Seitdem der BGH über die Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln entschieden hat, erlangen die geltenden Schriftformanforderungen wieder besondere Bedeutung. Erfreulicherweise setzt der BGH zugleich seine Lockerungs-Rechtsprechung weiter fort, mit der er überzogene Anforderungen der Schriftform ablehnt (so schon hier: Schriftform im Mietvertrag: BGH lehnt überzogene Anforderungen ab).

In einem aktuellen Fall ging es um die folgende Konstellation:

  • Eine Partei unterschreibt den schriftliche Vertragsentwurf und übermittelt ihn per Telefax an die Gegenseite.
  • Die Gegenseite unterschreibt ihrerseits dieses Telefax und faxt es zurück.
  • Die im Original unterschriebenen Exemplare verblieben bei den jeweiligen Unterzeichnern.

Entspricht das dem mietrechtlichen Schriftformgebot? Nach dem BGH – und entgegen der Vorinstanz, dem OLG München: Ja.

  • Die von § 550 Satz 1 BGB geforderte Schriftform kann nicht nur eingehalten werden, indem die Vertragsparteien dieselbe Urkunde unterzeichnen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB).
  • Dem Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB kann auch entsprochen werden, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
  • Indem die Vertragsparteien jeweils gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnen, ist die Schriftform des § 550 BGB also unabhängig davon gewahrt, ob diese Vertragsurkunden nach Unterzeichnung in den Herrschaftsbereich der jeweils anderen Vertragspartei gelangt sind. Eines Zugangs dieser Urkunden beim jeweiligen Vertragspartner bedarf es insoweit nicht.

Der Zugang dieser Urkunden ist für das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB ebenso ohne Belang wie die Frage, wo die Urkunden sich befinden oder ob sie im Zeit-punkt der gerichtlichen Prüfung der Formgemäßheit des Mietvertrags noch existieren.


Der BGH begründet das mit dem Schutzzweck des mietrechtlichen Schriftformgebots.

  • § 550 BGB dient in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers, dem durch die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten.
    • Diesen Schutzzweck erfüllt selbst eine nur der äußeren Form genügende Mietvertragsurkunde.
    • Eine solche Urkunde informiert den Erwerber über die Bedingungen des Mietvertrags, in die er, wenn der Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande ge- kommen ist und noch besteht, eintritt.
    • Der Erwerberschutz kann sowohl mittels einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde gewährleistet werden als auch durch zwei gleichlautende Urkunden, die in der Summe die erforderlichen Unterschriften tragen.
    • In beiden Fällen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass der Erwerber Einsicht in die schriftlich niedergelegten vertraglichen Regelungen nimmt, in die er bei Vorliegen eines wirksamen Vertrags eintritt.
    • Zwar mag eine solche Einsichtnahme in der Praxis bei mehreren gleichlautenden, aber jeweils nur von einer Vertragspartei unterzeichneten Urkunden auf größere Schwierigkeiten stoßen als bei nur einer, von allen Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde.
    • Diese Problematik ist bereits darin angelegt, dass der Gesetzgeber zur Wahrung der Schriftform auch den Weg des § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB eröffnet hat, und besteht im Rahmen des Schriftformerfordernisses nach § 550 Satz 1 BGB unabhängig davon, ob die einzelnen Urkunden auch der jeweils anderen Vertragspartei zugegangen sind.
  • Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen, werden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form erfüllt.
    • Langfristige Abreden können bei einem Vertragsschluss durch Urkundenaustausch im Sinne des § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB urkundlich ohnedies nur durch Vorlage aller gleichlautenden Vertragsurkunden belegt werden, so dass der Urkundenaustausch insoweit keine besondere Bedeutung erlangt.
    • Soweit Beweisprobleme bestehen, sind diese vor allem dadurch begründet, dass es zweier gleichlautender Urkunden zur Wahrung der Schriftform bedarf, nicht aber durch ein – wie hier – Unterbleiben des Urkundenaustausches.
    • Der zudem mit § 550 BGB bezweckte Übereilungsschutz ist durch die Verschriftlichung der zu unterzeichnenden vertraglichen Abreden, mit der diese dem die Unterschrift Leistenden nochmals vor Augen geführt werden, hergestellt und vom Zugang der Urkunde bei der anderen Vertragspartei weitgehend unabhängig.

Die Auslegung von § 550 BGB führt unter Berücksichtigung seines Schutzzwecks und seiner Rechtsfolge zu dem Ergebnis, dass § 550 BGB über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht das Zustandekommen des Vertrags durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen voraussetzt.


Mit dieser Entscheidung bekräftigt der BGH erneut seine Unterscheidung zwischen der materiell-rechtlichen Schriftform einerseits und der mietrechtlichen Schriftform andererseits (siehe schon hier): Der BGH entscheidet erneut, dass die Nichterfüllung der materiell-rechtlichen Schriftform des § 126 BGB (= Frage der Wirksamkeit des Vertrages) nicht bedeutet, dass auch das mietrechtliche Schriftformgebot nach § 550 BGB (= Frage der „äußeren Form“) verfehlt wird. Er hebt erneut hervor, dass die Frage der Wirksamkeit des Vertrages von der Frage der äußeren Form zu trennen ist. Dem Schutzzweck des mietrechtlichen Schriftformgebots genügt eine einseitig unterzeichnete Urkunde also auch dann, wenn durch diese schriftlichen Erklärung noch kein wirksamer Vertragsschluss erfolgt ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats reicht die Einhaltung der bloßen Schriftlichkeit der Erklärungen (sog. äußere Form) zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB aus. Ein Mietvertrag genügt danach auch dann der Schriftform des § 550 BGB, wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur mündlich oder konkludent abgeschlossen worden ist.

In dem hier entschiedenen Fall waren die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB für das Zustandekommen eines Vertrags tatsächlich nicht erfüllt. Denn ein Vertrag, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist, kommt grundsätzlich nur dann rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme (§§ 145 ff. BGB) in der Form des § 126 BGB erklärt werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zugehen. Das war hier nicht der Fall:

  • Eine Urkunde, auf der beide Vertragsparteien im Original unterschrieben haben, existiert nicht, so dass § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB – der die Unterzeichnung auf derselben Urkunde erfordert – nicht genügt ist.
  • Die beiden gleichlautenden, von den Vertragsparteien im Original unterschriebenen Vertragsurkunden sind der jeweils anderen Vertragspartei nicht zugegangen. Vielmehr wurden jeweils nur Telefaxkopien übersandt, was auch für einen der Schriftform des § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Vertragsschluss nicht ausreicht.

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