In einem gemeinsamen Appell haben Anfang Dezember 17 Spitzenverbände und Kammern der Bau-, Planungs- und Immobilienwirtschaft (ZIA, HDB, BFW, ZDB, GDW, IVD, VBI, BDA u.a.) auf eine dramatische Lage im Wohnungsbau hingewiesen und ihre Forderungen an Bundesregierung, Bundestag und die Verantwortlichen in den Ländern formuliert.
„Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist alarmierend. Während der Wohnungsneubau weiterhin stark rückläufig ist, besteht in Deutschland nach wie vor ein enormer Bedarf an (kostengünstigem) Wohnraum – vor allem in den Ballungszentren. Hohe Bau-, Energie- und Materialkosten, gestiegene Zinsen, langwierige Bau- und Planverfahren sowie eine mehrfach zusammengebrochene Wohnungsbauförderung führen zu einer
Abwärtsspirale im Wohnungsbau mit gravierenden Folgen.“
Gemeinsamer Appell der 17 Verbände und Kammern zum Wohnungsbau: „Dramatische Lage im Wohnungsbau – was jetzt zu tun ist
Das Bündnis fordert insbesondere eine gesicherte Förderkulisse, ohne die bezahlbarer Wohnraum und
die Sanierung des Gebäudebestands unmöglich sei. Eine zielgenaue Neubauförderung mit der Schaffung verlässlicher Bedingungen bis Jahresbeginn sei dringend erforderlich: Benötigt werde eine Neubauförderung zu Jahresbeginn in Höhe von 10 Milliarden Euro jährlich für bezahlbaren Wohnraum.
Gute Nachricht kam vor diesem Hintergrund aus Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Eilantrag gegen die Übertragung einer Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro auf den „Energie- und Klimafonds“ zurückgewiesen (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. November 2022 – 2 BvF 1/22 ). Das Bundesverfassungsgericht stellte sich schützend vor
- die BEG-Förderung,
- den Umweltbonus,
- die Dekarbonisierung der Industrie,
- die Strompreisabsenkung durch Abschaffung der EEG-Umlage und
- vor den Klimaschutz
und gewährleistet verfassungsrechtlich exakt das, was das Immobilien- und Baubündnis fordert: Planungssicherheit für private Investitionen. Hätte das BVerfG dem Eilantag der Verhinderer stattgegeben, stünden der Bundesregierung die vom Bundestag mit dem Zweiten Nachtragshaushalt 2021 zur Überwindung der Corona-Pandemie bereit gestellten Mittel in Höhe von 60 Milliarden Euro im KTF nicht (mehr) zur Verfügung, was erhebliche Folgen für die von ihr geplanten kurz- und mittelfristigen Programme und Maßnahmen nach sich siehen würde.
„Die Bundesregierung beabsichtigt, hierdurch insbesondere Planungssicherheit für private Investitionen zu gewährleisten, die von der rechtssicheren Verfügbarkeit öffentlicher Fördergelder abhingen. Diese Rechtssicherheit fiele bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung weg, mit entsprechenden Folgen für das Ausbleiben privater Investitionen. (…)
Hiervon betroffen wären die Förderprogramme BEG und Umweltbonus. Die Mittel für diese Programme stünden – auch vorläufig – nicht zur Verfügung. Es erscheint jedenfalls unklar, ob andere Programme – zumindest bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren – zugunsten der Förderprogramme BEG und Umweltbonus eingestellt oder reduziert würden. Ein Ausfall der Programme hätte für die Baubranche und für die Automobilindustrie nach Einschätzung der Bundesregierung erhebliche Folgen. Davon betroffen wären zudem alle Haushalte, die eine Sanierung in Aussicht auf eine Förderung durch das Programm BEG in Auftrag gegeben haben oder planen, und alle potentiellen Käufer von Fahrzeugen mit alternativer Antriebstechnik.
