Die Europäische Kommission wird zum Ende des Jahres 2015 ihre neue Strategie zur Kreislaufwirtschaft vorlegen. Sie zielt darauf ab, die EU in eine wettbewerbsfähigere und Ressourcen effizientere Wirtschaft zu wandeln. Folgt die Kommission einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 09.07.2015, so wird dies erhebliche Bedeutung für den Immobilienbereich und besondere Relevanz für das Wirtschafts- und Finanzrecht haben.

Eine neuere Studie vom Juni 2015, erstellt von der Ellen MacArthur Foundation, dem McKinsey Center for Business and Environment und SUN (Stiftungsfonds für Umweltökonomie und Nachhaltigkeit) mit dem Titel

Growth Within: A circular economy vision for a competitive Europe

hatte bereits erhebliche wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Vorteile eines solchen Wandels herausgearbeitet. Aus der Pressemitteilung:

 „Growth Within: A circular economy vision for a competitive Europe reveals that by adopting circular economy principles, Europe can take advantage of the impending technology revolution to create a net benefit of €1.8 trillion by 2030, or €0.9 trillion more than in the current linear development path. This would be accompanied by better societal outcomes including an increase of €3,000 in household income, a reduction in the cost of time lost to congestion by 16%, and a halving of carbon dioxide emissions compared with current levels.“

 


Mit dem Bericht über das Thema Ressourceneffizienz: Wege zu einer Kreislaufwirtschaft (2014/2208(INI), Plenarsitzungsdokument A8-0215/2015 vom 25.06.2015), und der Entschließung vom 09.07.2015 hat das Europäische Parlament zum Thema nachhaltige Gebäude (Sustainable Buildings) das Folgende entschieden:

Das Europäische Parlament

  • begrüsst die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Effizienter Ressourceneinsatz im Gebaudesektor“ (COM(2014)0445);
  • ist der Ansicht, dass ein Ansatz fur den Gebäudesektor erforderlich ist, der sich auf einen Fahrplan und zugehörige langfristige Zielvorgaben stützt;
  • fordert die Kommission auf, die vollständige Umsetzung der Grundsätze und Anforderungen der Kreislaufwirtschaft im Bereich Gebäude vorzuschlagen und die politischen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Ressourceneffizienz von Gebäuden fortzuentwickeln, was auch die Ausarbeitung von Indikatoren, Normen, Methoden und Qualitatsanforderungen in den Bereichen
    • Flächennutzung,
    • Stadtplanung,
    • Architektur,
    • Statik,
    • Bau,
    • Instandhaltung,
    • Anpassungsfähigkeit,
    • Energieeffizienz,
    • Renovierung,
    • Wiederverwendung und
    • Recycling einschliest;
  • vertritt die Auffassung, dass die Zielvorgaben und Indikatoren für nachhaltige Gebäude auch grüne Infrastrukturen wie begrünte Dächer betreffen sollten;
  • betont die Bedeutung eines ganzheitlichen Konzepts für den Gebäudebestand in Europa mit deutlichen und ambitionierten mittel- und langfristen Zielen und Fahrplänen zur Verwirklichung dieser Visionen;
  • ist der Auffassung, dass die Luftqualitat in Innenräumen sowie das Wohlbefinden und die sozialen Bedürfnisse der Nutzer in die Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden Eingang finden sollten;
  • fordert die Kommission auf, im Rahmen der allgemeinen Indikatoren fur Ressourceneffizienz Indikatoren auszuarbeiten, mit denen die Nachhaltigkeit von Gebäuden über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg zu bewerten ist, wobei sie bereits bestehende Normen und Methoden und als Grundlage einen ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeitsansatz heranziehen sollte;
  • fordert die Kommission auf, vorzuschlagen, dass die Grundsätze und Normen der besten verfügbaren Technologie auf alle Materialien und Gebäudeteile angewandt werden, und einen Gebäudepass zu konzipieren, der auf der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes basiert;
  • vertritt die Auffassung, dass der Gebäudepass mehr Transparenz herbeifuhren und Informationen enthalten sollte, durch die Instandhaltung, Reparatur, Renovierung und Recycling leichter werden;
  • ist der Auffassung, dass deshalb, weil 90 % des im Jahr 2050 vorhandenen Gebäudebestands heute bereits bestehen, besondere Anforderungen an und Anreize fur den Bereich Renovierung festgelegt werden sollten, damit bis 2050 die meisten Gebäude eine positive Energiebilanz haben;
  • fordert deswegen die Kommission auf, eine langfristige Strategie fur die Renovierung bestehender Gebäude auszuarbeiten und die Rolle der durch die Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz eingeführten nationalen Renovierungsstrategien aufzuwerten;
  • fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verbesserung des Recyclings durch den Aufbau von Infrastruktur fur die getrennte Sammlung und das Recycling in der Bauwirtschaft zu begünstigen;
  • fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das Potenzial technischer Prüfungen vor dem Abbruch und die Sortierung recyclingfahiger Materialien vor Ort zu untersuchen;
  • stellt fest, dass Beton zu den am meisten verwendeten Werkstoffen in der Bauwirtschaft gehört;
  • fordert die Kommission auf, die Möglichkeiten zum vermehrten Recycling von Beton in der Bauwirtschaft, wie es in Deutschland und der Schweiz praktiziert wird, zu begutachten.

