Die European Securities and Markets Authority (ESMA) zeigt in Sachen ESG starke Präsenz. Gerade erst war ihre Vorsitzende, Frau Verena Ross, mit einer beeindruckenden Keynote Speech auf dem ZIA Finance Day 2013 zu Gast.
Sie berichtete, dass sich die Anlegerpräferenzen massiv in Richtung nachhaltiger Anlagen verlagert haben, was wiederum ein wichtiger Beitrag leisten könne zu Europas Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft im Rahmen des europäischen Green Deal. Jedoch berge die Kombination aus rasant steigender Investorennachfrage und einem schnell wachsenden Markt unter dem Begriff Greenwashing gewisse Risiken für Investoren: Die Vielzahl an Produkten auf dem Markt mache es Investoren schwer, zu erkennen, welche Unternehmen und Produkte das Label ‘nachhaltig‘ auch wirklich verdienen.
Die ESMA sieht es demnach als problematisch an, dass das Fehlen klarer und allgemeiner Labels für ESG-Anlagen und Produkte zu falschen Darstellungen und unrichtigen Offenlegungen führen kann, woraus wiederum Reputations- und finanzielle Risiken für die beteiligten Akteure und erhebliche Risiken für den Anlegerschutz resultieren können.
Siehe auch schon:
Braun, hellgrün, dunkelgrün – oder doch Greenwashing? Zur Evaluation und Nachjustierung von EU Taxonomie, EU GBS, SFDR, CSRD & Co.
Unser erster Trends, Risks and Vulnerabilities (TRV) Bericht des Jahres 2023 zeigt, dass ESG-Märkte jedoch weiter wuchsen und dieser Trend demonstriert eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber den breiteren Marktentwicklungen. Im Bereich des nachhhaltigen Finanzierens haben wir gesehen, dass Anleger ihre Anlageprodukte bewusst auf Basis derer Nachhaltigkeitsprofile auswählen, was sich laut unserem Bericht in stetige Nettozuflüsse in SFDR-Artikel-9-Fonds widerspiegelt.
Verena Ross, ESMA Chair, Keynote Speech for ZIA Finance Day 2023 – Berlin

In ihrem Trends, Risks and Vulnerabilities (TRV) Bericht des Jahres 2023 hatte die ESMA bereits grundlegende Bedenken an der Marktentwicklung angesprochen. Da es kein EU-weites Labelsystem für ESG-Fonds gibt, hätten einige Fondsmanager die SFDR-Artikel 8 und 9 auch als stellvertretende Kennzeichnungen für Kommunikationszwecke verwendet. SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) war nach der ESMA aber nicht als Labelsystem gedacht und enthält nicht die Art von Anforderungen, die üblicherweise an freiwillige Labels geknüpft sind, was zu weiteren Bedenken über potenzielles Greenwashing geführt hat. ESMA spricht von einem Missbrauch der SFDR als Marketinginstrument mit potenzielle Risiken für die Anleger.
Gerade erst ist bei der ESMA ein Konsultationsprozess beendet worden zu dem Consultation Paper on Guidelines on funds’ names using ESG or sustainability-related terms. Das Konsultationspapier zielt darauf ab, spezifischere Leitlinien für Fondsnamen mit ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen zu entwickeln, gerade auch als Antwort auf die kritisierte Verwendung der SFDR als Label zu Marketingzwecken.
- Begriffe in Fondsnamen, die einen Investitionsschwerpunkt in Unternehmen nahelegen, die bestimmte ESG-Standards erfüllen, können demnach besonders wirkungsvoll sein, da Fonds durch die Verwendung von Nachhaltigkeits- oder ESG-Begriffen in ihrem Namen erhebliches Interesse wecken und sich bei den Anlegern hervorheben können.
- Der Name eines Fonds wird als ein Instrument verstanden, um den Anlegern Informationen über den Fonds zu vermitteln, und stellt außerdem ein wichtiges Marketinginstrument für den Fonds dar.
- Der Name eines Fonds sei in der Regel das erste Fondsmerkmal, das die Anleger sehen, und obwohl von den Anlegern erwartet wird, dass sie über den Namen hinausblicken und die Fondsunterlagen im Detail prüfen, könne der Name einen erheblichen Einfluss auf ihre Anlageentscheidungen haben.