Nach nicht zu widerlegender Einschätzung der Bundesregierung dürfte darüber hinaus das Programm „Dekarbonisierung der Industrie“ in seiner Umsetzbarkeit gefährdet sein. In dessen Rahmen sollen Projekte zur Vermeidung prozessbedingter Emissionen in der energieintensiven Industrie gefördert werden. Diese umfassen die Forschung und Entwicklung, die Erprobung in Versuchs- und Pilotanlagen sowie die Investitionen in Anlagen, die einen Beitrag zur Treibhausgasneutralität in der Industrie leisten. Investitionen könnten hierdurch nur verzögert angestoßen werden oder ganz ausfallen, was einen Wettbewerbsnachteil der Industrie mit sich bringen könnte.
Zudem wird die sogenannte EEG-Umlage seit dem 1. Juli 2022 mittels der Zuführungen des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 aus dem KTF finanziert. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage war eine relative Strompreissenkung für die Verbraucher und Unternehmen verbunden. Seither trägt der KTF die entsprechenden Kosten von insgesamt 6,6 Milliarden Euro. Stünden diese Mittel in Folge der einstweiligen Anordnung nicht mehr zur Verfügung, wäre dies – würde die Abschaffung der Umlage infolgedessen rückgängig gemacht – mit einer Strompreiserhöhung und damit einer erheblichen Mehrbelastung für Verbraucher und Unternehmen verbunden. Damit fielen wiederum Mittel für Investitionen und die Stimulation der Nachfrage privater Haushalte weg.
Die – auch nur vorübergehende – Einengung des finanziellen Spielraums des Sondervermögens brächte in Folge der Neustrukturierung Kürzungen und Streichungen von anderen Programmen innerhalb des KTF mit sich, was ein Verfehlen von CO2-Minderungszielen nach sich ziehen könnte. Wegen der Verpflichtungen aus dem Klimaschutzgesetz müsste hier über alternative Programme nachgesteuert werden, was neuerliche Haushaltsbelastungen mit sich bringen könnte. Würden die Minderungsziele verfehlt, müssten entsprechende Emissionszertifikate bei anderen EU-Mitgliedstaaten angekauft werden, was ebenfalls Haushaltsbelastungen nach sich zöge.„
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. November 2022 – 2 BvF 1/22 „Die Bundesregierung
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Entscheidung des Eilrechtsschutzes im Wege einer Folgenabwägung getroffen. Diese sprach klar gegen den Antrag. Das Gericht folgte auch nicht dem „Trick“ der Antragsteller, nicht die Außervollzugsetzung des Gesetzes zu beantragen, sondern eine Anordnung mit dem Inhalt, dass die durch das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 aufgestockte Rücklage des Sondervermögens KTF bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nur in Anspruch genommen werden darf. Dies erwies sich nach dem BVerfG als rechtlich und tatsächlich untauglicher Versuch.
„Der Erlass der einstweiligen Anordnung kann hingegen zu einer Situation führen, in welcher die von der Bundesregierung aufgelegten Programme zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht weiter finanziert werden könnten. Damit bestünde die erhebliche Gefahr, dass der angeführte Zweck hinter dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 – die Überwindung der Corona-Pandemie in ökonomischer Hinsicht – jedenfalls mittelfristig nicht mehr ohne Weiteres erreicht werden könnte. Die hiermit verbundenen wirtschaftlichen Folgen träfen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen unmittelbar.„
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. November 2022 – 2 BvF 1/22
Wer aber hatte den Antrag gestellt? Wer verfolgt solch einen Nachteil für Bürger:innen und Unternehmen, wer stellt sich gegen die BEG-Förderung, den Umweltbonus, die Dekarbonisierung der Industrie, die Strompreisabsenkung durch Abschaffung der EEG-Umlage und gegen den Klimaschutz? Die Antwort überrascht. Es sind nicht die üblichen Verdächtigen aus dem rechtsextremen Lager, sondern eine ganze Reihe von Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagesfraktion.
