Bereits im Juni 2022 forderten die Landesjustizminister:innen in einem Beschluss zur dinglichen Sicherung für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie eine Vereinfachung und baten den Bundesminister der Justiz, zu prüfen, ob die bereits bestehende Durchbrechung des Grundsatzes der Unübertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten in § 1092 Absatz 3 BGB auf die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien durch natürliche und juristische Personen erweitert werden kann.

Sie haben hierbei festgestellt, dass die grundsätzliche Unübertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten in der Praxis zu juristischen Gestaltungen führt, die mit erheblichem Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden sind und zudem die Verfahren zur Eintragung der dinglichen Sicherung im Grundbuch verzögern.

Beschluss, 93. Konferenz der Justizministerinnen und -minister, 1./2. Juni 2022, TOP I.9:
Dingliche Sicherung für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie vereinfachen

Die angesprochenen Gestaltungen in der Praxis beinhalten regelmäßig diverse Ansprüche auf Bestellung der Dienstbarkeit, welche wiederum durch Vormerkungen gesichert werden. Hierbei geht es neben der Sicherung des Nutzungsrechts des Betreibers typischerweise um die Sicherung der finanzierenden Bank, welche im Sicherungsfall etwa in der Lage sein möchte, anstelle des Nutzers in den Vertrag einzutreten, einen in den Nutzungsvertrag eintretenden Dritten zu benennen, selbst als Nutzer einen neuen Nutzungsvertrag abzuschließen oder einen Dritten zu benennen, der als Nutzer einen neuen Nutzungsvertrag abschließt.

Das wird nach zutreffender Ansicht auch rechtlich bestätigt. Anschaulich etwa das OLG München:

Nach der Rechtsprechung des Senats kann (1) der – nicht übertragbare – Anspruch des Vertragspartners auf Einräumung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu seinen Gunsten und zugunsten seiner Rechtsnachfolger durch eine einzige Vormerkung gesichert werden. Davon zu unterscheiden ist (2) der weitere Anspruch des Vertragspartners als Versprechensempfänger auf Einräumung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten eines von ihm zu benennenden Dritten und dessen Rechtsnachfolger, dessen Übertragbarkeit vereinbart und der seinerseits durch eine gesonderte (einheitliche) Vormerkung gesichert werden kann.

OLG München, Beschl. v. 23.01.2017 – 34 Wx 434/16

Es hat sich demnach in der Praxis eine Art „Sonderrecht“ für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie entwickelt, das, wenngleich mit einigem Begründungsaufwand, rechtlich fundiert ist, aber auch einen gewissen Aufwand bei der Vereinbarung und Durchführung mit sich bringt. Solche Anlagen fallen in eine Lücke, die das Gesetz aktuell hinterlässt. Anschaulich etwa das OLG Nürnberg:

Grundsätzlich ist die beschränkte persönliche Dienstbarkeit allerdings gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB mit Ausnahme der in § 1092 Abs. 2 und 3 BGB genannten Fälle nicht übertragbar. Diese Vorschrift ist zwingendes Recht. Die genannten Ausnahmevorschriften helfen vorliegend nicht weiter. Ein Fall des § 1092 Abs. 2 i. V. m. § 1059 a BGB (Gesamtrechtsnachfolge und Unternehmensübertragung) liegt nicht vor. § 1092 Abs. 3 BGB betrifft die unmittelbar der Fortleitung von Energie, nicht aber der Energiegewinnung selbst dienende Anlagen, wie etwa Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen, deren Errichtung und Betrieb dienende Wegerechte oder das Recht zum Gebrauch des von den Rotoren beanspruchten Luftraums.
Insoweit hat der Gesetzgeber einen abgeschlossenen Katalog dessen geschaffen, was Gegenstand der Dienstbarkeit sein muss, um im Sinne des § 1092 Abs. 3 BGB übertragbar zu sein. Es muss sich entweder um eine Versorgungsleitung, eine Telekommunikationsanlage, eine Bahnanlage oder um eine Produktleitung wie z.B. eine Ölpipeline handeln, wozu allerdings auch – funktionsbezogen – etwa die Nutzung eines Versorgungswegs gehört, der ausschließlich den Zugang zur Wartung und Instandhaltung einer Leitungsanlage im engeren Sinn gewährleistet.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.01.2016 – 15 W 1608/15

Die Privilegierung einer Ölpipeline etwa gegenüber Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien wie etwa Photovoltaik- und Windkraftanlagen ist selbstredend untragbar. Bislang hilft den Projektierern und Betreibern der Grundsatz der Vertragsfreiheit, wiederum anschaulich das OLG Nürnberg:

Seit der genannten BGH-Entscheidung entspricht es der wohl überwiegenden Ansicht, dass es zulässig ist, wenn der Grundstückseigentümer dem Versprechensempfänger schuldrechtlich den Anspruch einräumt, die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten einer anderen Person zu verlangen. Ferner kann dem Versprechensempfänger ein Anspruch auf wiederholte Bestellung inhaltsgleicher Dienstbarkeiten zugunsten mehrerer Berechtigter – auch aufschiebend bedingt – eingeräumt werden.
Die Zulässigkeit eines Vertrags mit diesem Inhalt ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der durch die gesetzlich festgelegte Unübertragbarkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit insoweit nicht beeinträchtigt wird, da der schuldrechtliche Dienstbarkeitsbestellungsanspruch von dem dinglichen Recht zu unterscheiden ist. Dies gilt unbeschadet der Regelungen des § 1092 Abs. 2 und 3 BGB, die in den dort genannten Fällen die Übertragbarkeit der dinglichen Dienstbarkeit und ausdrücklich auch des schuldrechtlichen Einräumungsanspruchs ausnahmsweise zulassen.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.01.2016 – 15 W 1608/15

Das Bundesministerium der Justiz kam der Prüfungsbitte nun nach und hat den Entwurf eines Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen vorgelegt.

