In einem aktuellen Papier des Umweltbundesamtes (Ambitionierter Klimaschutz: Fallstricke und Bedingungen des Gelingens, CLIMATE CHANGE 04/2023) wird die Anforderung an die Politik formuliert, lernend und adaptiv zu sein. Wichtig sei, dass politische Strategien und Institutionen adaptiv angelegt und bei unerwarteten Fallstricken leicht anpassbar sind. Voraussetzungen dafür seien unter anderem Monitoring- und Evaluationszyklen, die Zielverfehlungen aufdecken und an Nachjustierungsmechanismen im Klima einer positiven Fehlerkorrektur gekoppelt sind.
Zumindest auf europäischer Ebene scheint dies schon realisiert zu werden. Die Europäische Kommission hat Mitte 2022 die drei europäischen Ausfischtsbehörden European Banking Authority (EBA), European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) und European Securities and Markets Authority (ESMA), zusammen ESAs (European Supervisory Authorities), um Beiträge im Zusammenhang mit Greenwashing-Risiken und der Überwachung nachhaltiger Finanzpolitik ersucht.
Ende 2022 hatten die ESAs dann einen „Call for Evidence on greenwashing“ veröffentlicht, um Input von Stakeholdern zum Verständnis der wichtigsten Merkmale, Treiber und Risiken im Zusammenhang mit Greenwashing zu sammeln und Beispiele für potenzielle Greenwashing-Praktiken zu erfassen. Der Call for Evidence bittet um Beiträge zu potenziellen Greenwashing-Praktiken im gesamten EU-Finanzsektor, einschließlich Banken, Versicherungen und Finanzmärkten, die für verschiedene Segmente der Wertschöpfungskette nachhaltiger Investitionen und des Lebenszyklus von Finanzprodukten relevant sein könnten.
Die Frist zur Stellungnahme zum Aufruf der Aufsichtsbehörden ist im Januar 2023 abgelaufen und nun wird zum Mai 2023 ein Fortschrittsbericht und zum Mai 2024 ein Abschlussbericht der ESAs erwartet. Dieser soll u.a. auch einen Einblick in Bereiche geben, in denen der derzeitige Rechtsrahmen verbessert werden kann, und zwar auf der Grundlage der beobachteten und erfahrenen potenziellen Unzulänglichkeiten (Pannen, Unstimmigkeiten, widersprüchliche Konzepte oder Definitionen, Lücken usw.).
The demand for and offer of sustainable investments is growing rapidly. This is a very positive trend in line with the European Green Deal objectives. However, it should not come at the expense of greenwashing practices, affecting investors, consumers and financial market participants and potentially undermining the overall trust in sustainable finance and the capacity of the financial system as a whole to channel private capital to sustainable investments.
European Commission Request for input related to greenwashing risks and supervision of sustainable finance policies, 23 May 2022
Nach der EU Kommission hat die EU wichtige Schritte unternommen, um Greenwashing auf dem Finanzmarkt zu bekämpfen, indem sie Maßnahmen und Rechtsvorschriften im Bereich der nachhaltigen Finanzen verabschiedet hat. Dazu gehören die Offenlegung der Nachhaltigkeit und Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Taxonomie-Verordnung und Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, Corporate Sustainability Reporting Directive) sowie von Herstellern von Finanzprodukten und Finanzberatern (Sustainable Finance Disclosure Regulation, Taxonomie-Verordnung, Nachhaltigkeitspräferenzen von Kleinanlegern bei der Anlageberatung).
HINWEIS:
Nachdem das Europäische Parlament die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) am 10. November 2022 angenommen hatte und der Rat der Europäischen Union am 28. November 2022 dies bestätigte, ist die CSRD im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Sie ist am 05. Januar 2023 in Kraft getreten und ist nun bis zum 06. Juli 2024 in nationales Recht umzusetzen.
Nach der EU Kommisssion hat die EU auch Instrumente geschaffen, um die Transparenz zu erhöhen und den Endanlegern zu helfen, glaubwürdige Anlagemöglichkeiten und potenzielle Risiken zu erkennen. Dazu gehören die SFDR und die Taxonomie-Offenlegungen, die Benchmarks im Rahmen der Benchmark-Verordnung und der europäische Standard für grüne Anleihen. Darüber hinaus werden finanzielle Risiken, die sich aus Greenwashing ergeben, durch aufsichtsrechtliche Vorschriften wie die CRR/CRD-Vorschriften für Banken und die Solvency II-Vorschriften für Versicherungsunternehmen abgedeckt.
Mit der Umsetzung des EU-Rahmens für nachhaltige Finanzen und weiteren Rechtsvorschriften in Verhandlung soll die Transparenz erheblich erhöht und der Nachweis von Nachhaltigkeitsaussagen auf dem Finanzmarkt verlangt werden. Doch bedarf es nach der EU Kommission auf Grundlage der bestehenden EU-Politiken weiterer Untersuchungen und eines gemeinsamen Verständnisses der spezifischen Merkmale und der Art und Weise, wie Greenwashing auf dem Finanzmarkt zum Tragen kommen kann.
