Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben sich in den Morgenstunden des Sonntags auf eine Reform des EU-Emissionshandelssystem (ETS) geeinigt. Zudem soll mehr Geld in klimafreundliche Technologien investiert werden.
Das Emissionshandelssystem ist Teil des Pakets „Fit for 55“ der EU-Kommission, mit dem die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 im Einklang mit dem europäischen Klimagesetz um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 senken will.
Ein Eckpfeiler des Pakets besteht darin, auf dem EU-Emissionshandelssystem aufzubauen, indem es gestärkt und auf neue Sektoren ausgedehnt wird. Die EU-Kommission schlug in ihrem Paket vor,
- den Emissionshandel ab 2026 auch auf den Straßenverkehr und den Gebäudesektor anzuwenden,
- über ein separates System, das sich auf vorgelagerte Brennstoffanbieter konzentriert und bei dem die Verantwortung für die Anwendung des Systems bei den Erzeugern liegt, anstatt einzelne Haushalte oder Verkehrsnutzer zu einer direkten Teilnahme zu verpflichten,
- wobei für die durch den Straßenverkehrs- und den Gebäudesektor verursachten Emissionen Höchstgrenzen festgelegt werden sollen, die im Laufe der Zeit abgesenkt werden, sodass die Gesamtemissionen zurückgehen.
Siehe auch:
- CO2-Bepreisung im Gebäudesektor 2021: Nationales Emissionshandels-System nach BEHG & Carbon-Leakage-VO
- Neuer EU-Klimapakt zum Green Deal: „Fit for 55“-Paket der EU-Kommission

Der Emissionshandel in Bezug auf Brennstoffe für Gebäude soll die Verringerung der Emissionen beschleunigen und Investitionen in erneuerbare Energien und in Energieeffizienz anregen. Er soll einen Preis für umweltschädliche Brennstoffe einführen, sodass Energieerzeuger einen Anreiz für Innovationen und für Investitionen in saubere Energie erhalten, die sie den Endverbrauchern anbieten. Er soll auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Arten der Wärmeerzeugung schaffen, indem der bestehende CO2-Preis für Heizen mit Strom und Fernwärme durch einen CO2-Preis für das Beheizen von Wohngebäuden ergänzt wird. Den Mitgliedstaaten soll der Emissionshandel Einnahmen verschaffen, die zur Förderung der Dekarbonisierung von Gebäuden verwendet werden können. Durch die CO2-Bepreisung sollen erhebliche zusätzliche Einnahmen erzielt werden, mit denen ein gerechter Übergang sichergestellt werden soll und saubere Lösungen billiger werden sollen.
Die Anwendung des Emissionshandels im Gebäudesektor soll dazu beitragen,
- sauberere Heizstoffe auf den Markt zu bringen,
- die Amortisationszeiten für Renovierungsinvestitionen zu verkürzen und
- den Brennstoffwechsel bei der Wärme- und Kälteversorgung von Bestandsgebäuden zu beschleunigen.

EPRS | European Parliamentary Research Service, Fit for 55 package, BRIEFING: Towards climate neutrality, European Union 2022
Die Einigung von Parlament und Rat hat nun das Folgende ergeben:
- Die Emissionen in den ETS-Sektoren müssen bis 2030 um 62% gesenkt werden.
- Kostenlose Emissionszertifikate werden ab 2026 auslaufen und bis 2034 abgeschafft
- Ein ETS II für Emissionen aus dem Gebäude- und Straßenverkehrssektor kommt ab 2027
Bevor die Neuerungen in Kraft treten können, müssen das Parlament und der Rat die Vereinbarung noch förmlich verabschieden. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werden die neuen Rechtsvorschriften im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und treten in Kraft.
Die Emissionen in den ETS-Sektoren müssen bis 2030 um 62 % gegenüber 2005 gesenkt werden, was ein Prozentpunkt mehr ist als von der Kommission vorgeschlagen wurde. Dies bedeutet eine Steigerung um 19 Prozentpunkte gegenüber der 43%igen Senkung nach den geltenden Rechtsvorschriften. Um diese Verringerung zu erreichen, wird die EU-weite Menge an Zertifikaten einmalig um 90 Mio. t CO2-Äquivalente im Jahr 2024 und 27 Mio. t im Jahr 2026 verringert. Zusätzlich werden zwischen 2024 und 2027 jährlich 4,3 % weniger Zertifikate vergeben und von 2028 bis 2030 4,4 % weniger.
