Einleitung
Aus der GroKo-Sondierung ist das Eingeständnis der Regierung zu vernehmen, die selbst gesetzten Klimaschutzziele nicht erreichen zu können. Die Ursachendiskussion ist im vollen Gange. Insbesondere auch die eingesetzten Instrumente sind in der Kritik. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts scheint diese Kritik im Hinblick auf die zum Zweck des Klimaschutzes eingesetzten rechtlichen Instrumente zu stützen. Sie macht deutlich, dass das zum Klimaschutz erlassene Recht in Teilen in einer Form widersprüchlich ist, dass den Normadressaten gegenläufige Regelungen erreichen.
Dabei sind in dem entschiedenen Fall nicht die Ziele der kollidienrenden Gesetze gegenläufig. Es geht um Gebietsfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauG und um das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG). Beide Regelungsansätze verfolgen den Zweck des Klimaschutzes.
- Einmal soll durch eine kosteneffiziente Verringerung von Treibhausgasen zum weltweiten Klimaschutz beigetragen werden (vgl. § 1 TEHG).
- Zum anderen soll durch die Beschränkung der Verwendung von luftverunreinigenden Stoffen städtebaulich der „örtliche Klimaschutz“ ermöglicht werden (BauGB i.V.m. BImSchG).
Gegenläufig sind nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aber die jeweils zum Zweck des Klimaschutzes eingesetzten Regelungskonzepte – mit der Folge, dass aus rechtsstaatlichen Gründen ein Regelungskonzept auf der Strecke bleiben muss, soweit nicht die nun von dem Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen beachtet werden.
Der Fall
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. September 2017 über die Wirksamkeit von Festsetzungen im Bebauungsplan einer Gemeinde nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB entschieden. Demnach können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen Gebiete, in denen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte luftverunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, festgesetzt werden.
Hierauf gestützt bestimmte der Bebauungsplan einer Gemeinde, dass im Geltungsbereich des Bebauungsplans bei Feuerungsanlagen mit einer Nennwärmeleistung von mehr als 1 MW die Verwendung von fossilen Energieträgern grundsätzlich (unter Einräumung bestimmter Ausnahmen) nur zulässig ist, wenn die spezifische CO2-Emissionen einen Wert von 0,08 t CO2/GJ nicht überschreiten.
Anlass für die Aufstellung dieses Bebauungsplans war für die Gemeinde, dass der Betreiber einer Asphaltmischanlage über eine von ihm beantragte immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung beabsichtigte, diese nicht mehr mit Erdgas, Flüssiggas und Erdöl, sondern mit Braunkohlestaub zu befeuern. Der Betreiber der Asphaltmischanlage hatte erhebliche Widerstände in der Bevölkerung ausgelöst, sich aber letztlich erfolgreich beim VGH und beim BVerwG gegen die einschränkende Festsetzung des Bebauungsplans durchgesetzt. Die von der Überschreitung eines CO2-Emissionsfaktors abhängige Verwendungsbeschränkung fossiler Energieträger war rechtswidrig und unwirksam – und damit der gesamte Bebauungsplan.
Der Gemeinde ist es verwehrt, die Verwendung fossiler Brennstoffe in Anlagen, die dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterliegen, im Bebauungsplan davon abhängig zu machen, dass die eingesetzten Stoffe bestimmte CO2-Emissionsfaktoren nicht überschreiten. Eine solche Festsetzung widerspricht dem Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz, das der Regelung in § 5 Abs. 2 BImSchG zugrunde liegt und auch bei der Auslegung der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB zu beachten ist.
Die Sperrwirkung des § 5 Abs. 2 BImSchG
Die Festsetzung des Bebauungsplans missachtete nach dem BVerwG die Sperrwirkung des § 5 Abs. 2 BImSchG.
Was regelt diese Norm?
Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen (TEHG-Anlagen),
- sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; und
- dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
Zu 1.):
Von den Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 BImSchG und den sie konkretisierenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften ist im Fall von TEHG-Anlagen allein die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG anwendbar:
Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
Nicht anwendbar ist im Fall von TEHG-Anlagen im Umkehrschluss die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG:
Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.
Zu 2.):
Diese Regelung stellt ergänzend klar, dass bei TEHG-Anlagen zur Erfüllung der in § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG geregelten Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von CO2, die unter anderem auf Verbrennungsprozessen beruhen, keine Anforderungen gestellt werden dürfen, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
§ 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG lautet:
Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt Energie sparsam und effizient verwendet wird.
