In einem kürzlichen Beitrag war bereits auf AGB-Risiken in Kauf- und Lieferverträgen eingegangen worden. In dem vorliegenden Beitrag soll nun nochmals die Baulieferkette in den Fokus genommen werden, und zwar aus Sicht des vertraglichen Haftungsmanagements:
Wenn
- ein Hersteller von standardisierten Baumaterialien diese an einen Zwischen-/Fachgroßhändler (Händler) liefert,
- der Händler diese Baumaterialien an einen Bauunternehmer liefert und
- der Bauunternehmer sie im Rahmen seiner Bauleistungen für den Bauherren in das Bauwerk einbaut,
stellt sich mitunter die Frage, wer die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Baumaterialien und den Einbau von mangelfreien Baumaterialien trägt (Aus- und Einbaukosten), wenn sich in dem Mangel ein Produktfehler des Herstellers realisiert, der in der Lieferkette nicht ohne weiteres erkennbar war. Der BGH hat hierzu in seiner neueren Rechtsprechung Grundlegendes entschieden (Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13; siehe auch Urt. v. 29.04.2015 – VIII ZR 104/14).
Bauherr ⇒ Bauunternehmer
- Der Bauherr kann vom Bauunternehmer über den (verschuldensunabhängigen) werkvertraglichen Nacherfüllungsanspruch den Ausbau der mangelhaften Baumaterialien und den Einbau mangelfreier Baumaterialien auf Kosten des Bauunternehmers verlangen (vorausgesetzt, eine Nacherfüllung durch Nachbesserung scheidet aus und es kommt nur eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung in Betracht).
- Auf einen werkvertraglichen Schadensersatzanspruch (statt der Leistung) kann sich der Bauherr dagegen nicht stützen: Der Bauunternehmer muss sich gegenüber dem Bauherrn ein Verschulden seines Lieferanten (Händler oder Hersteller) nicht zurechnen lassen. Mangels eigener Erkennbarkeit des Produktfehlers kommt ein eigenes Verschulden nicht in Betracht – ohne Verschulden aber kein Schadensersatzanspruch.
Bauunternehmer ⇒ Händler
- Der Bauunternehmer kann vom Händler über den (verschuldensunabhängigen) kaufvertraglichen Nacherfüllungsanspruch auf Ersatzlieferung nur die Neulieferung, nicht aber den Aus- und Einbau verlangen (anders nur bei einem Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucherkunden).
- Auch auf einen kaufvertraglichen Schadensersatzanspruch (statt der Leistung) wegen schuldhafter Verletzung der Nacherfüllungspflicht des Händlers (z.B. unberechtigte Verweigerung der Nacherfüllung) kann sich der Bauunternehmer nicht stützen. Es fehlt der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Aus- und Einbaukosten: Sie wären auch bei pflichtgemäßer Nacherfüllung entstanden, und zwar zu Lasten des Bauunternehmers (siehe vorstehend). Ein solcher Schadensersatzanspruch ist „nur“ auf Ersatz der Kosten für eine anderweitige Beschaffung mangelfreier Sachen durch einen Deckungskauf gerichtet.
- Ein kaufvertraglicher Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten besteht im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmen nur dann, wenn der Verkäufer verschuldet seine Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache verletzt hat. Mangels eigener Erkennbarkeit des Produktfehlers kommt ein eigenes Verschulden des Händlers nicht in Betracht und er muss sich gegenüber seinem Kunden auch nicht das Verschulden seines Vorlieferanten oder Herstellers zurechnen lassen (unabhängig davon, ob der Vertrag zwischen Bauunternehmer und Händler ein Kaufvertrag oder ein Werklieferungsvertrag ist).
- Nach § 478 Abs. 2 BGB kann der Unternehmer beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von seinem Lieferanten grundsätzlich Ersatz der Aufwendungen verlangen, die der Unternehmer im Verhältnis zum Verbraucher zu tragen hatte (Lieferantenregress). Ist der Bauherr ein Verbraucher (z.B. bei Leistungen für das private Eigenheim), so könnte also doch eine Regressmöglichkeit für den Bauunternehmer gegenüber dem Händler bestehen? Nein, jedenfalls dann nicht, wenn der Vertrag zwischen Bauunternehmer und Bauherr ein Werkvertrag ist (und nicht ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag mit Montageverpflichtung).
Fazit:
Der Bauunternehmer sieht sich mithin der Gefahr ausgesetzt, gegenüber seinem Bauherrn die Aus- und Einbaukosten (verschuldensunabhängig) tragen zu müssen, seinerseits aber nicht Regress bei seinem Lieferanten/Händler nehmen zu können. Soweit nicht im Einzelfall Direktansprüche gegenüber dem Hersteller bestehen, besteht also Handlungsbedarf für die Vertragsgestaltung.
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