Die finalen Leitlinien werden im Q2/Q3 2023 erwartet. Sie könnten zur Grundlage für die Kennzeichnung werden und das Fehlen eines EU-weiten Labels für ESG-Fonds beheben.
In recent years, investor demand for investment funds that incorporate environmental, social and governance (ESG) factors has been growing sharply and it is expected to continue growing in the future. This increasing demand without the effective application of existing criteria for sustainability such as the EU Taxonomy, has led to concerns in ESMA. Sustainability disclosures may give rise to risk of “greenwashing” and this is particularly relevant if funds are named as green or socially sustainable, when sufficient sustainability standards commensurate with that name have not been met.
ESMA, Consultation Paper on Guidelines on funds’ names using ESG or sustainability-related terms
Auch die deutsche BaFin hatte mit ihrem Entwurf einer BaFin-Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen schon auf diese Regulierungslücke reagieren wollen: Die SFDR regele lediglich Transparenzpflichten, über die Bezeichnung eines Investmentvermögens als nachhaltig und die Ausgestaltung der Anlagebedingungen treffe die SFDR keine Aussage. Mithin führe die bloße Erfüllung der durch die SFDR vorgegebenen Transparenzpflichten nicht zwingend dazu, dass ein Fonds sich als „nachhaltig“ im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen oder als solches vertrieben werden darf. Die BaFin-Initiative wurde mit Blick auf die EMSA-Initiative jedoch zunächst zurückgestellt.
Die ESMA schlägt im Wesentlichen vor:
Generelle Anforderungen
- Die Namen von Fonds in Fondsdokumenten oder Marketingkommunikation sollten nicht irreführend sein, da die Offenlegung von Nachhaltigkeitsmerkmalen der tatsächlichen Anwendung dieser Merkmale auf den Fonds entsprechen sollte.
- Die Verwendung von ESG- und nachhaltigkeitsbezogener Terminologie in Fondsnamen sollte nur dann verwendet werden, wenn sie durch Belege für Nachhaltigkeitsmerkmale oder -ziele, die in den Anlagezielen und der Anlagepolitik des Fonds sowie seiner Strategie, wie sie in den einschlägigen Fondsunterlagen beschrieben sind, angemessen und konsistent widergespiegelt werden, wesentlich unterstützt wird.
- Um dem Greenwashing-Risiko bei Fonds zu begegnen, gibt die ESMA Leitlinien für Fondsnamen heraus, in denen quantitative Schwellenwerte für die Verwendung von ESG- und nachhaltigkeitsbezogener Terminologie in Fondsnamen angegeben werden, damit die Marketingkommunikation klar, fair und nicht irreführend ist und die Fondsmanager ehrlich handeln.
Anteil der Investitionen für Fondsnamen mit ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen
- Der Vorschlag der ESMA würde Schwellenwerte einführen, die nach Ansicht der ESMA dazu führen würden, dass der Name eines Fonds, der ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwendet, mit seinen Anlagemerkmalen und -zielen in Einklang gebracht wird. Diese Angleichung zwischen dem Namen des Fonds und den Anlagemerkmalen oder -zielen wird dadurch erreicht, dass die Offenlegung des „Mindestanteils der Anlagen“ (ausgedrückt in Prozent), der zur Erfüllung der Merkmale oder Ziele des Finanzprodukts verwendet wird, mit dem in diesen Leitlinien angegebenen Schwellenwert verknüpft wird.
- Die Informationen über den Mindestanteil werden von den Finanzmarktteilnehmern, die den Investmentfonds anbieten, zur Verfügung gestellt und sind ab Januar 2023 in den vorvertraglichen Offenlegungen dieser Fonds verfügbar, während der tatsächliche Anteil während eines bestimmten Bezugszeitraums in den regelmäßigen Offenlegungen offengelegt wird.
- Die Mindestanteile werden wie folgt vorgeschlagen:
- Wenn ein Fonds ein ESG-bezogenes Wort in seinem Namen trägt, sollte ein Mindestanteil von mindestens 80 % seiner Anlagen dazu verwendet werden, die ökologischen oder sozialen Merkmale oder nachhaltigen Anlageziele gemäß den verbindlichen Elementen der Anlagestrategie zu erfüllen, wie in den Anhängen II und III der delegierten Verordnung der SFDR offengelegt.