Zur Sperrwirkung
Um sich widersprechende Regelungsansätze zu vermeiden, werden im Rahmen des Anwendungsbereichs des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes über § 5 Abs. 2 BImSchG solche Regelungsansätze zurückgedrängt, die dem Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes widersprechen.
Mit diesen Regelungen nimmt der Bundesgesetzgeber den ordnungsrechtlichen Regelungsansatz des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu Gunsten der im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz konzipierten ökonomischen Steuerung der Vermeidung von CO2-Emissionen zurück.
Was ist das Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes?
Was macht nun die ökonomische Steuerung der Vermeidung von CO2-Emissionen aus, die nach dem Willen des Gesetzegebers (auf Grundlage europarechtlicher Vorgaben) den ordnungsrechtlichen Regelungsansatz des BImSchG zurückdrängen soll? Es handelt sich um ein „bewirtschaftungsrechtliches Regelungskonzept besonderer Art“ nach dem Prinzip von „cap and trade“ (Verknappung und Handel).
Dieses Prinzip überlässt es auf der Grundlage eines EU-weiten Emissionshandelssystems dem Betreiber einer TEHG-Anlage, nach Kostengesichtspunkten über den Einsatz von Brennstoffen zu entscheiden, und zwar wie folgt:
- Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TEHG hat der Betreiber jährlich bis zum 30. April an die zuständige Behörde eine Anzahl von Emissionsberechtigungen abzugeben, die den durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht.
- Emissionsberechtigungen werden auf der Grundlage einer stufenweise verminderten Gesamtemissionsmenge („cap„) an die Anlagenbetreiber kostenlos zugeteilt (§ 9 TEHG).
- Nicht benötigte Berechtigungen sind gemäß § 7 Abs. 3 TEHG übertragbar und innerhalb der Europäischen Union (§ 17 TEHG) handelbar („trade„). Sie können verkauft und von den Betreibern wenig energieeffizienter Anlagen zugekauft werden, um ihrer Abgabepflicht nach § 7 Abs. 1 TEHG nachzukommen.
- Auf dieser Grundlage kann der Betreiber einer TEHG-Anlage nach Kostengesichtspunkten selbst entscheiden, ob es sich für ihn in einem System kontinuierlich verknappter Gesamtemissionskontingente lohnt, die Energieeffizienz seiner Anlage durch technische Maßnahmen und/oder durch den Einsatz emissionsarmer Brennstoffe zu erhöhen und nicht benötigte Berechtigungen zu verkaufen.
Zu der Bedeutung der Sperrwirkung des § 5 Abs. 2 BImSchG für das Bauplanungsrecht
Nach dem BVerwG ist § 5 Abs. 2 BImSchG für den Bereich der gemeindlichen Bauleitplanung zwar nicht unmittelbar einschlägig.
§ 5 Abs. 2 BImSchG modifiziert – wie dargestellt – für den Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes die Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 BImSchG. Sie betrifft damit unmittelbar nur die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geregelten Genehmigungsvoraussetzungen. Zu der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG genannten weiteren Voraussetzung, dass der Anlage „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften … nicht entgegenstehen“ dürfen, worunter gemäß § 30 Abs. 1 BauGB auch die Festsetzungen eines Bebauungsplans zu subsumieren sind, verhält sich § 5 Abs. 2 BImSchG nicht.
Die Vorschrift soll jedoch bei der Auslegung der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB zu beachten sein.
§ 5 Abs. 2 BImSchG und das in ihm zum Ausdruck kommende Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes erlangen jedoch bei der Auslegung der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB Bedeutung.
Nach der Ansicht des BVerwG wären die Betreiber von TEHG-Anlagen gegenläufigen Regelungen ausgesetzt, wenn die Gemeinden auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB Gebiete festsetzen könnten, in denen bestimmte luftverunreinigende Stoffe abhängig von ihrem CO2-Emissionsfaktor nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen. Wenn die Gemeinde im Wege der Bauleitplanung den Einsatz von Brennstoffen einschränken oder verbieten könnte, würde dem TEHG-Anlagenbetreiber jene Entscheidungsfreiheit wieder genommen, die das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz gewährt: Er soll sich nach dem bewirtschaftungsrechtlichen Konzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes nach Kostengesichtspunkten auch für den Einsatz billiger, aber CO2 stärker freisetzender Brennstoffe entscheiden können.
