Erste Impfstudien machen Hoffnung. Ein „Game Changer“ könnte auf dem Weg sein, so Dr. Fauci. Doch weiterhin gilt, was das Bundesverfassungsgericht gerade mit Beschluss vom 11.11.2020 (1 BvR 2530/20) einer bei Gericht erfolglosen Kino- und Restaurantbetreiberin entgegengehalten hat: „Zudem sind die Gefahren der Covid-19-Pandemie weiterhin sehr ernst zu nehmen. Die Zahl der Neuinfektionen ist seit mehreren Wochen auf einem hohen Niveau und nimmt weiter zu, sodass mit erheblichen Belastungen des Gesundheitssystems zu rechnen ist, die sich insbesondere in den Krankenhäusern bei der Behandlung von Menschen mit schweren Krankheitsverläufen zeigen werden.“ 

Das Bundesverfassungsgericht greift den Spannungsbereich anschaulich auf, um den es hierbei insbesondere geht:

  • In der Untersagung von Gastronomiebetrieben etwa liegt ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der Betreiber aus Art. 12 Abs. 1 GG.
  • Andererseits sprechen angesichts der Gefahren, die ein ungehindertes Infektionsgeschehen für Leib und Leben der Menschen und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems mit sich bringen kann, gute Gründe für eine Rechtfertigung dieser Einschränkungen. Würde man Infektionsschutzkonzepte außer Kraft setzen, bestünde die Gefahr, das Infektionsgeschehen nicht eindämmen zu können, mit den beschriebenen gravierenden Folgen.

Der Verordnungsgeber ist nicht gehalten, eine solche Entwicklung hinzunehmen, sondern aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG sogar prinzipiell zu Maßnahmen des Gesundheits- und Lebensschutzes verpflichtet.

BVerfG – Beschluss vom 11.11.2020 (1 BvR 2530/20)

Und damit sind wir wieder beim Nachhaltigkeitsansatz, zu dem es gehört, Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit und die Natur zu vermeiden. Es gilt das Vorsorgeprinzip und die Risikovorsorge, bezogen auf Viruspandemien ebenso wie bezogen auf Klimarisiken. Oder wie es die Bundesregierung formuliert: „Corona-Pandemie und Klimawandel zeigen immer deutlicher, wie vernetzt und verletzlich alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche in Deutschland sind.

Und damit sind wir im Lebensbereich Wohnen und Arbeiten und in der Immobilienwirtschaft angekommen. Aufgrund der jedenfalls für die nächste Zeit fortbestehenden Beschränkungen bleibt hier die Frage relevant, welche Bedeutung dies für die Immobilienwirtschaft hat, insbesondere für die Gewerbe- und auch für die Wohnraummiete. Unter dem Slogan „Rettet unsere Innenstädte“ hört man im politischen Berlin nun vermehrt: „Auch die Vermieter müssen sich an den pandemiebedingten Kosten beteiligen.“ 

Die Bundesregierung hat hierzu aktuell Antworten gegeben (BT-Drucksache 19/23812):

  • Die Frage, ob die Bundesregierung einen gesetzlichen Mietenerhöhungsstopp oder gesetzliche Ansprüche auf Mieterlasse plant, um Mieterinnen und Mieter während der Pandemie und angesichts der damit ausgelösten wirtschaftlichen Belastungen vor weiteren Mietsteigerungen zu schützen, verneint sie kurz und knapp.
  • Die Bundesregierung sieht auch keine Rechtsunsicherheit bei der Frage von Mietminderungen wegen behördlicher Auflagen zur Bekämpfung der Pandemie. Sie verweist auf die Geltung der jeweiligen vertraglichen Regelungen und des einschlägiges Gesetzesrechts und betont, dass die Anwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regelungen einschließlich des Rechts der Mietminderung und der Störung der Geschäftsgrundlage nicht aufgrund des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ausgeschlossen ist, wie es auch schon das BMJV zum Ausdruck gebracht hatte.
    Tatsächlich ist die Rechtslage nach allgemeinen Regelungen klarer als manche behaupten (ausführlich: Handel, Gewerbe, Handwerk und Gastronomie in der Corona-Pandemie: Neues zur Miete, Pacht, Finanzierung und zum Versicherungsschutz). An dem Erfordernis der Beachtung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ändert das freilich nichts. Das ist dem Recht aber immanent und kann/darf auch der Gesetzgeber nicht ändern.