Auszugsweise aus der Begründung des Europäischen Parlaments:

  • Die nicht nachhaltige Nutzung der Ressourcen verursacht Umweltschäden und stellt ein wirtschaftliches Risiko dar.
  • Wir konnen nur dann unsere Wettbewerbsfahigkeit steigern, Europa reindustrialisieren und unseren Lebensstandard verbessern, wenn wir das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln.
  • Eine Verbesserung der Ressourceneffizienz käme unserer Wirtschaft und unserer Sicherheit zugute.
  • Das ist ein „Win-win-Szenario“. Ressourceneffizienz ist eine Losung fur das ökologische Dilemma, vor dem wir stehen, und fur die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen Europa zu kämpfen hat.
  • Die Steigerung der Ressourceneffizienz beruht auf sechs Schlüsselkonzepten:
    • Kreislaufwirtschaft,
    • Kaskadennutzung von Ressourcen,
    • Abfallhierarchie,
    • erweiterte Herstellerverantwortung,
    • Industriesymbiose und
    • neue Geschaftsmodelle.
  • Die derzeitige Politik hat ihre Bemühungen nicht ausreichend auf diesen Paradigmenwechsel ausgerichtet. Europa ist in einem System gefangen, in dem wertvolle Materialien, von denen viele hohe ökologische und gesamtgesellschaftliche Kosten verursachen, auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen landen.
  • Das Finanz- und das Wirtschaftsrecht bewirken nicht die Einrechnung des Werts von Ökosystemdienstleistungen und Biodiversität sowie von ökologischen und gesamtgesellschaftlichen Risiken. Diese Risiken bringen im Übrigen ein ökonomisches Risiko für die langfristige finanzielle Leistungsfähigkeit mit sich, das in den konventionellen Finanzanalysen jedoch nicht zum Ausdruck kommt. Dadurch wird Kapital an den falschen Stellen eingesetzt.
  • Eine bessere Rechenschaftspflicht bezüglich der systemimmanenten Risiken, die durch die Umweltschädigung und Überbeanspruchung von Ressourcen sowie die vom jeweiligen kurzfristig angelegten Kurs des Marktes ausgehende Untätigkeit verursacht werden, sollte für Finanzberichte, Buchhaltungsvorschriften und das integrierte Berichtswesen eingefuhrt werden.
  • Ressourcenknappheit und Umweltrisiken sollten in das Finanzrecht aufgenommen werden, u. a. im Hinblick auf
    • Ratings,
    • Eigenkapitalanforderungen,
    • Versicherungen,
    • Informationen über Finanzprodukte,
    • Rechnungslegung und
    • Rechnungsprufung.
  • Die Kapitalmärkte können sich auf langfristige Nachhaltigkeit ausrichten durch die Einbeziehung von ökologischen, gesamtgesellschaftlichen und Governance-Faktoren. Hohe Umweltrisiken sollten in hoheren Eigenkapitalanforderungen ihren Niederschlag finden.
  • Zudem wird ein klarer neuer politischer Rahmen benötigt, der es den privaten und institutionellen Anlegern ermöglicht, ihre Anlagestrategie zugunsten von langfristigen, nachhaltigen Investitionen zu ändern.
  • Diesbezuglich besteht also kein Widerspruch, sondern für Wirtschaft und Umwelt gibt es eine gemeinsame Interessenlage und beiderseitigen Nutzen. In allen Wirtschaftszweigen bestehen Spannungen zwischen Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf Innovation und Ressourceneffizienz beruht, und solchen, die befangen sind in Strategien und Marktbedingungen, die zu vergangenen Verhältnissen passen.
  • Gebäude stehen für 40 Prozent des Energieverbrauchs der EU und 36 Prozent der CO2-Emissionen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass ein besonderer Schwerpunkt auf die Ressourceneffizienz der bebauten Umwelt und der Gebäude gelegt wird.
  • Das Konzept „Nachhaltige Gebäude“ wird manchmal gänzlich auf die Wahl von Materialien oder die Energieeffizienz beschrankt. Es handelt sich hierbei jedoch um ein weitaus umfassenderes Konzept. Damit Gebaude nachhaltig sein konnen, muss ihr gesamter Lebenszyklus berücksichtigt werden,
    • angefangen bei der architektonischen Planung, der Bautechnik und der Auslegung bis hin
    • zum Bau und zur Auswahl der Materialien,
    • zu Umbau und Sanierungsarbeiten und
    • zur Entsorgung.
  • Auch intelligente und nachhaltige Flachennutzung und eine Infrastruktur mussen in den Rahmen fur nachhaltige Gebaude aufgenommen werden. Stadtplanung und Problemlosungen im Personennahverkehr spielen eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft.
  • In diesem Wirtschaftszweig besteht immer noch eine starke Inkonsistenz in Bezug auf die Definition von nachhaltigen Gebäuden und Baustoffen. Wegen der fehlenden Harmonisierung hat das Konzept fur nachhaltige Gebaude Schwächen, was fur den gesamten Wirtschaftszweig hohe Kosten, fehlendes Vertrauen, komplexe Kommunikation nach sich zieht und es nahezu unmöglich macht, eine vergleichende Leistungsbewertung vorzunehmen.
  • Die Hindernisse fur das Ausschöpfen des vollen Potenzials der in den Gebauden vorhandenen Ressourcen sind oftmals wirtschaftlicher Art: Es ist billiger, zu deponieren, als zu sammeln, zu sortieren und zu rezyklieren. Daruber hinaus gibt es in vielen Mitgliedstaaten keine Recyclinginfrastruktur.
  • Anreize und Verpflichtungen würden zu einer besseren Planung des Ressourceneinsatzes sowie zu einer nachhaltigen Materialwahl über den gesamten Lebenszyklus hinweg führen.

 

 


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