Zum Nachhaltigkeitsansatz gehört es, Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit und die Natur zu vermeiden. Es gilt das Vorsorgeprinzip und die Risikovorsorge, bezogen auf Viruspandemien ebenso wie bezogen auf Klimarisiken. Es ist vermutlich dieser Ansatz, dem es zu verdanken ist, dass der anfängliche Versuch einiger Weniger, die Viruskrise gegen die Klimakrise auszuspielen, keinen Erfolg hatte und auch von der Bundesregierung früh abgelehnt wurde. Die Bundesregierung hat am 21. Oktober 2020 nun ihren zweiten Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel inklusive Aktionsplan beschlossen und die Gelegenheit genutzt, die Zusammenhänge von Virus- und Klimarisiken herauszustellen:
Anpassung an den Klimawandel ist am Vorsorgeprinzip ausgerichtet: Schäden für Mensch und Umwelt sollen vermieden oder verringert werden, und die Fähigkeiten für staatliche und nicht-staatliche Akteure im Umgang mit den Folgen des Klimawandels sollen gestärkt werden. Am Beispiel der Corona-Pandemie, die wir global seit Frühjahr 2020 erleben, zeigen sich die Effekte ambitionierter vorsorgeorientierter Politik. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit hierzu ist auch für die Anpassung an den Klimawandel gegeben.
- Corona-Pandemie und Klimawandel zeigen immer deutlicher, wie vernetzt und verletzlich alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche in Deutschland sind.
- Es ist daher künftig immer bedeutsamer, die Resilienz gegenüber Klimawirkungen und anderen Krisen zu stärken und zwar in der langfristigen Vorsorge wie auch der akuten Krisenbewältigung. Diese verstärkte Resilienz wird auch dazu beitragen, weitere wichtige gesellschaftliche Ziele wie globale und nationale Nachhaltigkeitsziele, Treibhausgasneutralität und einen Stopp des Biodiversitätsverlusts durch verstärkten Natur- und Umweltschutz zu erreichen.
Die Bundesregierung möchte sich dabei nach den folgenden Leitlinien richten:
- Offenheit und Kooperation;
- Wissensbasierung, Vorsorgeorientierung und Nachhaltigkeit (siehe auch: Science Over Fiction – EU-Ratspräsidentschaft stärkt Klimaforschung und Nachhaltigkeit);
- Subsidiarität, Eigenvorsorge, Anpassungskapazität und Verhältnismäßigkeit;
- Integraler Ansatz und Berücksichtigung von Klimafolgen in Planungen und Entscheidungen;
- Handeln unter Unsicherheiten;
- Internationale Verantwortung.
Die Bundesregierung stellt damit den politischer Rahmen für die Anpassung an den Klimawandel auf, der eine sektorenübergreifende Vorgehensweise des Bundes ermöglicht werden soll. In Ihren Fortschrittsbericht stellt sie Handlungsoptionen für 15 Handlungsfelder auf: Bauwesen, Biologische Vielfalt, Boden, Energiewirtschaft, Finanz- und Versicherungswirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft, Industrie und Gewerbe, Landwirtschaft, menschliche Gesundheit, Tourismus, Verkehr und Verkehrsinfrastruktur, Wasser, Hochwasser- und Küstenschutz sowie die Querschnitt-Handlungsfelder Bevölkerungs- und Katastrophenschutz und Raum-, Regional- und Bauleitplanung.
Die Identifizierung von Schäden infolge des Klimawandels ist ein komplexes Thema. Gleichwohl ist es von besonderer Bedeutung, da Schadenspotenziale durch Klimafolgen hoch sein können. Eine schadensreduzierende Vorsorge beispielsweise im Bereich Bauen oder bei der Flächennutzung ist oft lohnend, sowohl für staatliche als auch private Akteure.
Bundesregierung, Zweiter Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Für das Bauwesen definiert der Fortschrittsbericht ein mittleres bis hohes Handlungserfordernis:

Neben gesundheitspräventiven Maßnahmen sind nach dem Fortschrittsbericht und Aktionsplan planerische und bautechnische Anpassungen notwendig, um die Klimawirkung vor allem in Städten zu mindern. Unter anderem:
Klimaangepasstes Bauen
Im vorliegenden Zusammenhang besonders relevant ist klimaangepasstes Bauen.
- Durch das Instrument klimaangepasstes Bauen bei Gebäuden soll sichergestellt werden, dass vorhandene Erkenntnisse und das Wissen über Extremwetterereignisse in technische Regelwerke zu Wartung, Instandhaltung und Neubau von Gebäuden einfließen.
- Dadurch könnten auch im Rahmen von Förderprogrammen wesentliche Gefährdungspotentiale frühzeitig erkannt und Schadensereignisse deutlich verringert werden.