HINWEIS:
Auch das LG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 02.10.2020 (2-15 O 23/20) die schon vom LG Heidelberg eingeleitete Rechtsprechung weiter verfestigt:
(1.) In der staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie liegt kein Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB.
(2.) Durch die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie wird dem Gewerberaumvermieter die Gebrauchsgewährung nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich.
(3.) Die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie kann erst dann zu einem Anspruch auf Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB führen, wenn es aufgrund dessen für den Gewerberaummieter zu existentiell bedeutsamen Folgen kommt.
Abweichend aber: LG München I, Urteil vom 05.10.2020 – 34 O 6013/20; Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20

  • Die Bundesregierung geht von einem geringen Ausmaß an pandemiebedingten Mietausfällen bei Wohnraummieten und davon aus, dass sich die eingespielten Sozialsysteme für das Wohnen, wie das Wohngeld und die Übernahme der Kosten der Unterkunft im Rahmen des SGB in Kombination mit weiteren Unterstützungsmaßnahmen, in der Krise bewähren. Auch für den weiteren Verlauf der Pandemie wird kein problematisches Ausmaß an Zahlungsschwierigkeiten bei Mieterinnen und Mietern erwartet. Vor diesem Hintergrund sind derzeit keine weiteren Maßnahmen zum Schutz von Mieterinnen und Mietern von Wohnraum vor etwaigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geplant.
  • Im Bereich der Gewerbemieten liegen der Bundesregierung zu pandemiebedingten Zahlungsschwierigkeiten, Mietschulden und Kündigungen bislang keine verlässlichen Informationen vor.
    • Sie begrüßt es aber, wenn Verbände Handreichungen für die Praxis zur einvernehmlichen Lösung zwischen Gewerbemietern und -vermietern erstellen.
    • Die Bundesregierung verweist zudem auf die weiteren Kompensationsmöglichkeiten: Im Rahmen der Überbrückungshilfe können Unternehmen künftig auch Maßnahmen zur temporären Verlagerung des Geschäftsbetriebs in die Außenbereiche, wo die Ansteckungsrisiken geringer sind, geltend machen. Förderfähig sind hierfür z. B. die Anschaffung von Außenzelten oder Wärmestrahlern. Dies ergänzt die bereits zuvor mögliche Förderung von Hygienemaßnahmen, wie z. B. die Anschaffung von Desinfektionsmittel und mobilen Luftfilteranlagen.
    • Die Bundesregierung hebt hervor, dass sie die Situation der Gewerbetreibenden sehr genau beobachtet und ständig den Bedarf weiterer ggf. notwendiger Hilfs- und Unterstützungsleistungen prüft. Aktuelle Prüfungen der Bundesregierung betreffen erweiterte Unterstützungen von Gewerbemietern.

Die Bundesregierung gibt an, auch die Entwicklung in der Rechtspraxis aufmerksam zu verfolgen und fortlaufend zu prüfen, ob gesetzgeberische Maßnahmen veranlasst sind. Über diese Frage diskutiert auch der Bundestag.

