Der Winter naht und die Energiekrise fordert das Land, weitere Energiekapazitäten zu mobilisieren, bevorzugt jene aus den erneuerbaren Energien. Folgerichtig hat der Deutsche Bundestag am 30.09.2022 auf Vorschlag seines Ausschusses für Klimaschutz und Energie die Bundesregierung aufgefordert
- weiter und fortlaufend alle Potenziale einer erweiterten Nutzung von erneuerbaren Energien zu evaluieren und auszuschöpfen und entsprechende gesetzliche Änderungen vorzuschlagen.
- die Einführung eines digitalen Netzinstallateursverzeichnisses zu prüfen, das anerkannte Installateure listet, die von allen Netzbetreibern ohne erneute Prüfung akzeptiert werden müssen.
- zur bürokratischen Vereinfachung von Balkon-PV/Stecker-PV zu prüfen, wie Kleinstanlagen so behandelt werden, dass sie einfach und bürokratiearm angeschlossen werden und Verwendung finden können.
- Vorschläge vorzulegen, um bestehende Hemmnisse für die Errichtung und Nutzung von Speichern, auch großer Batteriespeicher, zu beseitigen.
- zu prüfen, welche weiteren Maßnahmen einer effektive Mehrauslastung von Netzen ohne Beeinträchtigung der Netzsicherheit dienen.
Zu 1.) gehört die vorübergehende Absenkung oder Anhebung von Grenzwerten unter Abwägung aller betroffenen Rechtsgüter, wie z. B. Abweichungen von Vorgaben zu nächtlichen Geräuschwerten. Zu 4.) gehören im Rahmen der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs u. a. Fragen der Netzentgeltsystematik und Baukostenzuschüsse. Eine sozial ausgewogene Gestaltung sowie die Netzdienlichkeit soll dabei besondere Beachtung finden. Ein besonderer Fokus liegt aber auf 3.): Die Balkon-PV/Stecker-PV werden als eine neue Produktkategorie auf dem Markt für Solarmodule verstanden, als PV-Kleinstanlagen.
Es ist zu begrüßen und zu fördern, dass Bürgerinnen und Bürger sich auch in Mietwohnungen niedrigschwellig an der Energiewende beteiligen können. Der Rechtsrahmen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und damit der aktuell festgeschriebene Meldeprozess für solche Kleinstanlagen ist bisher nicht auf die stark ansteigende Nachfrage in diesem Segment ausgerichtet.
Deutscher Bundestag Drucksache 20/3743
Als bürokratische Belastung wird bei der Balkon-PV/Stecker-PV vor allem die „Doppelmeldung“ aus Registrierung im Marktstammdatenregister und Anmeldung beim Netzbetreiber definiert. Solche Belastungen sollen beseitigt werden und es soll auch eine Zusammenführung von Einzelprozessen erreicht werden. Zusätzliche Vereinfachungpotenziale sollen durch die Standardisierung und Digitalisierung der Anmeldemodalitäten gehoben werden können.
Am 30.09.2022 hat der Deutsche Bundestag aber auch schon ein ganz konkretes Gesetz u.a. zur Photovoltaik beschlossen: Das Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften, über das der Bundesrat am 07.10.2022 zu befinden hat. Im Folgenden einige der Neuregelungen:
Wirkleistungsbegrenzung
Mit dem Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor vom 20. Juli 2022 wurde bereits der Entfall der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 EEG 2021 zum 01.01.2023 beschlossen.
Demnach mussten Betreiber von Solaranlagen mit einer installierten Leistung von höchstens 25 Kilowatt bis zum Einbau eines intelligenten Messsystems ihre Anlagen mit technischen Einrichtungen ausstatten, mit denen der Netzbetreiber jederzeit die Einspeiseleistung ganz oder teilweise ferngesteuert reduzieren kann, oder am Verknüpfungspunkt ihrer Anlage mit dem Netz die maximale Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung begrenzen.
Wegen der aktuellen Energiekrise sollen nun allen Anlagen, die noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden, eine Einspeisung ohne Wirkleistungsbegrenzung ermöglicht werden: Solaranlagen, die ab dem 14.09.2022 in Betrieb genommen werden, unterliegen nicht mehr der vorgenannten Wirkleistungsbegrenzung.
