz des EU-Emissionshandels und den bereits auf europäischer Ebene bestehenden Regelungen zur Sicherung der grenzüberschreitenden Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unternehmen.
- Für die Beurteilung der Verlagerungsrisiken in den verschiedenen Branchen wird die Sektorenliste des EU-Emissionshandels zugrunde gelegt.
- Um den nationalen Besonderheiten Rechnung zu tragen, enthält die Verordnung die Möglichkeit, in einem nachgelagerten Prüfungsverfahren weitere Sektoren zu identifizieren, bei denen ein Carbon-Leakage-Risiko festgestellt wird.
- Auf Unternehmensebene wird ein abgestufter Beihilfeansatz verfolgt.
- Die Orientierung am Carbon-Leakage-Schutzsystem des EU-Emissionshandels sichert die Anschlussfähigkeit an ein bereits EU-weit eingeführtes Schutzkonzept und die möglichst weitgehende Gleichbehandlung gleichartiger Produkte unabhängig davon, ob sie in großen Anlagen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen, oder in kleineren Anlagen, die nicht dem EU- Emissionshandel unterfallen und entsprechend von der CO2-Bepreisung durch das BEHG betroffen sind, hergestellt werden.
- Zugleich wird sichergestellt, dass die Kompensation unternehmensbezogen nur soweit erforderlich und im Einklang mit dem grundsätzlichen Vorrang der Förderung klimafreundlicher Investitionen nach dem BEHG erfolgt.
- Grundlage für die Beurteilung des Risikos einer Verlagerung von CO2-Emissionen ist der nationale Carbon-Leakage-Indikator, der für den jeweiligen Sektor oder Teilsektor mit der Antragstellung nachzuweisen ist. Der Carbon-Leakage-Indikator ergibt sich aus dem Produkt der Handelsintensität und der Emissionsintensität des Sektors oder Teilsektors, jeweils bezogen auf den Durchschnittwert des zweiten bis vierten Jahres vor der Antragstellung.
- Die Gewährung von Beihilfen ist ausgeschlossen für Unternehmen, deren Kostenbelastung aus der CO2-Bepreisung des BEHG unterhalb einer unternehmensbezogenen Mindestschwelle liegt.
- Maßgeblich für die unternehmensbezogene Mindestschwelle ist die Emissionsintensität des Unternehmens.
- Die Emissionsintensität eines Unternehmens ergibt sich aus dem Verhältnis der maßgeblichen Brennstoffemissionsmenge des Unternehmens im Abrechnungsjahr und der Bruttowertschöpfung des Unternehmens im Abrechnungsjahr, angegeben in Kilogramm CO2 je Euro Bruttowertschöpfung.
- Als Gegenleistung für die Gewährung der Beihilfe muss ein beihilfeberechtigtes Unternehmen ein zertifiziertes Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001, Ausgabe Dezember 2011 oder Ausgabe Dezember 2018, oder ein Umweltmanagementsystem EMAS betreiben.
- An Stelle des Umwelt- oder Energiemanagementsystems können Unternehmen, die in den drei Kalenderjahren vor dem Abrechnungsjahr einen durchschnittlichen Gesamtenergieverbrauch fossiler Brennstoffe von weniger als 5 Gigawattstunden hatten, spätestens ab dem 1.1.2023 ein nicht zertifiziertes Energiemanagementsystem auf Basis der DIN EN ISO 50.005 (mindestens Level 3) betreiben oder Mitglied in einem bei der Deutschen Energieagentur GmbH angemeldeten Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerk sein.
- Ein beihilfefähiges Unternehmen erhält die Beihilfe, wenn es nachweist, dass es im Abrechnungsjahr Investitionen getätigt hat für
- Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Produktionsprozesses, soweit solche Maß-nahmen die Treibhausgasemissionen der von diesem Unternehmen hergestellten Produkte auf einen Wert verringern, der unterhalb des für diese Produkte jeweils festgelegten Produkt-Benchmarkwertes liegt, oder
- Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, soweit solche Maßnahmen im Rahmen des jeweiligen Energiemanagementsystems konkret identifiziert und als wirtschaftlich durchführbar bewertet wurden.
- Die von dem Unternehmen für vorstehende Maßnahmen aufgewendete Investitionssumme ohne Berücksichtigung von Fördermitteln Dritter muss mindestens 80 Prozent des dem Unternehmen nach der Verordnung gewährten Beihilfebetrags des dem Abrechnungsjahr vorangegangenen Jahres entsprechen. Soweit die Investitionssumme den Beihilfebetrag des dem Abrechnungsjahr vorangegangenen Jahres übersteigt, kann der überschießende Teil der Investitionssumme in den nachfolgenden vier Jahren auf den erforderlichen Investitionsnachweis angerechnet werden.
- Der zu bestimmende Gesamtbeihilfebetrag ergibt sich aus dem vorläufigen Beihilfebetrag, von dem der Wert der Stromkostenentlastung des Unternehmens abzuziehen ist (soweit die Erlöse aus der Veräußerung der Emissionszertifikate eines Abrechnungsjahres zur Entlastung der Stromkosten verwendet werden, sind die hieraus für das beihilfeberechtigte Unternehmen resultierenden Stromkostenentlastungen auf den vorläufigen Beihilfebetrag anzurechnen).
Das Verordnungsvorhaben dient dazu, die Integrität des nationalen Emissionshandelssystems sicherzustellen, indem Unternehmen, die mit ihren Produkten in einem starken internationalen Wettbewerb stehen und daher die Mehrkosten der CO2-Bepreisung nicht über die Produktpreise abwälzen können, eine finanzielle Kompensation im erforderlichen Umfang erhalten. Es trägt damit zu einer klimafreundlichen, nachhaltigen Entwicklung bei. Die Fortentwicklung des Emissionshandels insgesamt ist vor dem Hintergrund der sozialen Verantwortung auch gegenüber künftigen Generationen geboten und verbessert darüber hinaus langfristig die Bedingungen für die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft.
Entwurf einer Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon- Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung – BECV)
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