Nicht selten besteht neben einem Mietvertrag zugunsten des Mieters eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit.  Für den Vermieter stellt sich in solchen Fällen u.a. die Frage, ob und inwieweit er infolge einer Kündigung des Mietvertrages die Herausgabe der Mietsache und die Löschung der Dienstbarkeit verlangen kann oder inwieweit die Dienstbarkeit dem Mieter trotz Vertragskündigung das Recht zur Weiternutzung gibt.

Die zentrale Frage ist also die nach dem Verhältnis

  • des schuldrechtlichen Nutzungsrechts aus dem Mietvertrag
  • zu dem dinglichen Nutzungsrecht aus der im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit.

Stehen sie nebeneinander, hintereinander, hat das eine neben dem anderen überhaupt selbständige Bedeutung bzw. inwiefern sind sie miteinander verknüpft?

Der BGH hat nun in einer aktuellen Entscheidung vom 08. März 2018 die folgende Differenzierung vorgenommen:

Die Dienstbarkeit als Sicherheit

Die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kann als eine dingliche Sicherheit für das durch einen Miet- oder Pachtvertrag begründete schuldrechtliche Nutzungsrecht vereinbart werden.

Wann und in welchem Umfang der Nutzungsberechtigte auf das ihm eingeräumte dingliche Nutzungsrecht zurückgreifen kann, ergibt sich in diesem Fall aus der Sicherungsabrede, die zugleich der Rechtsgrund für die Bestellung der Dienstbarkeit ist. Das dingliche Nutzungsrecht aus der Dienstbarkeit wird im Verhältnis der Vertragsparteien regelmäßig nicht ausgeübt.

Bedeutung erlangt die Sicherheit regelmäßig dann, wenn das schuldrechtliche Vertragsverhältnis auf Grund eines Erwerbs des Grundstücks im Zwangsversteigerungs- oder Insolvenzverfahren auf einen Dritten übergeht und dieser von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG bzw. § 111 InsO Gebrauch macht. In diesem Fall kann sich der Grundstücksnutzer gegenüber dem Erwerber auf das dingliche Nutzungsrecht aus der Dienstbarkeit berufen.

Hinweis: In diesem Fall ist der Mieter also grundsätzlich nur gegenüber einem Dritten geschützt, der das Grundstück im Wege eines Zwangsversteigerungs- oder Insolvenzverfahrens erwirbt. Gegenüber dem Vermieter kann sich der Mieter dagegen nicht auf das Nutzungsrecht aus der Dienstbarkeit berufen. Kündigt der Vermieter den Mietvertrag, ohne dass der vereinbarte Sicherungsfall der Dienstbarkeit eingetreten ist, so verliert der Mieter jedes Nutzungsrecht und ist die Dienstbarkeit im Grundbuch zu löschen, was am besten bereits in der Bestellungsurkunde geregelt und sichergestellt ist. Allerdings ist verbreitet auch ein erweiterter Sicherungsumfang von Mieterdienstbarkeiten anzutreffen: Der Schutz vor einer vorzeitigen Kündigung wegen Verstoßes gegen das mietrechtliche Schriftformgebot.        

Nebeneinander von schuldrechtlichem und dinglichem Nutzungsrecht

Bestellen die Parteien eines Miet- oder Pachtvertrags eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, so können aber auch zwei Nutzungsrechte (ein schuldrechtliches und ein dingliches) gleichen oder ähnlichen Inhalts nebeneinander entstehen.

Das Nebeneinanderbestehen eines schuldrechtlichen und eines dinglichen Nutzungsrechts verwandten Inhalts ist aber ein Ausnahmefall und bedarf einer zweifelsfreien, in der Regel ausdrücklichen Abrede.

Zur Abgrenzung

Im konkreten Fall hat der BGH betont, dass es zur Ermittlung dessen, was die Parteien tatsächlich wollten (Sicherungsdienstbarkeit oder Nebeneinander zweier Nutzungsrechte), nicht nur auf die Vereinbarung über die Bestellung des dinglichen Rechts, sondern auch auf – nicht formbedürftige – schuldrechtliche Sicherungsabreden zum Schutzzweck der Dienstbarkeitsbestellung ankommt. Demnach richtete sich die Frage,

  • ob eine  selbständige beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt worden war, die nicht von dem Bestand des Mietvertrags abhängig war, sondern einen starken Schutz des Mieters über den Mietvertrag hinaus quasi als unkündbar gewähren sollte, oder
  • ob die Dienstbarkeit „nur“ mit dem Ziel bestellt worden war, den Zugriff Dritter z.B. im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren zu verhindern, während im Verhältnis der Parteien zueinander allein das Mietverhältnis maßgeblich bleibt,

nach dem Rechtsgrund und der Sicherungsabrede zwischen den Parteien. Da das Berufungsgericht dies außer Acht gelassen hatte, hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Ein dingliches Nutzungsrecht wird auch dann relevant, wenn man in § 544 BGB schaut: „Wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen, so kann jede Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen.“ Wer also ein Nutzungsrecht über 30 Jahre hinaus absichern möchte, bedarf insoweit einer dem schuldrechtlichen Nutzungsrecht quasi nachgelagerten dinglichen Sicherung.  

Keine selbständige Bedeutung des Miet-/Pachtvertrages?

In einer vorherigen Entscheidung hatte der BGH eine nochmals andere Abgrenzung vorzunehmen. Es ging um die Frage,

  • ob die Parteien einen Miet- oder Pachtvertrag mit einer Sicherungsdienstbarkeit vereinbart hatten oder
  • ob die Parteien nur einen mit weiteren Vereinbarungen verbundenen Vertrag über die Bestellung einer Dienstbarkeit abgeschlossen hatten.

Auch diese Abgrenzung bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalt.  

So kann das Ergebnis der tatrichterlichen Auslegung darin bestehen, dass die Dienstbarkeit nicht der Absicherung eines Miet- oder Pachtvertrags dient, sondern sie vielmehr im Mittelpunkt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung steht und durch die schuldrechtlichen Nutzungsregeln lediglich ergänzt werden soll. In diesem Fall hat der Miet- bzw. Pachtvertrag also keine selbständige Bedeutung, es besteht nur die Bestellung einer Dienstbarkeit mit einem bestimmten Inhalt sowie ergänzende schuldrechtliche Verpflichtungen der Parteien hierzu. 


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