Um angesichts der aktuellen Energiekrise kurzfristige Potenziale für mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu erschließen, wird die Pflicht zur Begrenzung der maximalen Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent oder zur Ausstattung mit technischen Einrichtungen, mit der der Netzbetreiber jederzeit die Einspeiseleistung ganz oder teilweise ferngesteuert reduzieren kann, auch bei bestehenden Solaranlagen ab dem 01.01.2023 aufgehoben:
- Das gilt für Anlagen mit einer installierten Leistung bis einschließlich 7 kW. Ziel ist es, die hier bereits installierte Anlagenleistung maximal zur Stromeinspeisung nutzbar zu machen.
HINWEIS:
Erfasst sind damit alle Anlagen dieses Segments, die spätestens am 14.09.2022 und vor dem Zeitpunkt, zu dem das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die technische Möglichkeit nach § 30 des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) in Verbindung mit § 84a Nummer 1 EEG 2023 feststellt, in Betrieb genommen wurden.
- Eine entsprechende Befreiung für bestehende Solaranlagen mit einer installierten Leistung über 7 kW erfolgt nicht.
HINWEIS:
In diesem Anlagensegment, für welches der Pflicht-Rollout intelligenter Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz gilt, ist allein aufgrund der Anlagengröße der Solaranlage ein Auslaufen der 70-Prozent-Regelung bereits gesetzlich in Abhängigkeit vom Einbau intelligenter Messsysteme angelegt. Die 70-Prozent-Regelung gilt hier auch bei Bestandsanlagen nur bis zum Einbau des intelligenten Messsystems. Danach bestehen die Anforderungen zur Sichtbarkeit und ggf. auch zur Steuerbarkeit der Anlage über ein Smart-Meter-Gateway nach § 9 Absatz 1 und 1a EEG 2023 entsprechend ab Einbau eines intelligenten Messsystems.
Aber auch bei Bestandsanlagen im Segment bis einschließlich 7 kW bleibt es für den Fall einer Ausstattung mit einem intelligenten Messsystem ab dem Einbau des intelligenten Messsystems bei der entsprechenden Anwendbarkeit von § 9 Absatz 1 und Absatz 1b EEG 2023. Dieser Fall kann nach derr Gesetzesbegründung z. B. eintreten, wenn die Solaranlage hinter einem Netzanschluss betrieben wird, hinter dem auch mindestens eine steuerbare Verbrauchseinrichtung nach § 14a EnWG betrieben wird.
Anlagenbetreiber, die aufgrund der Neuregelung die elektrische Einspeiseleistung ihres Netzanschlusses erhöhen wollen (durch Entfernung einer Begrenzung der Wirkleistungseinspeisung oder einer technischen Einrichtung), müssen dem Netzbetreiber dieses Begehren vorab mitteilen. Es sollen etablierte Prozesse der Netzbetreiber zur Erhöhung der maximalen elektrischen Einspeiseleistung durch Entfernung der pauschalen Begrenzung der Wirkleistungseinspeisung oder von technischen Einrichtungen, mit denen der Netzbetreiber jederzeit die Einspeiseleistung ganz oder teilweise ferngesteuert reduzieren kann, genutzt werden.
- Hierbei kann und soll auf die bereits im Netzanschlussprozess nach § 8 EEG 2023 übermittelten Informationen zurückgegriffen werden.
- Es sind nur die für die Erhöhung der elektrischen Einspeiseleistung zusätzlich notwendigen Verfahrensschritte durchzuführen und Informationen zu übermitteln.
- Der jeweilige Netzbetreiber hat daraufhin u.a. Gelegenheit zur Prüfung der Netzverträglichkeit. Die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems muss stets gewahrt bleiben (vgl. §§ 11 ff. EnWG). Ergibt die Netzverträglichkeitsprüfung, dass die Gefahr von zeitweilig auftretenden Engpässen durch die Entfernung der 70 Prozent-Begrenzung zwar erhöht wird, die im Netzbetrieb (bis zur bedarfsgerechten Netzertüchtigung) voraussichtlich auftretenden Probleme aber im Rahmen der verfügbaren Systemsicherheitsmaßnahmen zuverlässig behoben werden können (vgl. § 13 Absatz 1 Satz 2, § 13a, § 14 EnWG), so bleibt die Erhöhung der Einspeiseleistung entsprechend § 8 Absatz 4 EEG 2023 grundsätzlich möglich. Der Netzbetreiber bleibt zugleich dazu verpflichtet, sein Netz bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen (vgl. § 11 EnWG).