- Wenn ein Fonds das Wort „nachhaltig“ oder einen anderen vom Wort „nachhaltig“ abgeleiteten Begriff in seinem Namen trägt, sollte er innerhalb der 80 % der Anlagen zur „Erfüllung der Merkmale/Ziele“ gemäß vorstehendem Punkt mindestens 50 % des Mindestanteils an nachhaltigen Anlagen im Sinne von Artikel 2(17)17 der Verordnung (EU) 2019/2088 (SFDR), wie in den Anhängen II und III der Delegierten Verordnung zur SFDR offengelegt, zuweisen.
Zum Vorschlag der Autorité des marches financiers (AMF)

Die französische Aufsichtsbehörde AMF sprach sich dagegen für die Einführung von Mindestanforderungen für Fonds der Artikel 8 und 9 aus (Proposal for minimum environmental standards for financial products belonging to the Art.9 and 8 categories of SFDR). Statt die Verwendung der Artikel 8 und 9 als Label zu unterbinden, solle die Europäische Kommission an der SFDR selbst anknüpfen und Regeln für die beiden Kategorien aufstellen, die den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Angleichung an die EU-Taxonomie beinhalten könnten.
The Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), adopted in 2019, was designed by the European co-legislators and the Commission as an ESG transparency regime applying to financial entities and products. Contrary to a labelling mechanism, SFDR does not set out any minimum expectations and only requires financial actors to disclose information about their claims and practices on sustainability matters. Therefore, SFDR and the current “Article 9” and “Article 8” classification does not help appreciating the extent to which financial products and their investments are sustainable. In that respect, the notion of “sustainable investment” set out in Article 2(17) of SFDR is worded in vague terms, and its implementation by financial actors has resulted in very different understandings of what sustainability is. Thus, it appears that SFDR has (i) created a gap between the reasonable expectations expressed by investors and the reality of the practices and (ii) fuelled the greenwashing. Divergent interpretations and frameworks have emerged, fragmenting the single market and hampering the financing towards a more sustainable European economy. The Autorité des marches financiers (AMF) conducted an informal consultation with financial actors and reached the conclusion that, to reduce greenwashing, it is paramount that the European Commission introduces minimum expectations that financial products should meet to be categorised Art.9 or Art.8 under SFDR.
Autorité des marches financiers (AMF), Proposal for minimum environmental standards for financial products belonging to the Art.9 and 8 categories of SFDR, 10 February 2023
Die AMF schlägt vor allem fünf Kernänderungen vor:
- Da die Kategorien nach Artikel 9 und 8 in Europa weitgehend anerkannt sind, soll die Kommission sie beibehalten, aber gleichzeitig Mindeststandards für sie einführen.
- Die vage Definition des Begriffs „nachhaltige Investitionen“ soll geklärt werden, um sie greifbar zu machen. Zu diesem Zweck soll Artikel 2(17) der SFDR durch eine neue Definition ersetzt werden, die auf objektiven Anforderungen beruht. Diese sollen aus einer Mindestanpassung an die EU-Taxonomie bestehen, die ökologisch nachhaltige Aktivitäten definiert. Eine solche Änderung soll mit einer Aufhebung der derzeitigen Auslegung der Kommission einhergehen, wonach Artikel 9-Produkte nur nachhaltige Investments erfasst. Darüber hinaus soll die neue Definition auf Investitionen in „Transition Assets“ ausgeweitet werden.
- Ein Mindestanteil der den Art.9-Produkten zugrunde liegenden Vermögenswerte soll aus Investitionen in Tätigkeiten bestehen, die mit der EU-Taxonomie übereinstimmen. Dieser Prozentsatz soll dynamisch sein und sich in vordefinierten Schritten nach oben entwickeln, um der Entwicklung der EU-Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen.
- Die Hersteller von Art. 9- und Art. 8-Produkten sollen verpflichtet werden, einen verbindlichen ESG-Ansatz zu verfolgen, wenn sie Anlageentscheidungen in Bezug auf die zugrundeliegenden Vermögenswerte dieser Produkte treffen.