Die kostenlosen ETS-Zertifikate für die Industrie werden wie folgt schrittweise abgebaut: 2026: 2,5 % weniger, 2027: 5 %, 2028: 10 %, 2029: 22,5 %, 2030: 48,5 %, 2031: 61 %, 2032: 73,5 %, 2033: 86 %, 2034: 100 %
Schon zuvor hatten sich die Europaabgeordneten mit den Vertretern der EU-Regierungen auf ein neues CO2-Grenzausgleichsystems (Carbon Border Adjustment Mechanism – CBAM) geeinigt., das die Verlagerung von CO2-Emissionen ins Nicht-EU-Ausland verhindern soll und parallel zum Auslaufen der kostenlosen ETS-Zertifikate eingeführt wird. CBAM soll daher im Jahr 2026 die Arbeit aufnehmen und bis 2034 vollständig eingeführt sein, bis 2025 analysiert die Kommission, ob ein Risiko besteht, dass CO2-Emissionen ins Ausland verlagert werden für Waren, die in der EU produziert werden aber für den Export in Nicht-EU-Länder bestimmt sind. Falls notwendig soll die Kommission dann einen WHO-konformen Legislativvorschlag vorlegen, um das zu verhindern. Darüber hinaus werden die Einkünfte aus schätzungsweise 47,5 Millionen Zertifikaten verwendet, um das Risiko einer exportbedingten Verlagerung von CO2-Emissionen zu verringern.
Ein zweiter neuer Emissionshandel (ETS II) für CO2-Emissionen im Straßenverkehr und von Gebäuden wird nun bis 2027 eingeführt, also ein Jahr später als von der Kommission vorgeschlagen. Wie vom Parlament gefordert, werden auch fossile Brennstoffe für andere Sektoren wie das verarbeitende Gewerbe einbezogen.
- Sollten Energiepreise außergewöhnlich hoch sein, kann das ETS II bis 2028 verschoben werden, um die Bürger*innen vor zu hohen Kosten zu schützen.
- Außerdem wird ein neuer Preisstabilitätsmechanismus eingeführt. So werden 20 Millionen zusätzliche ETS II-Zertifikate freigegeben, wenn der Preis für ein Zertifikat über 45 EUR steigt.
Das Emissionshandelssystem soll zudem erstmals auf den Seeverkehr ausgeweitet werden. Außerdem müssen die EU-Staaten ab 2024 die Treibhausgasemissionen von Verbrennungsanlagen für Siedlungsabfälle messen, melden und prüfen. Bis zum 31. Januar 2026 soll die Kommission einen Bericht vorlegen, um solche Anlagen ab 2028 in den EU-Emissionshandel einzubeziehen, mit einer möglichen Ausnahme bis spätestens 2030.
Schließlich sollen mehr Mittel für innovative Technologien und die Modernisierung des Energiesystems bereitgestellt werden:
- Der Innovationsfonds wird von derzeit 450 auf 575 Millionen Zertifikate aufgestockt.
- Der Modernisierungsfonds für zehn EU-Staaten mit niedrigeren Einkommen wird aufgestockt. Es werden zusätzlich 2,5 % der Zertifikate versteigert, um EU-Länder zu unterstützen, in denen das Pro-Kopf-BIP weniger als 75 % des EU-Durchschnitts beträgt.
- Alle nationalen Einnahmen aus der Versteigerung von ETS-Zertifikaten sollen für klimarelevante Aktivitäten ausgegeben werden.
- Es erfolgte eine gesonderte Einigung auf die Einrichtung eines EU-Klima-Sozialfonds für besonders gefährdete Personen.
- 24 % aller ETS-Zertifikate werden in die Marktstabilitätsreserve eingestellt, um mögliche Ungleichgewichte auszugleichen zwischen Angebot und Nachfrage für CO2-Zertifikate nach externen Schocks wie COVID-19.
© Copyright by Dr. Elmar Bickert
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