Die Bundesregierung hat auf Vorschlag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) den Entwurf für ein Gesetz zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie (Planungssicherstellungsgesetz) beschlossen. Der Entwurf ist (wie schon bei den bisherigen Covid-Gesetzen) zunächst als sogenannte Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen im Bundestag vorgelegt worden. Er soll Anfang Mai in den Bundestag und sodann in den Bundesrat gehen. Das Gesetz soll am Folgetag seiner Verkündung in Kraft treten.
UPDATE:
Am 14.05.2020 hat der Bundestag das Gesetz beschlossen. Im Vergleich zum bisherigen Entwurf wurde u.a. das Gentechnikgesetz ergänzt und eine Regelung zu den Geschäftsgeheimnissen aufgenommen:
Der Vorhabenträger hat Anspruch darauf, dass seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. Er kann der Veröffentlichung im Internet widersprechen, wenn er die Gefährdung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder wichtiger Sicherheitsbelange befürchtet. Widerspricht der Vorhabenträger der Veröffentlichung im Internet, hat die Behörde das Verfahren bis zu einer Auslegung auszusetzen.
Das Planungssicherstellungsgesetz soll befristet bis zum 31. März 2021 einheitliche Anwendungsvorgaben machen, damit trotz der COVID-19-Pandemie Bauplanungs- und Umweltgenehmigungsverfahren rechtssicher und ohne zeitlichen Aufschub durchgeführt werden können. Die Regelungen sollen auf bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Verfahren anzuwenden sein. Bereits begonnene Verfahrensschritte sind zu wiederholen, wenn sie nach dem Planungssicherstellungsgesetz durchgeführt werden sollen (Wiederholungen können entbehrlich sein in Verfahren nach dem Energiewirtschaftsgesetz, Netzausbaubeschleunigungsgesetz und Windenergie-auf-See-Gesetz).
Die Sonderregelungen sollen unabhängig von sich u. U. ändernden amtlichen Feststellungen von Ausnahmezuständen oder dergleichen für den gesamten Zeitraum der Befristung gelten, um den Beteiligten und Betroffenen Planungs- und Rechtssicherheit zu geben.
Das Gesetz soll einen einheitlichen und übersichtlichen Maßnahmenkatalog für verschiedene Fachplanungs- und Genehmigungsverfahren zur Verfügung stellen und Verfahren nach 22 Fachgesetzen erfassen und erleichtern, etwa Verfahren
- zur Umweltverträglichkeitsprüfung,
- nach Bundesimmissionsschutz- und Bundesnaturschutzgesetz,
- nach Baugesetzbuch,
- nach Raumordnungsgesetz,
- Flurbereinigungsgesetz,
- Bundesberggesetz, Atomgesetz, Strahlenschutzgesetz,
- nach Energiewirtschafts- und Netzausbaubeschleunigungsgesetz,
- Windenergie-auf-See-Gesetz,
- nach Kreislaufwirtschafts- und Wasserhaushaltsgesetz,
- Postgesetz, Telekommunikationsgesetz,
- nach Bundesfernstraßen-, Personenbeförderungs-, Bundeswasserstraßen-, Eisenbahn- sowie Luftverkehrsgesetz.
Mit der Bezugnahme auf die vorgenannten Fachgesetze sind zugleich sämtliche Verfahrensvorschriften mitumfasst, auf die in den jeweiligen Fachgesetzen Bezug genommen oder auf die verwiesen wird.
Statt Änderungen in einer Vielzahl von Fachgesetzen sollen mit dem Sondergesetz gebündelt und sachbezogen Maßgabevorschriften zur Anwendung der einschlägigen Fachgesetze mit befristeter Geltungsdauer eingeführt werden.
Mit dem Gesetz sollen vorübergehende (digitale) Ersatzmöglichkeiten für solche Verfahrensschritte eingeführt werden, die infolge der Pandemie nicht gefahrenfrei möglich oder zumutbar sind, v.a. infolge von Kontaktbeschränkungen und Schließungsmaßnahmen.
- Die Probleme betreffen insbesondere die öffentliche Auslegung von Antragsunterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung.
- Vergleichbare Situationen ergeben sich auch bei Bekanntgabe von Zulassungsentscheidungen, für die eine öffentliche Auslegung des Bescheids erforderlich ist.
- Ferner ergeben sich Probleme bei der Durchführung von Erörterungsterminen und Antragskonferenzen, deren Durchführung im Fachrecht zwar teilweise, wie z.B. im Immissionsschutzrecht, in das Ermessen der Behörde gestellt ist, zum Teil aber auch verpflichtend vorgegeben ist (so z.B. die Regelung für UVP-pflichtige Vorhaben im UVPG).
- Die gleiche Situation ergibt sich z.B. in besonderen, in Fachgesetzen vorgesehenen Entscheidungsverfahren von Beschlusskammern der Bundesnetzagentur (Telekommunikationsgesetz und Postgesetz), in denen die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgeschrieben und ein Verzicht nur mit Einverständnis der Beteiligten möglich ist.
Die gesetzlich geltenden Fehlerfolgenregelungen sind entsprechend anzuwenden und bleiben im Übrigen unberührt.
Fehler bei Bekanntmachungen haben keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Verfahren, wenn der Hinweiszweck der Bekanntmachung erfüllt ist.
