Die Beseitigung gewerbesteuerlicher Hindernisse für die Energiewende im Gebäudesektor
Mit dem Fondsstandortgesetz (FoStoG) hat der Bundestag am 22.04.2021 u.a. eine Reform des Gewerbesteuergesetzes beschlossen, zu welcher der Bundesrat noch am 28.05.2021 seine Zustimmung geben muss (TOP 6, BR-Drucksache 354/21):
Wenn in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes Einnahmen aus der Lieferung von Strom
- im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nummer 21 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes oder
- aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder,
erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 10 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind, kann der Grundstückseigentümer die sog. erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen.
Was bedeutet das?
Im Hinblick auf die Vermietungseinnahmen unterliegt das Grundstücksunternehmen infolge der erweiterten Kürzung (bei der Ermittlung des Gewerbeertrags kann der Vermietungsertrag gekürzt werden) nicht der Gewerbesteuer.
Bislang galt:
Betrieben Grundstücksunternehmen die Erzeugung von Strom aus Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, so
(1.) so unterfielen die Einnahmen aus diesen „Nebentätigkeiten“ der Gewerbesteuer und
(2.) verloren die Grundstückseigentümer insgesamt die Möglichkeit, die erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen zu können, sodass auch die Einnahmen aus der Vermietung der Gewerbesteuer unterfielen.
Neu ist:
(Nur) Punkt (2.) ändert sich. Er entfällt.
Um Anreize für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und den Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge (einschließlich Elektrofahrräder), zu setzen, sollen also Grundstücksunternehmen im Hinblick auf die vorgenannte Tätigkeit die erweiterte Kürzung weiterhin in Anspruch nehmen können, wenn ihre diesbezüglichen Einnahmen in dem für den Erhebungszeitraum maßgeblichen Wirtschaftsjahr nachweislich nicht höher als 10 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind.
Wichtige Anforderungen bzw. Einschränkungen
- Die Einnahmen aus dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien dürfen nicht aus der Lieferung an Letztverbraucher stammen, es sei denn, diese sind Mieter des Anlagenbetreibers. Der Strom aus den Energieerzeugungsanlagen darf mithin nur ins Netz eingespeist oder an die Mieter des Grundstücksunternehmens geliefert werden.
- Der Selbstverbrauch von erzeugtem Strom steht der erweiterten Kürzung ebenfalls nicht entgegen.
- Zu den begünstigten Einnahmen, die im Zusammenhang von dem Betrieb der Anlagen erzielt werden, rechnen auch die Einnahmen aus zusätzlichen Stromlieferungen im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 6 des EnWG bei Mieterstromanlagen.
- Gewerbliche Einnahmen aus dem Betrieb eines Blockheizkraftwerks sind nicht begünstigt.
- Begünstigt sind erneuerbare Energien im Sinne der Wasserkraft, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie und Energie aus Biomasse.
- Zu Abgrenzung zwischen dem Vorliegen eines gewerbesteuerpflichtigen Gewerbebetriebs einerseits und der gewerbesteuerfreien privaten Vermögensverwaltung andererseits siehe hier: BFH zur Gewerbesteuer im Immobilienrecht: Wann ist die Vermietung eines Einkaufscenters ein Gewerbebetrieb?
HINWEIS: Künftig soll die erweiterte Kürzung alternativ auch dann erhalten bleiben, wenn die Einnahmen in dem für den Erhebungszeitraum maßgeblichen Wirtschaftsjahr aus anderen gewerblichen Tätigkeiten oder z. B. Mieteinnahmen aus der Überlassung von Betriebsvorrichtungen, die keinen funktionalen Zusammenhang mit dem vermieteten Grundstück aufweisen, nicht höher als 5 Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind und aus unmittelbaren Vertragsverhältnissen mit den Mietern des Grundstücks stammen.
Als Mieterstrom wird solcher Strom bezeichnet, der in Solaranlagen auf, an oder in einem Wohngebäude erzeugt wird und ohne Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung an Letztverbraucher im selben Gebäude oder in Wohngebäuden oder Nebenanlagen in demselben Quartier geliefert wird. Oftmals erzeugt und liefert der Vermieter den Strom dabei aber nicht selbst, sondern betraut hiermit Dritte, denen er die entsprechenden Dachflächen zur Verfügung stellt.
WD 5 – 3000 – 141/20
Die steuerliche Reform ist besonders relevant vor dem Hintergrund weiterer gesetzlicher Neuerungen zu erneuerbaren Energien im Gebäudesektor: Photovoltaik-Pflicht auf Dächern: Klima- und Solargesetze in Hamburg, Baden-Württemberg, Berlin, Bayern u.a.
Abnahmepflicht der Mieter?
Sind also steuerliche Hindernisse beseitigt bzw. zumindest gemindert, stellt sich die Frage nach weiteren Hindernissen für Mieterstrommodelle u.a. So hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sich mit einem lesenswerten Sachstandsbericht vom 21. Januar 2021 der Frage gewidmet, ob eine (gesetzliche) Pflicht des Mieters zur Abnahme von Mieterstrom mit den europarechtlichen Energieverbraucherrechten, insbesondere der Wahlfreiheit des Energieversorgers, vereinbar wäre, und inwieweit die Wahlfreiheit bei Mieterstrommodellen überhaupt Anwendung findet.
Die Europäische Union hebt die Wahlfreiheit als eines der elementaren Verbraucherrechte im Energiebinnenmarkt hervor, welches den Letztverbrauchern durch das nationale Recht der Mitgliedsstaaten garantiert sein muss. (…) Die enorme Bedeutung der Lieferantenfreiheit macht sich auch in dem für Mieterstromverträge geltenden § 42a EnWG bemerkbar. Darin ist in Abs. 2 ausdrücklich ein Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsvertrag bestimmt, um jegliches Einwirken auf die Entscheidungs- freiheit des – in der Regel schwächeren – Mieters auszuschließen. Der Abschluss eines Mietvertrags soll nicht von dem Abschluss eines Mieterstromvertrags abhängen.
WD 5 – 3000 – 141/20, Zur Abnahmepflicht von Mieterstrom und der Wahlfreiheit des Energieversorgers, S. 5, 6 f.
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