Bei der Nutzung von Grundstücken für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie spielen beschränkte persönliche Dienstbarkeiten eine wichtige Rolle. Sie sind grundsätzlich nicht übertragbar. Da allerdings in bestimmten Fällen ein Bedarf für einen Wechsel des Anlagenbetreibers und damit für eine Übertragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit besteht, muss sich die Praxis derzeit mit aufwändigen und komplizierten vertraglichen Ausgestaltungen behelfen. Die Notwendigkeit derartiger Ersatzlösungen soll entfallen. Damit leistet der Entwurf einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele 7 und 16 der UN-Agenda 2030, welche die deutliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie und bedarfsorientierte Entscheidungsfindung auf allen Ebenen verlangen.

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz

Der Entwurf greift die vorstehende Regelungslücke auf:

  • Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sind nach § 1092 Absatz 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar.
  • Für juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften enthält § 1092 Absatz 2 und Absatz 3 BGB Ausnahmen von der Unübertragbarkeit. Um zeit- und kostenintensive Verfahren nach § 1092 Absatz 2, § 1059a BGB zu vermeiden, lässt § 1092 Absatz 3 BGB die Übertragung von Dienstbarkeiten zu, die bestimmte Transport- und Leitungsrechte betreffen. Neben den Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Öl oder Rohstoffen umfasst der 1996 in das BGB eingefügte § 1092 Absatz 3 BGB auch alle dazugehörigen Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen.
  • Von § 1092 Absatz 3 BGB nicht erfasst wird hingegen, wenn die Energiegewinnung durch die Anlage selbst stattfindet. Daher unterfallen Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaik- und Windenergie nicht den Ausnahmen des § 1092 Absatz 3 BGB.

Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten haben eine erhebliche praktische Bedeutung. Sie führen dazu, dass Anlagen trotz der festen Verbindung mit dem Boden im Sinne der §§ 94, 95 Absatz 1 Satz 2 BGB sonderrechtsfähig bleiben (Trennungsfunktion). In der Praxis dienen beschränkte persönliche Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energie-Anlagen außerdem dazu, das schuldrechtliche Nutzungsrecht der Person, die die Anlage betreibt, dinglich abzusichern (Nutzungsfunktion). Bei Photovoltaikanlagen erfolgt regelmäßig eine Absicherung durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Mittels dieser kann auch für eine finanzierende Bank das Sicherungseigentum gesichert werden (Sicherungsfunktion).

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz

Siehe auch:
BGH zum Nutzungsrecht aus einer Mieterdienstbarkeit: Auf die konkrete Vereinbarung kommt es an!

Diese Regelungslücke soll nun geschlossen werden:

  • Die Ausnahmen von der grundsätzlichen Unübertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten in § 1092 Absatz 3 Satz 1 des BGB für juristische Personen und für rechtsfähige Personengesellschaften werden um Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie erweitert.
  • Konkret bedeutet das:
    Steht einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu, so ist die Dienstbarkeit übertragbar, wenn sie dazu berechtigt, ein Grundstück zu nutzen für
    (1.) Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien im Sinne des § 3 Nummer 21 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes,
    (2.) Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Öl oder Rohstoffen, einschließlich aller dazugehörigen Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen,
    (3.) Telekommunikationsanlagen,
    (4.) Anlagen zum Transport von Produkten zwischen Betriebsstätten eines oder mehrerer privater oder öffentlicher Unternehmen oder
    (5.) Straßenbahn- oder Eisenbahnanlagen.
  • Nach § 3 Nummer 21 des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) umfassen „erneuerbare Energien“ Wasserkraft einschließlich der Wellen-, Gezeiten-, Salzgradienten- und Strömungsenergie, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie, Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Biomethan, Deponiegas und Klärgas sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie. Erfasst sind damit insbesondere Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen. Durch die dynamische Verweisung auf § 3 Nummer 21 EEG soll die Regelung aber auch offen sein für zukünftige Entwicklungen.
  • Eine Erweiterung der Ausnahmen des § 1092 Absatz 3 BGB auch auf beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, die natürlichen Personen zustehen, wird im Referentenentwurf abgelehnt.

Zum letzten Punkt möchte der Referentenentwurf also an der Unübertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten, die natürlichen Personen zustehen, festhalten. Hier würde also weiterhin gelten, was der BGH eben nochmals herausgestellt hatte:

Die Vorschrift des § 1092 Abs. 1 BGB dient dem Schutz des Eigentümers. Der historische Gesetzgeber hat die Unübertragbarkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit der Unübertragbarkeit des Nießbrauchs (§ 1059 Satz 1 BGB) nachgebildet. Damit wollte er dem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer und Berechtigtem Rechnung tragen und ausschließen, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden kann.

BGH, Beschl. v. 02.03.2023 – V ZB 64/21

Noch allerdings sprechen wir nur von einem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz, der noch in die Ressortabstimmung gehen muss, bevor er zur Kabinettsvorlage wird und sodann ggf. in den Bundestag und zum Bundesrat kommt.


© Copyright by Dr. Elmar Bickert