Ortsübliche und öffentliche Bekanntmachungen
Die ortsübliche oder öffentliche Bekanntmachung von Vorhaben oder die Auslegung von Planungsunterlagen soll weitgehend über das Internet erfolgen können: Soweit in den dafür geltenden Gesetzen für die ortsübliche oder öffentliche Bekanntmachung von Vorhaben oder Plänen die Nutzung von Amtstafeln oder eine Auslegung zur Einsichtnahme vorgesehen sind, so können diese durch Bekanntmachung im Internet ersetzt werden (wenn die jeweilige Bekanntmachungsfrist spätestens mit Ablauf des 31. März 2021 endet).
Daneben bleibt jedoch eine Veröffentlichung der wesentlichen Unterlagen und Entscheidungen sowie die Wahrnehmung von Verfahrensrechten im klassischen, analogen Sinn erhalten, um niemanden von Beteiligungsmöglichkeiten auszuschließen. Daneben muss also weiterhin eine Veröffentlichung in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt oder einer örtlichen Tageszeitung erfolgen, um auch Personen ohne Internetzugang zu informieren.
Auslegung von Unterlagen oder Entscheidungen
Ist in Verfahren nach den erfassten Gesetzen eine Auslegung von Unterlagen oder Entscheidungen angeordnet, auf die nach den geltenden Vorschriften nicht verzichtet werden kann, so kann die Auslegung durch eine Veröffentlichung im Internet ersetzt werden, auch hier aber nur, wenn die jeweilige Auslegungsfrist spätestens mit Ablauf des 31. März 2021 endet. Gesetzlich vorgesehene Zugänge über ein zentrales Internetportal bleiben unberührt.
Unterbleibt eine Auslegung, hat die zuständige Behörde zusätzlich zur Veröffentlichung im Internet andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten, etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte oder in begründeten Fällen durch Versendung zur Verfügung zur stellen.
In der Bekanntmachung der Auslegung ist darauf hinzuweisen, dass und wo die Veröffentlichung im Internet erfolgt und ob vorgenannte Zugangsmöglichkeiten bestehen.
Die Behörde kann von einem Vorhabenträger verlangen, dass er die Unterlagen, die er bei der Behörde zum Zwecke der Bekanntmachung durch die Behörde einzureichen hat, in einem verkehrsüblichen elektronischen Format einreicht.
Erklärungen zur Niederschrift
Die Abgabe von Erklärungen zur Niederschrift bei der Behörde kann ausgeschlossen werden, wenn die jeweilige Erklärungsfrist spätestens mit Ablauf des 31. März 2021 endet und die zuständige Behörde festgestellt hat, dass innerhalb der Erklärungsfrist eine Entgegennahme zur Niederschrift nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein würde.
In der Bekanntmachung ist auf die Möglichkeit der Abgabe elektronischer Erklärungen und den Ausschluss der Abgabe von Erklärungen zur Niederschrift hinzuweisen und die zuständige Behörde hat einen Zugang für die Abgabe von elektronischen Erklärungen bereitzuhalten.
Erörterungstermine, mündliche Verhandlungen und Antragskonferenzen
Bürger sollen an Erörterungsterminen, mündlichen Verhandlungen oder Antragskonferenzen per Online-Konsultation teilnehmen können.
- Soweit die Durchführung eines Erörterungstermins oder einer mündlichen Verhandlung in das Ermessen der Behörde gestellt ist, können bei der Ermessensentscheidung auch geltende Beschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie und das Risiko der weiteren Ausbreitung des Virus berücksichtigt werden.
- Soweit nach den geltenden Vorschriften auf die Durchführung eines Erörterungstermins oder einer mündlichen Verhandlung nicht verzichtet werden kann, genügt eine Online-Konsultation.
- Die zur Teilnahme an einem Erörterungstermin oder einer mündlichen Verhandlung Berechtigten sind von der Durchführung der ersatzweisen Online-Konsultation zu benachrichtigen.
- Für die Online-Konsultation werden den zur Teilnahme Berechtigten die sonst im Erörterungstermin oder der mündlichen Verhandlung zu behandelnden Informationen zugänglich gemacht.
- Ihnen ist innerhalb einer vorher bekannt zu machenden angemessenen Frist Gelegenheit zu geben sich, schriftlich oder elektronisch dazu äußern.
- Die zuständige Behörde hat geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass nur die Berechtigten Zugang zu der Online-Konsultation haben.
- Die Online-Konsultation kann mit Einverständnis der zur Teilnahme Berechtigten durch eine Telefon- oder Videokonferenz ersetzt werden. Über die Telefon- oder Videokonferenz ist ein Protokoll zu führen.
Die zuständige Behörde kann anstelle der Durchführung einer Antragskonferenz Gelegenheit zur schriftlichen oder elektronischen Stellungnahme geben.
Die Behörde kann von einem Vorhabenträger verlangen, dass er die Unterlagen, die er bei der Behörde zum Zwecke der Bekanntmachung durch die Behörde einzureichen hat, in einem verkehrsüblichen elektronischen Format einreicht.
Die Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und den Erörterungstermin ohne physische Anwesenheit und überwiegend digital durchzuführen, kann im Einzelfall zu einer Reduzierung des Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft führen. Da die Vorhabenträger ihre Unterlagen schon bisher in der Regel digital aufbereiten, ist ein Beschleunigungseffekt denkbar.
Aus der Entwurfsbegründung
„Der ZIA schlägt darüber hinaus vor, das Planungssicherstellungsgesetz als Testlauf für einen grundlegenden Digitalisierungsschub der deutschen Bauverwaltung zu nutzen, in sechs Monaten zu evaluieren und anschließend fortzuschreiben.“
ZIA-Presseerklärung 29.04.2020