- Um den sich verstärkenden Lastannahmen auf Gebäude und Bauwerke durch (a) Hochwasser, Starkregen, Kanalrückstau, (b) Hagel, (c) Sturm und (d) Hitze und Trockenheit ein sicheres bautechnisches Handeln entgegen zu stellen, werden unter anderem Beurteilungshilfen und Gebietsbelastungstabellen angestrebt.
- Das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes (BNB) ermöglicht anhand einer erläuterten themenbezogenen Abfrage die Bewertung von „Widerstandsfähigkeit gegen Naturgefahren“. Berücksichtigt werden hierbei die GefahrenWind, Starkregen, Hagel und Schnee sowie Hochwasser.
- Eine zentrale Handlungsmaxime ist die Entwicklung einer urbanen grünen Infrastruktur in einer nachverdichteten Stadt, die die Lebensqualität in Städten sichert, mit Grün das Klima schützt und die Folgen von Starkregen, Hitze und Trockenheit mindert.
- Dazu betreibt der Bund Forschungsprojekte insbesondere zu klimaangepasstem Bauen, klimaresilientem Stadtumbau, Techniken einer wassersensiblen Stadtentwicklung, oder zur Verbesserung von Stadtnatur.
- Es sollen Anforderungen und Lösungsansätze für Maßnahmen einer urbanen grünen Infrastruktur definiert werden, insbesondere hinsichtlich der Planung, Gestaltung, Finanzierung, Nutzbarkeit und baukulturellen Qualität.
- Unter dem Primat des forcierten Wohnungsneubaus soll der Fokus auf die Sicherung, Qualifizierung und Neuentwicklung von Grünflächen in verdichteten und verdichtenden Städten gelegt werden.
- Erarbeitet werden sollen Prinzipien einer qualitätsvollen Freiraumgestaltung im Rahmen einer doppelten Innenentwicklung (Nachverdichtung und Begrünung).
- Eine wesentliche Grundlage ist die kleinräumige Erfassung und Überprüfung von Umfang und Qualität des Stadtgrüns, für die zunehmend auch fernerkundliche Techniken (Laserscan-Daten, Drohnen-, Luftbild- und Satellitenaufnahmen) genutzt werden.
- Durch die anhaltende Nachverdichtung werden die Effekte des Klimawandels in Städten – Hitze, Trockenheit, Starkregen –verstärkt. Im Forschungsvorhaben „Klimaresilienter Stadtumbau – Erfolgreiche Planungs-, Kooperations- und Kommunikati-onsprozesse“ (2017-2019) werden Beispiele für Planungsstrukturen und -prozesse zur Klimaanpassung im Stadtumbau aus 8 Fallstudienstädten in einer Toolbox zusammengestellt. Sie soll kommunalen Verwaltungen ein digitales Portfolio mit praxisorientierten Arbeitsmaterialien, Steckbriefen und übertragbaren Beispielen bieten.
- Siehe auch schon:
Normungen, Gesetze, technische Regelungen und Standards
Die rechtlichen Grundlagen für eine Anpassung an den Klimawandel sollen gestärkt werden.
- Die systematische Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels soll in bestehenden technischen Regelungen und Standards berücksichtigt werden.
- Bei der klimafesten Ausgestaltung bestehender Regeln und technischer Normen liegt ein besonderer Fokus auf den Themen menschliche Gesundheit, Infrastrukturen sowie urbane Räume inkl. Stadtplanung und Gebäude. Das betrifft insbesondere einen Anpassungsbedarf von Normen und Regelwerken im Bauwesen. Konkret geht es darum, solche Normen und technische Regelwerke des Bauwesens zu identifizieren, die von extremen Wetterereignissen und Klimaveränderungen betroffen sein können. Ebenfalls geht es um Normen, die die Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen können. Dabei geht es neben DIN-Normen auch um Normen anderer regelsetzender Institutionen in Deutschland, etwa die VDI-Richtlinien oder das DWA-Regelwerk.
- Einen wichtigen Rahmen geben international anerkannte Standards, insbesondere DIN EN ISO 14090 zu Grundsätzen, Anforderungen und Leitlinien der Anpassung in Organisationen, DIN EN ISO 14091 zu Vulnerabilität, Auswirkungen und Risikobewertung sowie der CEN/CENELEC Guide 32 zur Anpassung von Normen an den Klimawandel.
- Eine Vielzahl von Fachgesetzen wie z.B. das Raumordnungs-, Bauplanungs- und Städtebaurecht berücksichtige bereits Aspekte der Klimaanpassung. Eine Überprüfung der Fachgesetzgebungen zähle aber zu den dauerhaften Kernaufgaben der jeweils zuständigen Ressorts. Es soll daher ein Augenmerk darauf gelegt werden, wie Aspekte der Klimaanpassung in anderen Fachgesetzen weiter präzisiert und hierdurch gestärkt werden können.