In parallel to the implementation of key policies, the monitoring of greenwashing is important. Greenwashing risks can arise in different parts of the financial market, including those not covered by sustainability rules and policies. The effectiveness of sustainable finance policies depends on an adequate level of supervision and enforcement across the EU. Therefore, it is crucial to closely monitor those risks and follow-up on the ways in which they are being tackled. Supervisors play a key role in monitoring greenwashing risks and compliance with European sustainable finance legislation. It is within the mandate of supervisory authorities to ensure that investors and consumers are protected against unsubstantiated or exaggerated sustainability claims, throughout the investment chain and product life cycle.
European Commission Request for input related to greenwashing risks and supervision of sustainable finance policies, 23 May 2022
Auf europäischer Ebene wird daher nun in den folgenden Hauptbereichen an einer Empfehlung für die Europäische Kommission gearbeitet:
- Eindeutige Definition von Greenwashing und besseres Verständnis des Phänomens, seines Ausmaßes und der damit verbundenen potenziellen Risiken;
- Bestandsaufnahme der Umsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften für nachhaltige Finanzen im Zuständigkeitsbereich der ESAs und Identifizierung der ersten Herausforderungen für Stakeholder und Regulierungsbehörden; und
- Darstellung verschiedener Aspekte der aufsichtlichen Reaktion und Bewertung ihrer Angemessenheit sowohl aus rechtlicher als auch aus praktischer Sicht.
Ein aktuelles KfW Research-Paper (Nr. 413 vom 16.01.2023 – Fokus Volkswirtschaft: Schwarz, Green Finance: Der Finanzmarkt als Hebel für die Klimatransformation?) regt ebenfalls Nachjustierungen an.
Die EU habe zwar etwa mit der der EU-Taxonomie, dem EU Green Bond Standard (EU GBS), der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) sowie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wichtige Fortschritte hin zu mehrTransparenz, Belastbarkeit und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen angestoßen, es dauere aber noch eine ganze Weile, bis diese Vorhaben flächendeckend Anwendung finden.
Eine Transparenz über Klimawirkungen und Klimarisiken sei nicht nur zentral für die Mobililierung privater Investitionen, für die Sicherung der Finanzstabilität und für den Kampf gegen Greenwashing, sondern auch ein wesentlicher Baustein und Erfolgsfaktor für ein erforderliches ganzheitliches Rahmenwerk, das dazu beiträgt, Nachhaltigkeit in der Breite des Markts zu verankern, klimafreundliche Innovationen in heute emissionsintensiven Sektoren zu ermöglichen und Finanzströme ganz grundsätzlich nachhaltig aufzustellen.
Hierfür aber ist es nach dem KfW-Papier wiederum erforderlich, den Fokus auf den Finanzmärkten von einer engen Unterscheidung zwischen „grünen“ und „braunen“ Vermögenswerten wegzubewegen. Dieser Fokus sei nicht zielführend. Für eine erfolgreiche Transformation dürfe nicht nur in tiefgrüne Vermögenswerte investiert werden, sondern auch und gerade in den Umbau von Unternehmen entlang ihrer Transformationsstrategien.
Das führt uns in den Bau- und Immobiliensektor. Und zu einem aktuellen Paper von INREV (European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles): Falling through the cracks: SFDR’s impact on real estate investment, January 2023. Auch dort geht es um Nachjustierungen, und zwar bezogen auf den Immobilienbereich.
Das Paper bewertet die Anwendung von SFDR-Immobilienprodukten in der Praxis und basiert auf strukturierten Interviews mit Vertretern von institutionellen Investoren und Managern mit ESG- und Nachhaltigkeitsengagement. Es überprüft u.a. die Frage, wie sich die Anwendung der SFDR auf Immobilien in ihrer derzeitigen Form zu dem übergeordneten Ziel der Verordnung verhält, das darin besteht, Kapital in nachhaltigere Investitionen zu lenken und Investoren bei ihren Entscheidungen zu unterstützen, indem die Transparenz verbessert und gemeinsame Standards eingeführt werden.
Das Paper definiert die fehlende Unterscheidung zwischen statischen und dynamischeren Anlageklassen als ein Schwachpunkt bei der Anwendung auf Immobilien, der die Fähigkeit der SFDR, ihre Ziele für Immobilien zu erreichen, behindere.
- Investitionen in Immobilien stellen demnach eine Investition in einen Geschäftsplan dar, der über einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont ausgeführt wird. Insbesondere bei nachhaltigen Immobilien gehe es um Anlageprodukte, bei denen es sich in der Regel um Übergangsstrategien handelt, die den Erwerb ineffizienter Immobilien beinhalten, welche mit einem mittel- bis langfristigen Investitionshorizont und im Sinne der Ressourceneffizienz neu positioniert werden.