- Art. 9-Wertungen sollen Investitionen in Aktivitäten im Bereich fossiler Brennstoffe ausschließen, die nicht mit der EU Taxonomie kompatibel sind. Was die Produkte nach Artikel 8 betrifft, so sind Investitionen in solche Aktivitäten möglich, sofern strenge Bedingungen erfüllt werden, die gewährleisten, dass diese Tätigkeiten einem geordneten Übergang verpflichtet sind. Dies könnte zum Beispiel die Anforderung beinhalten, dass das Unternehmen, in das investiert wird, einen überzeugenden Transitionsplan erstellt hat. Dieser Transitionsplan solle im Einklang mit der Corporate sustainability reporting Directive (CSRD) berichtet werden und gegebenenfalls von einem Abschluss-Plan begleitet sein, damit er nicht in einer bloßen Veräußerung der umweltschädlichsten Vermögenswerte besteht.
Mit der Ergänzung um den Transitionsgedanken (oben Ziff. 2, Transition Assets) greift die AMF einen zentralen Kritikpunkt auch aus der Immobilienwirtschaft auf. Gefordert wurde zuletzt, dass für eine erfolgreiche Transformation nicht nur in tiefgrüne Vermögenswerte investiert wird, sondern auch in den Umbau entlang der mittel- und langfristigen Transformationsstrategien von Unternehmen – oder eben von deren Bestandsimmobilien (siehe schon: Braun, hellgrün, dunkelgrün – oder doch Greenwashing? Zur Evaluation und Nachjustierung von EU Taxonomie, EU GBS, SFDR, CSRD & Co.). Die AMF schägt in diesem Sinne auch vor, dass ein Mindestanteil der den Art. 9- und Art. 8-Produkten zugrunde liegenden Vermögenswerten aus Investitionen in „Transition Asstes“ bestehen könnte. Der Nachteil des Vorschlages: Eine solche Reform dauert seine Zeit.
We acknowledge that there is currently no clear-cut definition for such investments and that such description will remain qualitative at best. Indeed, on-boarding the concept of transition is a long- term goal which will require policymakers to design a precise definition of those assets or activities that may qualify as transitioning. The AMF sees at least two possible routes to devise a quantitative definition of transition (see box below), which would ensure that greenwashing is stymied. We acknowledge that such routes will require several years of legislative design.
Autorité des marches financiers (AMF), Proposal for minimum environmental standards for financial products belonging to the Art.9 and 8 categories of SFDR, 10 February 2023


Es bleibt abzuwarten, welcher Ansatz sich durchsetzt. Die Europäische Kommission hat schon Mitte 2022 die ESAs (European Supervisory Authorities) um Beiträge im Zusammenhang mit Greenwashing-Risiken und der Überwachung nachhaltiger Finanzpolitik ersucht, auch um einen etwaigen Überarbeitungsbedarf zu Sustainable Finance zu eruieren. Und in ihrer erneuerten Sustainable Finance Strategy hatte die EU Kommission schon die Einführung von Mindeststandards für ESG-Strategien von SFDR-Artikel 8 und 9 Fonds erwogen. Schon 2023 könnte eine offene Konsultation für eine Überarbeitung der SFDR erfolgen.
ISO Sustainable Finance Standard
Auch wenn UK infolge Brexit vom europäischen Radar verschwunden ist, aufgrund des globalen Ansatzes erwähnenswert: Die British Standards Institution (BSI) hat einen neuen Standard für Sustainable Finance vorgestellt, der Investoren und Finanzinstitutionen dabei helfen soll, alle wichtigen ESG-Themen zu adressieren und Greenwashing zu vermeiden. Der mit einem weltweiten Geltungsanspruch veröffentlichte Standard wurde von der BSI in ihrer Rolle als Nationale Normungsorganisation (NSB) entwickelt, um den Mangel an Klarheit im globalen nachhaltigen Finanzsektor zu beheben. Angesichts zahlreicher Rahmenwerke und Vorschriften in verschiedenen Rechtsordnungen sollen diese Grundsätze die Fragmentierung beheben und eine bessere Zusammenarbeit in diesem Sektor erleichtern. In UK selbst wurde eben erst die ursprünglich für Anfang 2023 vorgesehene britische Taxonomie verschoben.

© Copyright by Dr. Elmar Bickert
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.