Bekanntlich hat das Bundeskabinett Ende April 2017 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung von Mieterstrom beschlossen. Den Gesetzentwurf (18/12355) hat der Bundestag am 18. Mai 2017 zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen. Anlass genug, ein Blick darauf zu richten, was nach diesem Entwurf der gesetzlich neu geregelte Mieterstromvertrag beinhaltet.
UPDATE: Am 29. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf in der Form der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie – 18/12988 – angenommen. Der Bundesrat hat am 07. Juli 2017 das Gesetz abgesegnet. Den finalen Gesetzestext finden Sie hier. Die Teile 1 & 2 dieses Beitrages sind an die finale Gesetzesfassung angepasst und entsprechen mithin der geltenen Rechtslage.
Im Wesentlichen verfolgt der Gesetzegeber mit dem Gesetz das Ziel,
- Mieterstrom zu fördern,
- dadurch zusätzliche Anreize für den Ausbau von Solaranlagen auf Wohngebäuden zu schaffen und
- dabei auch die Mieter wirtschaftlich zu beteiligen.
Ziel der Förderung von Mieterstrom ist es, insbesondere Mieter unmittelbarer als bisher als Akteure der Energiewende zu beteiligen. Die wirtschaftlichen Vorteile sollen nicht allein beim Anbieter von Mieterstrom verbleiben, sondern über attraktive Preise auch beim Letztverbraucher ankommen.
Die Einbeziehung des Mieters erfolgt über den Mieterstromvertrag. Dieser wird definiert als Vertrag über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom. Hier sieht sich der Gesetzgeber
- dem Gedanken der Vertragsfreiheit und
- der freien Wahl des Letztverbrauchers zwischen Stromanbietern
verpflichtet.
Der Gesetzentwurf soll ein angemessenes Verhältnis zwischen der Vertragsfreiheit und dem Schutz der Teilnehmer bei Mieterstrommodellen herstellen.
Damit setzt der Gesetzgeber auf die wettbewerbliche Selbststeuerung über den Strommarkt: Nur wenn der Mieter das Wahlrecht hat, bei überhöhten Preisen erst gar keinen Mieterstromvertrag abzuschließen oder später zu einem anderen Stromanbieter zu wechseln, habe der Mieterstromanlieferant einen Anreiz, wettbewerbsfähige Preise anzubieten.
Regelungsort des Mieterstromvertrages soll der neu eingefügte § 42a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sein. Dieser enthält die folgenden Regelungen:
§ 42a Abs. 1 EnWG: Grundlegendes zur Belieferung des Mieters mit Mieterstrom
Nach Absatz 1 sind für die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom im Sinn von § 21 Absatz 3 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorbehaltlich der weiteren Absätze 2 bis 4 des § 42a EnWG die Vorschriften des EnWG anzuwenden.
Der Absatz 1 stellt damit zunächst klar, dass die Lieferung von Mieterstrom als Energielieferung an Letztverbraucher grundsätzlich allen Vorgaben im EnWG unterliegt.
Der in Bezug genommene § 21 Abs. 3 EEG-Entwurf beschreibt Mieterstrom als Strom aus Solaranlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 100 Kilowatt, die auf, an oder in einem Wohngebäude installiert sind, soweit er an einen Letztverbraucher geliefert und verbraucht worden ist
- innerhalb dieses Gebäudes oder in Wohngebäuden oder Nebenanlagen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit diesem Gebäude und
- ohne Durchleitung durch ein Netz.
Das Gesetz hat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine wichtige Änderung und Erweiterung dahingehend erfahren, dass der Mieterstrom (-Zuschlag) nicht die Belieferung und den Verbrauch innerhalb des gleichen Gebäudes voraussetzt (also des Gebäudes der installierten Solaranlage), sondern auch den Verbrauch in Wohngebäuden oder Nebenanlagen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit diesem Gebäude zulässt, vorausgesetzt es kommt dabei nicht zur Durchleitung durch ein Netz der allgemeinen Versorgung. Diese Erweiterung soll weiteres Potential für die Mieterstrommodelle erschließen und den Umstand berücksichtigen, dass nicht jedes Gebäude gleichermaßen für ein in sich abgeschlossenes Mieterstrommodell geeignet ist.
Mit dem unter Ziff. 1 genannten räumlichen Zusammenhang knüpft die Neuregelung an die Definition der „Eigenversorgung“ nach dem EEG an: Der Verbrauch von Strom, den eine natürliche oder juristische Person im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht, wenn der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird und diese Person die Stromerzeugungsanlage selbst betreibt.
Wohngebäude im Sinne des Gesetzes ist jedes Gebäude, das nach seiner Zweckbestimmung überwiegend, mindestens aber zu 40 % der Fläche des Gebäudes, dem Wohnen dient, einschließlich Wohn-, Alten- und Pflegeheimen sowie ähnlichen Einrichtungen.
§ 42a Abs. 2 EnWG: Trennungsgebot
Nach Absatz 2 darf ein Mieterstromvertrag grundsätzlich nicht Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen sein.
