Die sog. Symptomtheorie stammt aus dem Werkvertragsrecht und soll dem Auftraggeber die Geltendmachung seiner Gewährleistungsrechte erleichtern. Nach dieser kann der Auftraggeber mit hinreichend genauer Beschreibung von zu Tage getretenen Mangelerscheinungen einen Mangel zum Gegenstand des vertraglichen oder prozessualen Verfahrens machen und kann sich darauf beschränken, die Symptome eines Mangels zu rügen und vorzutragen, ohne dass damit eine Beschränkung auf die vom Auftraggeber angegebenen Stellen oder die von ihm bezeichneten oder vermuteten Ursachen verbunden wäre. Trägt der Auftraggeber also zum Mangelsymptom vor, so macht er 

  • mit der Beschreibung der Mangelsymptome deren wirklichen Ursachen zum Gegenstand seiner vorgerichtlichen bzw. gerichtlichen Mangelverfolgung, und zwar nicht nur hinsichtlich der bezeichneten Stellen, sondern hinsichtlich der gesamten Werkleitung des Auftragnehmers,
  • mit der Bezeichnung der Erscheinungen nicht nur diese, sondern den Mangel selbst in vollem Umfang zum Gegenstand seiner Erklärungen und Verfahren.

Auch im Kaufrecht ist die Unterscheidung von Mangel und Mangelsymptom anerkannt. So genügt ein Käufer den Anforderungen an ein die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers auslösendes Nacherfüllungsverlangen bereits dadurch, dass er dem Verkäufer

  • neben einer Einräumung der Untersuchungsmöglichkeit
  • die Mangelsymptome hinreichend genau bezeichnet und
  • ihm auf diese Weise eine Prüfung der Ursachen des in den Symptomen zum Ausdruck kommenden Mangels sowie der in Betracht kommenden Abhilfemöglichkeiten ermöglicht.

Siehe auch:
Mangelsymptom beim Kaufvertrag: Wenn die Hinhaltetaktik des Verkäufers zur Haftungsfalle wird
Nachhaltigkeit im Baurecht: Schon die Gefahr begründet einen Mangel – und sie ist unabhängig von den gerügten Symptomen nachhaltig zu beseitigen

Die Gerichtspraxis zeigt aber auch, dass die Unterscheidung von Mangel, Mangelsymptom und Mangelursache bei Immobilienkäufen zu Irrungen und Wirrungen führen kann. Gerichte tun sich nach meiner Erfahrung vor allem dann oftmals schwer, wenn technische Fragen auf einen Arglistvorwurf treffen, wie es infolge des typischen Ausschlusses der Sachmangelgewährleistung in den Kaufverträgen der Regelfall ist bei Haftungsfällen aus Immobilientransaktionen.  

Einen in diesem Sinne verwirrten Fall hat eben der BGH entschieden, oder besser gesagt entwirrt. In einem Immobilienkaufsfall stand fest, dass

  • es am Kaufgegenstand wiederholt zu Wassereintritten durch ein (Terassen-) Dach gekommen war,
  • der Verkäufer hiervon Kenntnis hatte,
  • der Käufer hiervon keine Kenntnis hatte und auch nicht haben konnte und
  • der Verkäufer den Käufer gleichwohl nicht über den Wassereintritt aufgeklärt hatte.

Klarer Fall. Oder auch nicht. Denn trotz alldem hatte das Oberlandesgericht dem Haftungsanspruch des Käufers eine Absage erteilt. Wie das? Es hatte sich zwischen Mangel, Mangeklsymptom und Mangelursache verloren:

  • Die Undichtigkeit einer unter den Dachpfannen verlegten Folie sei ein Sachmangel,
  • der Wasseraustritt aus der Deckenverkleidung sei das Mangelsymptom,
  • welches zwei voneinander unabhängige Ursachen habe, für die aber keine Arglist des Verkäufers feststellbar sei.