- Verschiedene Veröffentlichungen und Forschungsprojekte zielen gemeinsam auf die Zusammenstellung der einzelnen Vulnerabilitäten der baulichen Infrastruktur (Gebäude und Liegenschaften) gegenüber den verschiedenen Folgen des Klimawandels, um sukzessive bautechnische Lösungsansätze hierfür zu entwickeln.
- Um die Anlagensicherheit unter Extremereignissen sicherzustellen, soll eine Überprüfung der Technischen Regel für Anlagensicherheit 310 (Niederschläge und Hochwasser) und 320 (Wind, Schnee- und Eislasten), einschließlich Fortschreibungsbedarf aufgrund neuerer Erkenntnisse zum Klimawandel durch die Kommission für Anlagensicherheit erfolgen. Das BImSchG und die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) sollen u.a. sicherstellen, dass Mensch und Umwelt vor Gefahren durch Anlagen, in denen gefährliche Stoffe vorhanden sind, geschützt sind. Hierzu gehören auch Gefahren, die durch natürliche, umgebungsbedingte Einflüsse ausgelöst werden. Der Klimawandel erfordert, dass diese Gefahren neu bewertet sowie einschlägige technische Regeln evaluiert und weiterentwickelt werden.
- Die Maßnahme klimafeste Ausgestaltung bestehender Regeln und technischer Normen umfasst spezifische Ressortforschung, die aktive Mitwirkung in relevanten Gremien sowie die Verankerung in rechtlichen Regelungen und Berücksichtigung bei Vergabeverfahren des Bundes.
- Es soll geprüft werden, inwieweit Organisationen den Anforderungen an Klimarisikoanalysen bereits im Rahmen der EMAS-Umwelterklärung oder anderer unternehmerischer Management- und Berichterstattungssysteme berücksichtigen, bzw. wie dies verbessert werden kann (siehe auch: Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Risikosteuerung in Unternehmen: Vom CSR-Preisträger aus der Immobilienwirtschaft zum Management-Leitfaden für die Praxis).
- Der Aufbau eines Klimaschadenskatasters verfolgt das Ziel einer langfristigen und systematischen Erfassung von Schäden und Schadenskosten durch den Klimawandel. Zudem soll eine bessere Klassifizierung von Ausgaben der öffentlichen Hand im Hinblick auf Klimaanpassung erfolgen.
Klimaanpassungsfinanzierung
Die Klimaanpassungsfinanzierung soll gesichert werden.
- Aufgrund des Charakters der Klimaanpassung als Querschnittsaufgabe bestehe eine Vielzahl von Förderinstrumenten und Finanzierungsmechanismen in den verschiedenen Handlungsfeldern auf den Ebenen von Bund und Ländern. Bislang fehle es jedoch an einer Gesamtschau der direkt und indirekt für die Klimaanpassung aufgewendeten Mittel. Diese werde jedoch z.B. auf EU Ebene vermehrt nachgefragt als wesentliches Element einer Standortbestimmung in Sachen Klimaanpassungsfinanzierung.
- Die Maßnahme Integration von Aspekten des klimaresilienten Bauens (Neubau und Bestand) in Förderprogramme etwa zielt darauf ab, Gebäude so zu gestalten, dass dem Anstieg der Innentemperaturen infolge des Klimawandels auf klimafreundliche Art entgegengewirkt wird. Dies könne zum Beispiel durch Maßnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes (Verschattung) und Verdunstungskühlung umgesetzt werden.
- Aufgrund der lokalen und regionalen Ausprägungen des Klimawandels nimmt auch das Thema Stadt- und Raumplanung eine Schlüsselrolle im Bereich der Klimaanpassung ein. So soll Klimaanpassung in der Städtebauförderung gestärkt werden. Mit der zwischen Bund und Ländern weiterentwickelten und abgestimmten Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2020 sind „Maßnahmen des Klimaschutzes bzw. zur Anpassung an den Klimawandel, insbesondere durch Verbesserung der grünen Infrastruktur (beispielsweise des Stadtgrüns)“ nunmehr zwingende Fördervoraussetzung.
- Als Auftakt für die künftige Potenzialnutzung von Dach- und Fassadenbegrünung soll eine Machbarkeitsstudie als Grundlage zu einer Förderrichtlinie auf Bundesebene erstellt werden. U.a. soll der Stand des Wissens zusammengefasst werden, bspw. baupraktische Lösungen und ihr Beitrag zu Klimaschutz, Minderung der sommerlichen Temperaturen, Regenwassermanagement, ökologische Vielfalt etc. dargestellt werden.
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