Der BGH (Urt. v. 22.04.2015 – XII ZR 55/14) hat sich mal wieder zu den Anforderungen des mietrechtlichen Schriftformgebots geäußert und seine Rechtsprechung fortgeschrieben:

Die grundlegenden Anforderungen des Schriftformgebots

Nach § 550 i.V.m. § 578 Abs. 1 BGB müssen Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr die gesetzliche Schriftform wahren.

  • Das ist dann der Fall, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen (insbesondere: Mietgegenstand, Miete, Dauer und Parteien) aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt.
  • Ausgenommen vom Schriftformgebot sind nur solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrages von nur nebensächlicher Bedeutung sind.

Zweck und Schutzrichtung des Schriftformgebots

Das mietrechtliche Schriftformgebot dient v.a. dem Schutz eines späteren Grundstückserwerbers, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt (siehe auch BGH, Urt. v.30.04.2014 – XII ZR 146/12):

  • Er soll die Mietvertragsbedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen können.
  • Er soll davor geschützt werden, sich auf einen Mietvertrag einzulassen, dessen wirtschaftliche Bedingungen sich anders als erwartet darstellen, etwa wegen einer vom bisherigen Vermieter nur mündlich vereinbarten Mietreduzierung.
  • Sein Schutzinstrument besteht darin, dass er nach der gesetzlichen Konzeption im Fall eines Schriftformmangels berechtigt ist, sich vom Mietvertrag vorzeitig durch ordentliche Kündigung zu lösen.

Zu den Unterschriften der Parteien bei Personenmehrheit
  • Liegt auf Seiten des Mieters und/oder des Vermieters eine Personenmehrheit vor und ist der Vertrag nicht von allen Mietern oder Vermietern unterzeichnet, so müssen die vorhandenen Unterschriften deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie auch in Vertretung der nicht unterzeichnenden Vertragsparteien geleistet worden sind.
  • Kommt dies nicht deutlich zum Ausdruck, so kann der Urkunde nicht hinreichend deutlich entnommen werden, ob der Vertrag mit allen Parteien wirksam zustande gekommen ist oder ob die Wirksamkeit des Vertrages so lange hinausgeschoben sein soll, bis auch die weiteren Vertragsparteien unterschrieben haben (Eindruck der Unvollständigkeit).

Zu den Unterschriften der Parteien bei Kapitalgesellschaften

Kein Fall der Personenmehrheit liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft auf einer Seite alleinige Vertragspartei ist und von mehreren Personen vertreten wird.

  • Ein schriftformwidriger Eindruck der Unvollständigkeit kann hier bestehen, wenn die im Rubrum des Vertrages genannten Vertreter nicht vollständig und ohne Vertretungszusatz unterschrieben haben.
  • Sind dagegen im Rubrum des Vertrages (oder des jeweiligen Nachtrages) die Vertreter nicht näher bezeichnet, so reicht es für einen  schriftformkonformen Vertrag aus, wenn ohne Vertretungszusatz nicht alle vertretungsberechtigten Personen unterzeichnen, solange eine Vertretungsform gewählt wird, die das Gesetz grundsätzlich für möglich erachtet. Unterschreibt also bei einer Aktiengesellschaft nur ein Vorstandsmitglied (ggf. gemeinsam mit einem Prokuristen) in der mit Mieter gekennzeichneten Unterschriftsleiste, so hält sich dies im Rahmen der aktienrechtlichen Gestaltungsoptionen (§ 78 Abs. 3 AktG) und bringt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Unterzeichnende die im Rubrum des Vertrages als Mieterin genannte Aktiengesellschaft allein vertreten wollte. Eines Vertretungszusatzes bedarf es hier nicht, es besteht kein Eindruck der Unvollständigkeit.
  • Liegt die vorstehend beschriebene Fallgestaltung vor (die Unterschrift widerspricht nicht den Rubrum-Angaben und sie entspricht den gesetzlichen Gestaltungsoptionen), so kann ein schriftformwidriger Eindruck der Unvollständigkeit auch nicht damit begründet werden, dass die Unterschriftsleistungen nicht den Anforderungen genügt, die für die jeweilige Gesellschaft im Handelsregister eingetragen sind (z.B. Unterschrift nur eines Vorstandmitgliedes, obwohl das Handelsregister die Vertretung durch zwei Vorstandsmitglieder vorsieht). Dies aus den folgenden Gründen:

(1.) Die Frage des Eindrucks der Unvollständigkeit richtet sich allein nach der äußeren Form der Vertragsurkunde. Die aus dem Handelsregister  ersichtliche Vertretungsregelung dagegen soll hierfür keine Rolle spielen.

(2.) Die Angaben des Handelsregisters sind für die Frage der Schriftformkonformität ohne Bedeutung. Sie geben Auskunft über die tatsächlichen Vertretungsverhältnisse. Auf das tatsächliche Vorliegen einer Vertretungsmacht (materielle Frage) kommt es bei der Schriftform (formale Frage) aber nicht an. Denn der Schutzzweck des Schriftformgebots geht nicht so weit, dass der Erwerber des Grundstücks über das wirksame Bestehen eines Vertrages informiert werden müsste. Ob der Vertrag also mit der erfolgten Unterzeichnung aufgrund wirksamer Vollmacht wirksam zustande gekommen ist oder ob der Unterzeichnende ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, ist daher für die Einhaltung der Schriftform ohne Relevanz.


Zu den Unterschriften der Parteien bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR)

Unterschreiben bei einer GbR nicht alle zur gemeinschaftlichen Vertretung berufenen Gesellschafter den Mietvertrag, so ist die Schriftform nur gewahrt, wenn ein hinreichend deutlicher Vertretungszusatz aufgenommen wird (siehe auch BGH, Urt. v. 23.01.2013 – XII ZR 35/11):

  • Der Vertretungszusatz kann zum einen den Hinweis enthalten, dass das unterzeichnende Organmitglied auch die nicht unterzeichnenden Organmitglieder vertreten will (Unterzeichnung als Mitglied des mehrgliedrigen Vertretungsorgans).
  • Der Vertretungszusatz kann zum anderen den Hinweis enthalten, dass der Unterzeichner für sich allein die Berechtigung zum Abschluss des Vertrages in Anspruch nehmen will. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn der Unterzeichner neben seine Unterschrift einen vom Geschäftsinhaber autorisierten Stempel setzt: Da der Geschäftsverkehr dem Firmen- oder Betriebsstempel eine Legitimationswirkung beimisst, dokumentiert der Unterzeichner hinreichend deutlich, zur alleinigen Vertretung berechtigt zu sein und in diesem Sinne handeln zu wollen. Ein Eindruck der Unvollständigkeit entsteht hier nicht, die Frage der tatsächlichen  Alleinvertretungsbefugnis ist dagegen ohne Bedeutung für die Schriftformkonformität.

Zu den Nachträgen

Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen oder Nachträgen ausgelagert, müssen die Vertragsparteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu

  • bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke, sondern
  • genügt die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss.

Werden etwa Nachträge zum Mietvertrag abgeschlossen, so müssen diese zur Wahrung der Schriftform des gesamten Vertragswerks

  • auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nehmen und
  • zum Ausdruck bringen, es solle unter Einbeziehung der Nachträge bei dem verbleiben, was früher formgültig niedergelegt worden sei.

Liegt z.B. ein zweiter Nachtrag vor, der als „2. Nachtrag zum Mietvertrag“ gekennzeichent ist und auf den ursprünglichen Mietvertrag, nicht aber ausdrücklich auf den ersten Nachtrag Bezug nimmt, so liegt darin kein Schriftformmangel, wenn der 1. Nachtrag zumindest gedanklich zweifelsfrei in Bezug genommen wird.

 

 


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