- Auch die Fristen nach § 8 EEG 2023 finden entsprechende Anwendung, sodass im Falle einer unterbliebenen Rückmeldung des Netzbetreibers auf ein entsprechendes Begehren des Anlagenbetreibers nach einem Monat die 70-Prozent-Begrenzung der Wirkleistungseinspeisung oder die Ausstattung mit einer technischen Einrichtung, mit der der Netzbetreiber jederzeit die Einspeiseleistung ganz oder teilweise ferngesteuert reduzieren kann, entfernt werden kann (§ 8 Ab- satz 5 Satz 3 EEG 2023).
Repowering
Das neue Gesetz stärkt zudem das Repowering, indem es erstmals den Ersatz von Modulen an bestehenden Standorten ermöglicht, ohne dass es zu einem technischen Defekt, einer Beschädigung oder einem Diebstahl gekommen sein muss. Bisher ist lediglich für einen technischen Defekt, Beschädigung oder Diebstahl geregelt, dass die ersetzende Anlage in Förderhinsicht an die Stelle der ersetzten Anlage tritt. Diese Begrenzung wird aufgehoben und die Ersetzungslösung gilt nun auch für das Repowering. Damit soll kurzfristig eine Erhöhung der Einspeisung von Strom aus Solarenergie bewirkt werden, denn bei Photovoltaikmodulen tritt über die Nutzungsdauer ein Leistungsverlust ein (Degradation) und neue Module sind durch technologischen Fortschritt deutlich effizienter geworden.
Ein derartiges Repowering auf bestehenden Flächen kann besonders kurzfristig wirken, da in der Regel keine vorherigen baurechtlichen Schritte erforderlich sind und der Netzanschluss der Anlagen bereits besteht.
Deutscher Bundestag Drucksache 20/3743
- Das heißt, dass für die ersetzende Anlage eine Inbetriebnahme zu dem Zeitpunkt fingiert wird, zu dem die ersetzte Anlage in Betrieb genommen wurde.
- Die Zahlungsberechtigung wechselt von der ersetzten Anlage auf die ersetzende Anlage.
- Eine weitere Förderung der ersetzten Anlage nach § 19 EEG 2023 ist nicht möglich.
- Die Zahlungsberechtigung bezieht sich im Falle einer Erhöhung der Leistung (etwa durch Installation effizienterer Module) der Höhe nach nur auf die vor der Ersetzung bestehende Leistung.
- Entsprechend wird im Falle einer Leistungserhöhung der eingespeiste Strom nur anteilig nach § 19 EEG 2023 vergütet.
- Zur kurzfristigen Beschleunigung des Ausbaus von Solaranlagen wird die maximale Gebotsgröße für sämtliche Ausschreibungstermine im Jahr 2023 von 20 auf 100 Megawatt erhöht. Hiermit ist auch eine entsprechende Erweiterung bestehender Anlagen möglich.
HINWEIS:
Diese Neuregelung gilt für Solaranlagen des ersten Segments: Freiflächenanlagen und Solaranlagen die auf, an oder in baulichen Anlagen errichtet werden, die weder Gebäude noch Lärmschutzwände sind. Die Möglichkeit des Repowering gilt auch für Freiflächenanlagen, die nicht an Ausschreibungen teilgenommen haben. Für Dach-Solaranlagen gilt die Neuerung nicht, hier bleibt es bei der bisherigen Regelung, dass eine Ersetzung von einem technischen Defekt, einer Beschädigung oder einem Diebstahl abhängig ist.
HINWEIS:
Die Reform bringt noch eine Klarstellung, dass Agri-PV-Anlagen nicht ausschließlich horizontal aufgeständert sein können, wenn sie den Bonus in den Ausschreibungen erlangen möchten. Vielmehr ist auch eine Neigung der Anlagen möglich, solange die Anlage insgesamt mit einer lichten Höhe von mindestens 2,10 m aufgeständert ist (vgl. DIN SPEC 91434).
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