Ausnahmen:
- Mietverhältnisse über Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist,
- Mietverhältnisse über Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt, und
- Mietverhältnisse in Alters- und Pflegeheimen, Studenten- und Lehrlingsheimen und in vergleichbaren Gebäuden oder Gebäudeteilen, deren Nutzung Personengruppen vorbehalten ist, mit denen wegen ihrer besonderen persönlichen Verhältnisse regelmäßig keine üblichen Mietverträge abgeschlossen werden.
Mit der Trennung von Mietvertrag und Mieterstromvertrag will der Gesetzgeber bei Mietverträgen über Wohnungen, die nicht nur zum vorübergehenden Gebrauch bestimmt sind, gewährleisten, dass die Mieter die Entscheidung für oder gegen den Bezug von Mieterstrom frei treffen können. Es soll sichergestellt sein, dass sie unabhängig voneinander abgeschlossen und gekündigt werden können. Damit dient das Trennungsgebot auch dem Schutz der Vertragsfreiheit und der Lieferantenwahlfreiheit.
Gerade im Mietbereich sieht der Gesetzgeber die durch das Trennungsgebot zu verringernde Gefahr, dass die Vertrags- und Wahlfreiheit des Mieters beeinträchtigt wird, wenn der Vertrag über den Bezug von Mieterstrom (Mieterstromvertrag) Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen wäre. Denn bei der Vermietung von Wohnungen bestehe nicht selten ein strukturelles Verhandlungsungleichgewicht: der Mietinteressent könnte sich veranlasst sehen, den Mieterstromvertrag gegen seinen Willen abzuschließen, um den Abschluss des Wohnraummietvertrags nicht zu gefährden.
Dies soll allerdings nicht in den genannten Ausnahmefällen gelten. Hier werde typischerweise ein Gesamtpreis für Miete und Strom abgerechnet und seien die technischen Voraussetzungen für eine Abrechnung des Mieterstroms nicht gegeben.
Erst spät in das Gesetz aufgenommen wurde eine Regelung zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Trennungsgebots bzw. Kopplungsverbots:
- Der Mieterstromvertrag ist nichtig.
- Der nichtige Mieterstromvertrag ist über das Bereicherungsrecht rückabzuwickeln, d.h. jede Partei hat das jeweils Erlangte dem Leistenden zurückzugewähren, selbst dann, wenn der Leistende Kenntnis von der Nichtigkeit hatte oder auch ihm ein Verstoß gegen das Kopplungsverbot vorzuhalten ist.
- Der Vermieter muss dem Mieter die vom Mieter für den Mieterstrom geleisteten Zahlungen vollumfänglich erstatten.
- Der Mieter kann den gelieferten Strom typischerweise nicht dem Vermieter zurückgewähren und kann daher zum Wertersatz verpflichtet sein. Ein solcher Wertersatz ist aber höhenmäßig begrenzt, damit der Vermieter kein Geschäft mit verbotswidrigen Verträgen machen, aber zumindest eine anteilige Kostendeckung erreichen kann: Der Wertersatz darf (1.) nicht mehr als der im Mieterstromvertrag vereinbarte Preis und (2.) höchstens 75 % des in dem jeweiligen Netzgebiet geltenden Grundversorgungstarifs, auf Basis des Grund- und Arbeitspreises, betragen.
§ 42a Abs. 2 EnWG: Versorgungs- und Rechtssicherheit
Der Mieterstromvertrag muss die umfassende Versorgung des Letztverbrauchers mit Strom auch für die Zeiten vorsehen, in denen kein Mieterstrom geliefert werden kann.
Da der Mieterstrom aus einer Solaranlage nicht zu allen Tageszeiten oder in der Nacht geliefert werden kann, muss der Reststrombedarf des Letztverbrauchers ebenfalls im Mieterstromvertrag enthalten sein. Dies entbindet den Mieter davon, sich einen gesonderten Stromlieferanten für den Reststrombezug in den Randzeiten suchen zu müssen. Der Mieterstromvertrag muss also den gesamten Strombedarf des Letztverbrauchers sicherstellen.
Die Regelung soll ferner sicherstellen, dass die Lieferung des Reststromes denselben Regelungen wie die Lieferung des Mieterstromes unterfällt, selbst im Fall der Verwendung zweier gesonderter Verträge. Die Regelungen für den Mieterstrom gelten also auch für den Reststrom, insbesondere auch im Hinblick auf die Preisobergrenze (siehe nachfolgend).
§ 42a Abs. 2 EnWG: Beendigung
Bei einer Beendigung des Vertrags über die Miete von Wohnräumen endet der Mieterstromvertrag, ohne dass es einer ausdrücklichen Kündigung bedarf, mit der Rückgabe der Wohnung.
Da im Fall einer Beendigung des Mietvertrages die Fortführung des Mieterstromvertrags weder aus Sicht des Mieterstromanbieters noch aus Sicht des Mieterstromkunden sinnvoll ist, lässt der Gesetzgeber also mit Rückgabe der Mietsache den Mieterstromvertrag automatisch enden. Damit ist sichergestellt, dass mit dem Ende des Mietverhältnisses auch der Mieterstromvertrag endet, ohne dass es einer Handlung der Vertragsparteien bedarf.
Die Anknüpfung an die Übergabe soll Unsicherheiten in Fällen von Streit über das Ende des Mietvertrages vermeiden.
Zur Fortsetzung im Teil 2/2 geht es hier entlang.
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