  • So ist im Bundestag der Antrag BT-Drucksache 19/22898 Risikoverteilung bei Gewerbemieten klarstellen – Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmen in der Corona-Krise unterstützen zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen worden. Über diesen Antrag hatten wir bereits HIER berichtet.
    UPDATE: Dieser Antrag wurde am 18.11.2020 im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz abgelehnt. Verwiesen wird dabei aber auch auf eine aktuelle Initiative des Bundesjustizministeriums. Das Ministerium habe eine Rechtsunsicherheit bei einigen Mietvertragsparteien zur Kenntnis genommen. Daher wolle man gesetzlich „klarstellen“, dass pandemiebedingte Einbußen regelmäßig die Störung der Geschäftsgrundlage für ein Mietverhältnis bedeuten würde. Die Annahme einer bloßen „Klarstellung“ muss hier sehr deutlich in Anführungszeichen gesetzt werden, da sich dieses Verständnis so jedenfalls nicht in der aktuell überwiegenden Rechtsprechung wiederfindet. Folglich geht das Bundesministerium auch selbst von einer Stärkung der Position des Gewerbemieters infolge der BMJ-Initiative aus. Das BMJ erkennt aber selbst an, dass weiterhin eine Prüfung im Einzelfall und im Streitfall eine gerichtliche Entscheidung erforderlich sein wird. Daher bleibt die Frage nach dem Gewinn an Rechtssicherheit durch eine solche Corona-Sonderregelung im Rahmen der allgemeinen Regelungen des § 313 BGB zur Störung der Geschäftsgrundlage, welche unvermeidlich neue Anwendungsfragen für den Einzelfall aufwerfen wird, welche wiederum durch neue Gerichtsentscheidungen zu klären sein werden. In diese Richtung arbeite man nun beim BMJ, so heißt es – wir sind gespannt.
  • Ebenfalls an die Ausschüsse überwiesen wurde der Antrag BT-Drucksache 19/23941Unsere Innenstädte fit für die Zukunft machen. Auszugsweise geht es u.a. um folgende Forderungen:
    • Städtebau-Notfallfonds in Höhe von 500 Millionen auflegen, insbesondere um bei Leerstand Umnutzungskonzepte zu unterstützen, und gezielt Immobilien anzukaufen und Nutzungen zuzuführen, die die Attraktivität von Ortskernen und Stadtzentren erhöht und eine bessere Aufenthaltsqualität bietet.
    • Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in einen „Gemeinnützigen Bundesbodenfonds“ weiter entwickeln und insbesondere Grundstücke und Liegenschaften des „Gemeinnützigen Bundesbodenfonds“ nur noch an gemeinnützige sowie kommunale und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften oder am Gemeinwohl orientierte Träger zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Erbpacht vergeben oder zu günstigen Konditionen verkaufen.
    • Ein neues Gewerbemietrecht einführen, das für Kleingewerbe einen Mietrechtsschutz und eine Mietpreisbremse für Kleingewerbe und soziale Einrichtungen in bestehenden Immobilien einführt.
    • Gesetzliche Regelung, dass Nutzungsbeschränkungen aufgrund behördlicher Allgemeinverfügungen zur COVID-19-Bekämpfung als schwerwiegende Veränderung der die Vertragsgrundlagen bildenden Umstände darstellen, sodass ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags besteht.
    • Baurecht neu ausrichten und Nutzungsmischung im Sinne der Stadt der kurzen Wege sichern.
    • Ein schneller Breitband-Internetanschluss soll Element der Daseinsvorsorge werden und im Rahmen der Städtebauförderung sollen 290 Millionen Euro für Smart City Projekte bereitgestellt werden, u.a. für Digitalisierungsinitiativen zur Belebung der Innenstädte.
    • Die Lebensqualität in Innenstädten durch umweltfreundliche Mobilität steigern.
    • Öffentlicher Räume klimaresilient und gesundheitsfördernd gestalten, etwa durch ein aufzulegendes Förderprogramm „Grüne Freiräume und Wasser für coole Städte“ sowie durch eine Anpassung von Bauplanungs- und Naturschutzrecht im Sinne der Förderung von Stadtgrün und Klimaresilienz.
    • Bezahlbaren Wohnraum schaffen etwa durch Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau, Begrenzung von Mieterhöhungen in bestehenden Mietverträgen und Einführung von lokalen Mietenlimits und durch die Erschließung der Potentiale für den Wohnungsbau mit Hilfe der Aufstockung in innerstädtischen Gebieten.

Damit bleibt also viel Dynamik im politischen Berlin, die angesichts des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes sicherlich nicht weniger werden wird.


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