Der BGH entwirrt und korrigiert:

  • Die Wassereintritte im Dach bzw. Wasseraustritte aus der Deckenverkleidung stellen selbst den Sachmangel dar, nicht nur ein Mangelsymptom.
  • Das hat nicht nur Bedeutung für den Gerichtsprozess: Steht der Mangel schon fest, bedarf es keiner weiteren Beweisaufnahme oder sonst gerichtlicher Feststellungen.
  • Das hat auch Bedeutung für den Arglistvorwurf, der richtigerwiese zu bejahen war: Die Wassereintritte und damit den Sachmangel hatte der Verkäufer arglistig verschwiegen.
  • Klärt der Verkäufer eines Hausgrundstückes den Käufer nicht über Wassereintritte auf, handelt er arglistig, auch wenn er deren Ursache(n) nicht oder nur teilweise kennt. Unrichtig war die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Arglist sich nur auf die dem Verkäufer bekannten Mangelursachen beziehen soll.

Wird ein Hausgrundstück mit überdachter Terrasse verkauft und tritt durch das Terrassendach wiederholt Regenwasser ein, ist dies regelmäßig nicht nur ein bloßes Symptom für einen Sachmangel; vielmehr begründet bereits die Undichtigkeit des Terrassendaches selbst den Sachmangel.

BGH – V ZR 43/23

Was ist ein Mangelsymptom?

Unter einem Mangelsymptom sind äußerliche Merkmale eines Mangels zu verstehen, die auf dessen Vorhandensein schließen lassen.
Von Mangelsymptomen kann also (nur) gesprochen werden, wenn die jeweiligen Umstände für sich genommen die Merkmale eines Sachmangels im Sinne des Gesetzes (noch) nicht erfüllen.

Beispiele für Mangelsymptome:
Feuchtigkeitsflecken, die auf einen feuchten Keller schließen lassen können.
Wasseransammlungen kleineren Ausmaßes am Fuße einer abschüssigen Einfahrt, die auf eine mangelhafte Entwässerungsanlage schließen lassen können.

Abgrenzung:
Wiederholte Wassereintritte durch ein (Terrassen-) Dach oder auch größere Wasseransammlungen in einer Hauseinfahrt entsprechen nicht der üblichen Beschaffenheit und sind daher nicht nur Mangelsymptom, sondern der Mangel selbst.

Der BGH verdeutlicht einmal mehr, dass die Arglisthaftung zwar hart klingt, aber nicht so verstanden werden darf. Die Voraussetzungen einer Arglisthaftung sind nach dem BGH schneller zu bejahen, als es manches Instanzgericht gerne hätte, insbesondere: 

  • Für die Arglist allein entscheidend ist, ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kennt.
  • Nicht relevant ist dagegen, ob der Verkäufer daraus den Schluss auf das Vorliegen eines Sachmangels zieht oder ob er die Umstände selbst bereits als Mangel im Rechtssinne einordnet.
  • Im Einzelfall kann eine Offenbarungspflicht des Verkäufers sogar bei bloßen Mangelsymptomen bestehen, die
    für den Käufer nicht ohne weiteres erkennbar sind.
  • Ohne Relevanz ist, ob der Verkäufer die Mangelursache kennt oder ob ihm nur eine von mehreren Ursachen des Sachmangels bekannt ist.

WAS IST ARGLIST?
Ein arglistiges Verschweigen eines Mangels im Sinne von § 444 BGB ist nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.
Der Verkäufer muss, sofern es sich nicht um einer Besichtigung zugängliche und ohne weiteres erkennbare Mängel handelt, die der Käufer bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann, gemäß seinem Kenntnisstand aufklären und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhalten.
Siehe auch die aktuelle Leitentscheidung zur Due Diligence bei Immobilientransaktionen: Die Bereitstellung eines Datenraums erfüllt nicht als solche die Aufklärungspflicht des Verkäufers

Siehe auch schon grundlegend in diesem Sinne:

Die Erklärungsverantwortung des Immobilienverkäufers – am Beispiel des Verhältnisses von Beschaffenheitsvereinbarung und Haftungsausschluss, ZfIR 2013, 265

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