Besonders befremdlich: Hierzu gehört der Berliner Bundestagsabgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak, CDU/CSU, der sich sonst für die Bau- und Immobilienwirtschaft positioniert, ein Aussetzen der BEG-Förderung für fatal hält für Klimaschutz und Planungssicherheit, laufend ein Förderchaos beklagt und verlässliche Rahmenbedingungen fordert. Oder der Bundestagsabgeordnete Sepp Müller, CDU/CSU, aus Sachsen-Anhalt, dem Bundesland, das nicht nur das Umweltbundesamt beheimatet und selbst nach der Klimaschutzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts besonders betroffen ist vom Klimawandel, sondern das sich mit der Stadt Halle (Saale) bewirbt um den Standort für das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation. Das passt nicht zusammen.
HINTERGRUND:
Da im Verlauf des Haushaltsjahres 2021 sich zeigte, dass die im Nachtragshaushaltsgesetz vorgesehenen Aufstockungen nicht benötigt wurden, entstand im politischen Raum die Idee, die mit dem Nachtragshaushaltsgesetz 2021 eingeräumte Kreditermächtigung in der vollen Höhe von 60 Milliarden Euro auf den „Energie- und Klimafonds“ (EKF), ein unselbständiges Sondervermögen des Bundes zu übertragen.
Die Bundesregierung verwies darauf, dass eine verlässliche staatliche Finanzierung und eine Förderung privatwirtschaftlicher Ausgaben für bedeutende Zukunfts- und Transformationsaufgaben etwa in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung unter den besonderen Bedingungen der Pandemiebewältigung eine wesentliche Voraussetzung sei, um die Folgen der Krise schnell zu überwinden, die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft zu sichern und damit das wirtschaftliche Wachstum anzuregen und nachhaltig zu stärken. Es bedürfe einer weiteren Steigerung öffentlicher Investitionen, um gezielt private Investitionen in Zukunftsbereichen zu aktivieren und einen entsprechenden Nachholprozess anzustoßen. Die Zuweisung von zusätzlichen Mitteln in Höhe von 60 Milliarden Euro an den EKF sei erforderlich, um nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten zur „Überwindung des Klimawandels bzw. zur Transformation der deutschen Volkswirtschaft im Rahmen der Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie“ zu schaffen. Die Bundesregierung beabsichtige, den Energie- und Klimafonds zu einem Klima- und Transformationsfonds (KTF) weiterzuentwickeln. Angesichts der andauernden Corona-Pandemie und wegen der daraus resultierenden Risiken für die Erholung der Wirtschaft und der Staatsfinanzen beschloss der Bundestag am 23. Juni 2022 das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“. Zweck des Gesetzes ist die Weiterentwicklung des EKF zu einem „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF). In Folge der Änderung sollen zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen und Maßnahmen zur nachhaltigen Transformation der deutschen Wirtschaft finanziert werden, die geeignet sind, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen, und die gleichzeitig dazu beitragen, die Klimaschutzziele des Klimaschutzgesetzes zu erreichen.
Jenseits politischer Irrungen und Wirrungen im Bundestag haben andere in der CDU/CSU erkannt, wie wichtig Energie-, Klima- und Transformationsfonds alleine schon aus dem Grund sind, weil die EU und ihre Mitgliedstaaten in Sachen grüne Investitionen von den USA unter Druck gesetzt werden, wo Biden’s Inflation Reduction Act eine grüne Welle durch das Land treibt mit einer großen Sogwirkung für grüne Investitionen aus der ganzen Welt. Der Vorsitzender der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament forderte schon vergleichbare Förderprogramme für Unternehmen in Europa und die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) will durch eine bessere Industrie- und Wettbewerbspolitik inklusive einer Ausweitung von Subventionen zur Förderung von Zukunftstechnologie in den Mitgliedsstaaten Europa wieder auf Augenhöhe mit den USA bringen. Das dürfte auf der Linie des Kanzleramtes liegen.
© Copyright by Dr. Elmar Bickert
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.