- Die SFDR dagegen lege den Fokus nicht auf Ambitionen und Fortschritte bei der Umstellung dieser Vermögenswerte, fördere kein Investitionskapital für den nachhaltigen Übergang der bebauten Umwelt, sonder begründe die Gefahr, dass sich Investoren von ineffizienten Anlagen trennen, statt sie nachhaltig zu entwickeln. ESG-orientierte Entwickler, Eigentümer und Manager, welche sich mit der nachhaltigen Entwicklung von Bestandsimmobilien befassen, riskieren nach dem INREV-Paper, dass ihnen das Kapital ausgeht, da das Immobilenprodukt als Artikel 6 kategorisiert werde, während viele Investoren und Fremdkapitalgeber Artikel 8 als Grundlage für neue Kapitalzuweisungen verwenden.
- Verschärfend kommt nach dem INREV-Paper hinzu, dass die SFDR die mit dem Neubau verbundenen Emissionen nicht beachte. Dies könne bei Immobilieninvestments zu Greenwashing und zur Fehlleitung von Kapital innerhalb des Immobiliensektors führen.
Ganz im Sinne des vorgenannten KfW-Papiers soll für eine erfolgreiche Transformation also nicht nur in tiefgrüne Vermögenswerte investiert werden, sondern auch in den Umbau entlang der mittel- und langfristigen Transformationsstrategien von Unternehmen – oder eben von deren Bestandsimmobilien. Eine Artikel 8-Fokusierung für Investment-Entscheidungen im Rahmen der SFDR mag demnach für Neubauvorhaben gut sein, läuft aber Gefahr, die für die Transformation so wichtige Entwicklung und Modernisierung von Bestandsimmobilien zu ignorieren.
Aufgegriffen ist damit auch die Diskussion
- um Neubau versus Bestandssanierung (Quo vadis Wohnungsbau? Zwischen Bezahlbarkeit, Förderfähigkeit, Transformation und New European Bauhaus) bis hin zur Forderung nach einem Abrissmoratorium und
- um die Kreislaufwirtschaft im Bausektor (Critical Raw Materials Act & Circular Economy: Initiativen zur Rohstoffsicherung, Kreislaufwirtschaft und zum Baustoffrecycling).
Real estate is a major linchpin in the fulfilling the EU’s objective to reach the ambitions of the Paris Agreement. Regulation has the capacity to greatly accelerate the necessary transition of the built environment. The overriding objectives of SFDR to increase transparency, create standards and inhibit greenwashing are well-matched to the needs of the real estate investment market.
However, as SFDR has been tailored to the public markets, which dominate the financial markets – although not emissions – efficacy is lost in their application to real estate. While not their intended purpose, periodic disclosures are likely to prove useful in tracking the strategic objectives of investment products against investment milestones within longer-term business plans. Equally, any revisions that seek to tailor SFDR to private markets and in particular to real estate, have the potential to increase its potency and further increase the pace of decarbonisation.
INREV, Falling through the cracks: SFDR’s impact on real estate investment, January 2023
SIEHE AUCH:
- Sustainable Finance & ESG-Reporting: How to measure and disclose risks, opportunities and data?
- ESG on Track: Neue EU-Nachhaltigkeitsstandards mit EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
- US Midterms & EU Real Estate Trends: ESG at risk?
- New Climate-Related Statistical Indicators published: Why the ECB is fighting climate change – and the Fed is not

Das INREV-Paper mag auf einem überschaubaren Erhebungsrahmen beruhen und einen begrenzten Ausschnitt des Marktes wiedergeben. Es steht aber mit seinem Anliegen eines Nachjustierens nicht allein.
Es steht auch nicht allein, soweit es darum geht, die Besonderheiten des Immobiliensektors hervorzuheben und einzufordern.
- Schon im November 2022 hatte die Studie The Rockefeller Foundation / Boston Consulting Group, Climate Finance Funding Flows and Opportunities, What Gets Measured Gets Financed, sich mit den Besonderheiten des Gebäudesektors befasst und hervorgehoben, dass lange Amortisationszeiten und unterschiedliche Anreize für Gebäudeeigentümer und Mieter die Finanzierung und Investitionen in die Dekarbonisierung behindern. Um die Investitionen zu erhöhen, sei vor allem angesichts der hohen Vorlaufkosten eine eine kontinuierliche Unterstützung durch die Politik unerlässlich.
- Und die Taskforce for Climate-related Financial Disclosures (TCFD) hat in einer sektorenspezifischen Betrachtung für den Bau- und Immobiliensektor branchenspezifische Kenntzahlen befürwortet (TCFD, Implementing the Recommendations of the Task Force on Climate-related Financial Disclosures, 2021). Da die Branche kapitalintensiv ist und die Anlagen und Einrichtungen eine lange Lebensdauer haben, sei eine beschleunigte R&DDD (research, development, demonstration, and deployment) von entscheidender Bedeutung.
Und damit sind wir wieder bei der Forderung des Umweltbundesamtes. Für die EU-Regulierung könnte das funktionieren, vorausgesetzt die aktuelle Evaluation der EU Kommission berücksichtigt auch die Spezifika des Bau- und Immobiliensektors. Stay tuned.
© Copyright by Dr. Elmar Bickert
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