Zu den Grenzen der bodenrechtlichen Standortsteuerung durch die Gemeinden
Zwar darf eine Gemeinde nach der Rechtsprechung des BVerwG
- grundsätzlich auch im Vorfeld schädlicher Umwelteinwirkungen im Wege der Bauleitplanung eigenständig gebietsbezogen das Maß hinnehmbarer Beeinträchtigungen nach den Maßstäben des Vorsorgegrundsatzes steuern, wenn städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, und
- auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB entsprechend dem Vorsorgeprinzip des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vorbeugenden Umweltschutz betreiben.
Diese Befugnis zur bodenrechtlichen Standortsteuerung hat aber Grenzen, insbesondere im Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes:
Die Gemeinde darf sich nicht an die Stelle des Bundesgesetz- oder Verordnungsgebers setzen, etwa dadurch, dass sie für den gesamten Geltungsbereich eines Bauleitplans direkt oder mittelbar andere, insbesondere niedrigere Grenzwerte festsetzt; in diesem Sinne wäre eine eigene „Vorsorgepolitik“ unzulässig. Gleiches gilt, wenn die planende Gemeinde auf der Grundlage des Emissionsfaktors bestimmte Brennstoffe verbietet oder nur eingeschränkt zulässt.
Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Gemeinde keine auf die örtlichen Verhältnisse abstellenden Ziele verfolgt, sondern zum allgemeinen Klimaschutz beitragen möchte.
Denn so setzt sie ihr eigenes, auf verbindlichen Vorgaben gegründetes Klimaschutzkonzept an die Stelle des auf Entscheidungsfreiheit des Anlagenbetreibers aufbauenden Klimaschutzkonzepts, das dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz zugrunde liegt.
Welche Anforderungen bestehen also bei der Bauleitplanung zu TEHG-Anlagen?
Zunächst gilt das Vorstehende: Die Gemeinde muss im Rahmen ihrer Befugnis zur bodenrechtlichen Steuerung Ziele verfolgen, die auf die örtlichen Verhältnisse abstellen. Außerdem muss § 5 Abs. 2 BImSchG im Rahmen der Auslegung von § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB wie folgt berücksichtigt werden:
- Für Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB soll im Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes von vornherein dann kein Raum sein, wenn sie nicht dem städtebaulichen Zweck dienen, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden.
- Da das Ziel einer effizienten Verwendung von Energie in TEHG-Anlagen im Hinblick auf CO2-Emissionen allein nach den Pflichten des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes eingefordert werden darf, soll den Gemeinden das Instrument einer verbindlichen Vorgabe von CO2-Emissionsfaktoren für das Ziel einer Steigerung der Energieeffizienz in TEHG-Anlagen aus der Hand genommen sein.
Hinweis: Zu anderen Emissionen als CO2-Emissionen ist damit aber keine Aussage getroffen.
Im konkreten Fall waren diese Anforderungen nicht eingehalten worden:
- Die Anlagenbetreiberin hatte durch Vorlage eines Bescheides des Umweltbundesamtes belegt, dass ihr Betrieb einem Überwachungsplan nach § 6 TEHG und damit dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegt.
- Weil es der Gemeinde untersagt ist, die Emissionsfaktoren der eingesetzten Brennstoffe im Interesse einer Steigerung der Energieeffizienz in TEHG-Anlagen verbindlich vorzugeben, war ihre Festsetzung einer Begrenzung der Emission von Treibhausgasen der TEHG-Anlagen unzulässig.
- Auch wenn lediglich die Verwendung bestimmter Brennstoffe mit einem „hohen“ Emissionsfaktor eingeschränkt wird, ändert dies nichts daran, dass die Verwendungsbeschränkung an einen bestimmten CO2-Emissionsfaktor anknüpft – und damit unzulässig ist.
- Die Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen war nicht das Planungsziel der Gemeinde. Der Gemeinde ging es darum, die CO2-Emission im Interesse einer höheren Energieeffizienz zu begrenzen und letztlich zum globalen Klimaschutz beizutragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beim Einsatz von Braunkohlestaub in der Anlage der Antragstellerin zu 2 keine schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten sind. Auch die Antragsgegnerin hat im Verhandlungstermin vor dem Senat bestätigt, dass es ihr bei der Festsetzung nicht um die Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen durch CO2, sondern vielmehr darum gegangen sei, ihr „vorbildliches Energieengagement“ für gemeindliche Klimaschutzziele nicht durch die Asphaltmischanlage der Antragstellerin zu 2 konterkarieren zu lassen. Auch hierzu ist sie durch § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB bei einer am Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes und § 5 Abs. 2 BImSchG orientierten Auslegung nicht ermächtigt.
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